Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Im Kopf des Maskenmale­rs

Mit einem Erlebnisze­ntrum wird im belgischen Ostende versucht, dem Maler James Ensor näherzukom­men

- Von Sabine Glaubitz

OSTENDE (dpa) - Masken, die auftauchen und wieder verschwind­en; Blut, das auf den Rahmen tropft – der belgische Maler James Ensor liebte das Skurrile und malte Menschen hinter Masken. Das vor Kurzem eröffnete James-Ensor-Haus im belgischen Ostende will nun als Erlebnisze­ntrum hinter die Maske des Künstlers schauen, dessen Leben und Werk bis heute voller Rätsel sind.

Ensor wurde am 13. April 1860 in dem belgischen Seebad geboren, wo er im Alter von 89 Jahren am 19. November 1949 auch starb. Von 1917 bis zu seinem Tod hat er in dem Haus gelebt und gearbeitet. Ab dem Jahr 1952 wurde es von dem Verein der Freunde von James Ensor als Museum genutzt. Seit 2008 wird es vom Kunstmuseu­m Mu.ZEE mitverwalt­et. Nach rund zweieinhal­bjähriger Renovierun­g ist es nun um ein zweistöcki­ges Erlebnisze­ntrum erweitert.

„Wir haben uns vom Anne-FrankHaus in Amsterdam inspiriere­n lassen“, erklärt Wim Vanseveren, strategisc­her Berater des Projekts und ehemaliger Leiter der flämischen Tourismusa­bteilung. Das neu eröffnete Museum befindet sich inmitten der Stadt und liegt nur wenige Meter vom kilometerl­angen Strand entfernt.

Fratzen, Totenschäd­el, kleine Monsterwes­en, Skelette und immer wieder karnevales­ke Masken: Wer war James Ensor, den die Kunstwisse­nschaft dem Symbolismu­s zuordnet und als Vorläufer des Expression­ismus betrachtet?

Ensor stellte sich in zahlreiche­n Selbstbild­nissen dar, wie die im Empfangsbe­reich digitalisi­erten Autoporträ­ts

in Endlosschl­eife zeigen: als 19-Jähriger, der selbstbewu­sst vor der Staffelei steht, als selbstgefä­lliger Mann mit blumenverz­iertem Frauenhut und schließlic­h als Skelett. In den Selbstport­räts spiegelt sich Ensors vielfältig­es und schwer erfassbare­s Gesamtwerk wider: mal realistisc­h, poetisch, mal höhnisch, makaber und karikaturi­stisch.

Ensor hat den Großteil seiner Werke auf dem Dachboden des Hauses seiner Eltern entworfen. Sein dort eingericht­etes Atelier ist in dem neu eröffneten Museum nun im Maßstab 1:2 nachgebild­et. Auf kleinstem Raum hat er mit 2,52 mal 4,3 Metern sein größtes und gewaltigst­es Werk gemalt: „Der Einzug Christi in Brüssel“. In seiner Gesamtheit hatte er

Wim Vanseveren, strategisc­her Berater des Projekts das Bild, das sich heute im Paul-Getty-Museum in Los Angeles befindet, erst mit dem Umzug in das heutige Ensor-Haus im Jahr 1917 gesehen.

Das Monumental­bild aus dem Jahr 1889 hängt als Reprodukti­on im blauen Salon des Ensor-Hauses, das größtentei­ls so erhalten werden konnte, wie es zu Lebzeiten des Künstlers eingericht­et war. Das Bild ist voller Menschen, voller Totenköpfe und Masken in kreischend­en Farben; und inmitten dieser Masse Christus. Was bringt das Bild zum Ausdruck? Es ist Ensors Sozialkrit­ik an der eingebilde­ten Bourgeoisi­e, dem schlaffen Volk, den begriffsst­utzigen Gelehrten und der absurden Welt, wie er einst über das Meisterwer­k schrieb.

Ensor hatte das Haus, in dem er mit seinem Diener August Van Yper lebte, von seinem Onkel geerbt. Es war ein Muschel- und Kuriosität­enladen. Der Maler hat die Schaufenst­erauslage

und die Vitrinen mit den bizarren Schaustück­en unveränder­t gelassen. Überall trifft man auf Masken, Muscheln und ausgestopf­te Meerestier­e. Auf einigen sollen sogar die Preise von früher noch stehen.

Das seltsame, manchmal durchaus auch verwirrend­e Umfeld hat den Maler nachhaltig beeinfluss­t. So erinnert die skelettart­ige Figur, die noch heute am Tisch des blauen Salons sitzt, an das Bild „Skelett Chinoiseri­en betrachten­d“, das sich heute in den Sammlungen des Wallraf-Richartz-Museums in Köln befindet.

„Wir haben uns vom Anne-Frank-Haus in Amsterdam inspiriere­n lassen.“

Das James-Ensor-Huis im belgischen Ostende ist täglich von 10-18 Uhr geöffnet, Montag geschlosse­n. Onlinerese­rvierung und das Tragen von Mund- und Nasenschut­z sind zwingend. www.ensorstad.de

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Der blaue Salon (li.) und Maskenrega­le im Erdgeschos­s: Das neu eröffnete Museum ehrt den Künstler James Ensor, dessen Werk und Leben bis heute noch voller Rätsel sind.
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FOTOS: SABINE GLAUBITZ/DPA

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