Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ortschaftsrat wird über Breitband informiert
REUTE-GAISBEUREN (sz) - Die nächste öffentliche Sitzung des Ortschaftsrates Reute-Gaisbeuren findet am Mittwoch, 14. Oktober, 19 Uhr, im Dorfgemeinschaftshaus Gaisbeuren statt. Auf der Tagesordnung stehen laut Ankündigung unter anderem Informationen zur L 285 und zum Breitband sowie Baugesuche und Bauvoranfragen. - Der Altdorfer Wald ist mit 82 Quadratkilometern eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete in Baden-Württemberg. Teile des Altdorfer Walds gehören auch zu einem großen Fauna-Flora-Habitat (FFH). Zu dem Gebiet nordöstlich von Ravensburg zählen nach Angaben des Regierungspräsidiums Tübingen (RP) Wald- und Offenlandflächen, vor allem Bereiche der Täler der Wolfegger Ach und der Schussen. Mehrere Teilflächen innerhalb des Gebiets liegen zudem im Zuständigkeitsbereich der Stadt Bad Waldsee. Betroffen sind auch Abschnitte der Bundesstraße 30, was einen Ausbau im Hinblick auf die Ortsumfahrungen Gaisbeuren und Enzisreute erschweren könnte.
Was ist das FFH-Gebiet „Altdorfer Wald“, warum ist es wichtig und was zeichnet es aus? Das Gebiet umfasst nach öffentlich einsehbaren Informationen des Landratsamts Ravensburg insgesamt 1370 Hektar, davon 948 Hektar im Altdorfer Wald. Die restlichen Flächen befinden sich östlich von Weingarten, um den Rößlerweiher und südlich von Wolfegg. „Das FFH-Gebiet untergliedert sich in mehrere Teilbereiche, im Norden der Schussentobel mit EschenAhorn-Ulmenund Buchenwäldern, in der zentralen Mitte das Tal der Wolfegger Ach mit Auwäldern sowie einigen Weihergruppen und im Süden die Moorgebiete Himmelreichmoos und Fuchsenloch“, ist einem Informationspapier vom Mai dieses Jahres zu entnehmen.
Das RP hat auf seiner Homepage folgende Erläuterung dazu veröffentlicht: „Die Schussen durchbricht auf ihrem Weg zum Bodensee im Bereich des Altdorfer Waldes die Endmoränenwälle, die der abschmelzende Rheingletscher hier am Ende der letzten Eiszeit zurückgelassen hat.“Enge Schluchten seien dadurch entstanden, insbesondere der Schussentobel oder der Tobel der Wolfegger Ach. Stillgewässer würden Amphibien wie dem Kammmolch als Fortpflanzungsgewässer dienen. „In manchen der naturnahen Fließgewässer sind Steinkrebse heimisch. Teils werden die Bäche von Auenwäldern gesäumt, teils grenzen kalkreiche Sümpfe oder Niedermoore an, die Lebensraum
für die Schmale Windelschnecke sind.“
Im Altdorfer Wald, dem „größten Waldgebiet Oberschwabens mit seinen großen naturnahen Bereichen“, wachsen laut RP großflächige Hainsimsenund Waldmeister-Buchenwälder, auf nassem Untergrund auch Moorwälder. „Als Refugium für europaweit bedeutende Arten wie den Frauenschuh und das Große Mausohr ist das FFH-Gebiet europaweit anerkannt und geschützt. Versteckt im Altdorfer Wald liegt das Füremoos. Es ist dank seiner Abgeschiedenheit eines der wenigen intakten Hochmoore, ein vom Verschwinden bedrohter Lebensraum, für dessen Erhaltung Baden-Württemberg besonders verantwortlich ist.“ drei Varianten
Doch was hat dies nun mit der B 30 zu tun? Grundsätzlich gilt: FFH-Gebiete sind europäische Schutzgebiete. Und innerhalb dieser Zonen kann nichts oder nur sehr erschwert etwas verändert werden. So ist wegen des Schutzgebiets „Altdorfer Wald“, das südwestlich von Enzisreute von der viel befahrenen Bundesstraße 30 durchkreuzt wird, auch ein möglicherweise zu ändernder Straßenverlauf für die künftigen Ortsumfahrungen Gaisbeuren und Enzisreute unter Umständen nicht so leicht realisierbar (bisher diskutierte Varianten: siehe Kasten).
Daher hat sich der Ausschuss für Umwelt und Technik des Bad Waldseer Gemeinderats bereits 2018 mit dem FFH-Gebiet beschäftigt und bei der Ausweisung dieses Gebiets beschlossen, in diesem Bereich einen 40 Meter breiten Korridor bei der Bundesstraße auszusparen. Ohne diesen Korridor hätten ansonsten bauliche Veränderungen entlang der B 30 schwierig werden können, erläuterte damals die Stadtverwaltung (die SZ berichtete). Denn sobald Flächen einem Schutzgebiet zugewiesen wurden, würden strenge Auflagen gelten und es bestehe kaum eine Chance, diese Flächen nachträglich wieder aus einem ausgewiesenen Schutzgebiet herauszuholen.
Die Teilflächen innerhalb des FFHGebiets „Altdorfer Wald“, die im Zuständigkeitsbereich der Stadt Bad Waldsee liegen, befinden sich vor allem rund um Reute sowie die B-30verkehrsgeplagten Orte Gaisbeuren und Enzisreute. Die erste Teilfläche liegt nach damaligen Angaben der Verwaltung südwestlich von Reute im Bereich des Tobels (östlich der Bahnlinie) und umfasst Waldflächen. Der Bahnhof Durlesbach sei nicht einbezogen. Die zweite Teilfläche ist südöstlich von Enzisreute Richtung Gambach (gemeint ist das 38 Hektar große Naturschutzgebiet „Saßweiher“). Die dritte Teilfläche befindet sich südwestlich von Enzisreute im Bereich der B 30 und der Gemarkungsgrenze Baindt. Im nördlichen Teilbereich sind der Bunkhofer Weiher mit 2,8 Hektar (dazu gehört der Avenwald) und der Schanzwiesweiher mit ebenfalls 2,8 Hektar inbegriffen. Südlich der B 30 zählt auf der Gemarkung Baindt der Egelsee mit 5,5 Hektar dazu. Ebenfalls dazu zählt der Stockweiher mit 1,7 Hektar.
Das FFH-Gebiet, geschützt durch europäisches Recht, hat also große Auswirkungen auf einen künftigen Straßenverlauf der B 30, zumal es sich im Fall von Gaisbeuren und Enzisreute um angestrebte Ortsumfahrungen handelt, also die Straße künftig drumherum oder unten durch (Tunnel) geführt werden soll.
Doch wo soll sie verlaufen, falls es nicht zur Tunnellösung kommt und die Möglichkeiten aufgrund des Schutzgebiets beschränkt sind? „FFH-Gebiete haben eine enorme Rechtsstellung. Innerhalb dieser Schutzgebiete darf man nichts verändern, was deren Zustand verschlechtert“, erläuterte Wilfried Franke, Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben, bereits einmal in einem SZ-Gespräch. Er sprach in diesem Zusammenhang von „fundamentalen planerischen Fragestellungen“. („B-30Ortsumfahrungen: Warum es so schwierig ist, eine Straße zu bauen“, SZ vom 4. September 2019).
Weitere Texte der Serie Altdorfer Wald gibt es in einem Online-Dossier unter: www.schwäbische.de/ altdorferwald