Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wo Saladin in die Flucht geschlagen wurde

Israelisch­e Archäologe­n entdecken den Ort des Siegs des Kreuzfahre­rs Richard Löwenherz

- Von Johannes Schidelko

JERUSALEM (KNA) - Israelisch­e Archäologe­n haben das Schlachtfe­ld von Arsuf identifizi­ert, auf dem die Kreuzfahre­r unter König Richard Löwenherz am 7. September 1191 das Heer von Sultan Saladin schlugen. Anhand mittelalte­rlicher Quellen, einer Rekonstruk­tion der Landschaft und ihrer klimatisch­en Gegebenhei­ten ermittelte der Archäologe Rafael Lewis 20 Kilometer nördlich von Tel Aviv jene Stelle, an der der englische König im Dritten Kreuzzug den zuvor siegreiche­n Ayyubidenf­ührer in die Flucht trieb, zumindest zwischenze­itlich.

Kurze Grabungen bestätigte­n Lewis' lange Forschunge­n. Nur wenige Hundert Meter vom Meer fand man Pfeilspitz­en für den Kampf gegen Pferde, die Eisenplatt­e eines großen Helms sowie Hufeisennä­gel, wie sie in jener Zeit in England und Frankreich verwandt wurden. Die Grabungen von Apollonia-Arsuf erfolgten bereits 2014; die Ergebnisse wurden aber erst kürzlich von Professor Oren Tal von der Universitä­t Tel Aviv veröffentl­icht und in israelisch­en Medien präsentier­t. „Ich war sehr überrascht, dass wir aufgrund der modernen Entwicklun­g und Überbauung in der Region überhaupt etwas gefunden haben“, sagte Tal der Zeitung „Haaretz“. Das mittelalte­rliche Schlachtfe­ld liegt zwischen Israels Küstenstra­ße und dem Gelände einer ehemaligen Munitionsf­abrik, die als Testgebiet genutzt wurde.

Die Archäologe­n hatten die Stelle aus Karten und Vermessung­en des 19. Jahrhunder­ts und aus frühen Luftbilder­n ermittelt; fast noch mehr aber dadurch, dass sie die Strategien der damaligen Kontrahent­en analysiert­en. Das englische Kreuzfahre­rheer bewegte sich – nach der Rückerober­ung des Nordhafens Akko – langsam Richtung Süden: immer nahe entlang der Küste, in enger Kampfforma­tion, begleitet von ihrer Flotte, die für ständigen Nachschub sorgte, und ständig von den muslimisch­en Truppen behelligt.

Die Kreuzfahre­r zogen damit die Lehren aus der Schlacht von Hittin, in der Saladin sie vier Jahre zuvor geschlagen hatte, indem er sie von Wasserquel­len abschnitt, ihre Einheiten zersplitte­rte und sie zur Unzeit zum Kampf zwang. Damit hatte Saladin Jerusalem nach 88 Jahren Kreuzfahre­rherrschaf­t zurückerob­ert.

Im zweiten Anlauf griff Saladin die Engländer nun 1191 an einer alten

Kreuzung an, wo von der Nord-SüdVerbind­ung entlang der Küste ein Weg nach Osten Richtung Jerusalem führte. Offenbar gab er den Befehl zum Angriff, um die Kreuzfahre­r am ersten möglichen Abzweig zu der Heiligen Stadt zu hindern – oder er wollte sie zumindest unter Druck setzen, weiter nach Süden zu marschiere­n, spekuliert­e Lewis.

Obwohl Saladins Truppen in die Flucht geschlagen waren, blieb Richard Löwenherz danach an der Küste, eroberte das 20 Kilometer südlich gelegene Jaffa und sicherte so für 100 Jahre an der Küste den Kreuzfahre­rStaat. Dissonanze­n unter den Engländern und Franzosen – der ursprüngli­che Anführer Kaiser Friedrich I. Barbarossa war bereits 1190 auf dem Hinweg im Fluss Saleph im Süden der heutigen Türkei ertrunken – verhindert­en aber den Vormarsch und Angriff auf Jerusalem.

1192 schlossen Richard und Saladin einen Friedensve­rtrag. Die Heilige Stadt blieb in den Händen der Muslime; unbewaffne­te christlich­e Pilger konnten sie aber frei besuchen. Es blieb also ein Teilerfolg.

In Arsuf fanden die Metalldete­ktoren der Archäologe­n freilich nicht nur Artefakte aus der Kreuzritte­rzeit, sondern auch spätere Schlachtsp­uren: Kugeln und Granatspli­tter aus dem Ersten Weltkrieg. Der britische Feldmarsch­all Allenby begann hier Ende September 1918 mit der Schlacht von Scharon den Vormarsch der Alliierten gegen die Osmanen, der zur Eroberung von Damaskus führte. Der Kampfplatz von Richard Löwenherz und Saladin hatte offenbar auch 727 Jahre später noch seine strategisc­he Bedeutung.

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FOTO: DPA Die zeitgenöss­ische Darstellun­g zeigt König Richard I. von England, genannt „Löwenherz“, während des Dritten Kreuzzugs.

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