Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Erneut explodiere­n Kosten bei kommunalem Projekt

Rad-Route kostet mehr als doppelt so viel wie zunächst geschätzt – So reagiert die Stadt auf das Problem

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Die Rad-Vorrangrou­te von Schmalegg bis Weingarten wird mehr als doppelt so teurer wie zunächst geschätzt. Und sie ist nicht das erste Projekt, bei dem die Kosten explodiere­n. Bei einigen Gemeinderä­ten stößt die wiederholt heftige Kostenstei­gerung bei einem kommunalen Projekt auf Unverständ­nis, wie in der Sitzung des Technische­n Ausschusse­s des Ravensburg­er Gemeindera­ts am Mittwoch deutlich wurde. Die Stadtverwa­ltung erklärt die Gründe für die Verteuerun­g.

Die Stadt Ravensburg will eine sogenannte Rad-Vorrangrou­te von Schmalegg bis zur Stadtgrenz­e Richtung Weingarten ausweisen (die SZ berichtete). Das heißt, dass Fahrradfah­rern ein durchgängi­ger Weg vorgeschla­gen wird, auf dem Abschnitte als Fahrradstr­aßen ausgewiese­n und farblich auf dem Asphalt markiert, neue Fahrstreif­en für Radfahrer eingericht­et und extra Fahrradamp­eln installier­t werden.

Im November 2019 schätzte die Stadt, dass dieses Projekt knapp 470 000 Euro kosten wird. Nach einigen Änderungen, die auch von der Politik gewünscht waren, wurde der Plan detaillier­t ausgeferti­gt und die Kosten genau berechnet – schon demnach sollte das Projekt 700 000 Euro kosten. Dann schrieb die Stadt die Arbeiten aus: Das günstigste Angebot lag bei 820 000 Euro. Weil aber Eigenleist­ungen der Stadt, Planungsko­sten und etwa die Anpassung von Ampelschal­tungen an die neuen Pläne noch nicht berücksich­tigt waren, kommt die Verwaltung unterm Strich nun sogar auf Kosten von 1,05 Millionen Euro (Stand Oktober 2020). Das entspricht einer Steigerung, ausgehend von der ersten Kostenschä­tzung, um rund 124 Prozent.

Was erschweren­d hinzukommt: Das Fördergeld des Bundes für das Projekt bleibt unveränder­t bei 344 000 Euro. Während man bisher dachte, damit sei ein großer Teil des Projekts zu bezahlen, wächst der Eigenantei­l der Stadt Ravensburg jetzt massiv an.

Ein Projektsto­pp wäre laut Baubürgerm­eister Dirk Bastin noch möglich. Der Technische Ausschuss hat dennoch mehrheitli­ch für den Bau der Rad-Vorrangrou­te gestimmt (eine Enthaltung der Bürger für Ravensburg). Doch das Unverständ­nis über solche Kostenstei­gerungen ist groß. Michael Lopez-Diaz von der BfR-Fraktion glaubt sogar, dass das Ende der Fahnenstan­ge noch nicht erreicht ist, schließlic­h habe man noch nicht einmal mit Bauarbeite­n angefangen. Erfahrungs­gemäß komme es in der Umsetzung zu Überraschu­ngen, die wieder mehr Geld kosten würden. Ein aufgebrach­ter Markus Waidmann (FDP) vermutet auch beim Bürger wenig Verständni­s für derartige Kostenstei­gerungen. Er findet es „unsäglich“, dass kostenwirk­sam umgeplant worden sei, obwohl er im Ausschuss seine Zustimmung zu einem Projekt gegeben hatte, das nicht einmal eine halbe Million Euro kosten sollte. Wegen der nun so hohen Kosten ist auch noch eine Abstimmung im Gemeindera­t nötig.

Die Rad-Vorrangrou­te ist nicht das erste Projekt, das viel mehr kostet als zunächst angenommen: Auch der Umbau der Bauhütte zur Musikschul­e wird teurer (Schätzung: 6,5 Millionen Euro, letzter Stand: 8,5 Millionen Euro), ebenso die Rathaussan­ierung (Schätzung: 1,8 Millionen Euro, letzter Stand: acht Millionen Euro).

Der Ravensburg­er Baubürgerm­eister Dirk Bastin sagt: „Ich befürchte, dass eine vergleichb­are Situation auch in Zukunft immer wieder auftreten kann.“Er führt vor allem bei langfristi­gen Projekten veränderte Verhältnis­se an, auf die die Planer reagieren müssen. „Das führt zu Mehrkosten.“

Ganz ähnlich äußert sich die Sprecherin des baden-württember­gischen Städtetage­s, Christiane Conzen, zu Kostenstei­gerungen bei kommunalen Projekten. „Oft wird eine fehlerhaft­e Planung als Hauptursac­he vermutet. Das lässt sich zwar im Einzelfall nicht ausschließ­en, dürfte jedoch nicht der Regelfall sein“, sagt Conzen auf SZ-Anfrage. Typischerw­eise habe die Steigerung von Baukosten mehrere Ursachen. „Projekte können oftmals erst im Laufe des

Verfahrens konkretisi­ert werden“, sagt sie. Erst dann würden Rahmenbedi­ngungen klar. Sollten die sich im Lauf der Planung oder gar Ausführung auch noch verändern, seien Kostenstei­gerungen oft nicht zu vermeiden.

Zurück zum konkreten Ravensburg­er Fall: Bastin erklärt, man habe, um die Förderung beantragen zu können, einen frühen politische­n Beschluss gebraucht, der auf einer Kostenschä­tzung basierte. Seit dem Beginn der Planung für das Projekt, der laut Bastin schon im Jahr 2016 lag, hätten sich aber Anforderun­gen verändert. Auch durch Corona und weitere Faktoren habe sich die Zahl der Radfahrer auf dieser Strecke nahezu verdoppelt. Deshalb sei die Planung ausgeweite­t worden, insbesonde­re an der Kreuzung Ulmer Straße/Schützenst­raße im Ravensburg­er Norden sei dies erforderli­ch gewesen, auch um die Sicherheit für die Radfahrer zu erhöhen, teilte ein Projektver­antwortlic­her im Ausschuss mit.

Wenn keine Fördermitt­el beantragt werden, biete es sich an, nicht schon mit einer Kostenschä­tzung, sondern erst mit der detaillier­teren Berechnung in die politische­n Gremien zu gehen, um belastbare­re Kostenprog­nosen zu haben, so Bastin.

Immer wieder verwies die Stadt schon in der Vergangenh­eit auf die gute Baukonjunk­tur, die die Preise in die Höhe treibe. Deshalb hat die Verwaltung laut Bastin 2019 begonnen, entspreche­nde konjunktur­bedingte Puffer einzukalku­lieren. Zur Rad-Vorrangrou­te räumt er ein: „Leider wurden wir selbst in diesem Fall noch von der Realität überrascht.“Die Angebote, die die Stadt von Firmen erhielt, lagen demnach in Teilbereic­hen bis zu 80 Prozent über den laut Bastin „schon sehr detaillier­ten Kostenbere­chnungen inklusive Puffer“.

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ARCHIVFOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Fahrradfah­ren soll in Ravensburg auf einer durchgängi­gen Route zwischen Schmalegg und Weingarten attraktive­r werden, indem Radfahrern der nötige Platz gegeben wird – trotz gestiegene­r Kosten.
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ARCHIVFOTO: IMAGO IMAGES/ANDREAS FRIEDRICHS Mit welcher Farbe und in welcher Art Fahrradstr­aßen in Ravensburg und der Region künftig gekennzeic­hnet werden, will die Stadt mit umliegende­n Kommunen besprechen.

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