Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Sozialwohnungsbau kommt Räten zu langsam voran
Bis 2025 sollen rund 80 kostengünstige Wohnungen in Ravensburg entstehen – Experte hält Plan für ambitioniert
RAVENSBURG - Der Bau von Sozialwohnungen in Ravensburg kommt vielen Gemeinderäten zu langsam voran. Jetzt müssen Neubauprojekte wegen der angespannten Haushaltslage der Stadt auch noch aufgeschoben werden. Die Kommunalpolitiker so gut wie aller Fraktionen drängen auf eine rasche Umsetzung. Doch ein Experte hält schon den jetzigen Zeitplan des neugegründeten Eigenbetriebs „Städtische Wohnungen Ravensburg“für ziemlich ambitioniert.
Die Stadt Ravensburg besitzt 400 städtische Wohnungen und will mit diesem Eigenbetrieb 100 weitere in den nächsten zehn Jahren bauen. Dieses Ziel hatte der Leiter Dieter Katein formuliert. In ersten Schritten will die Stadt bis 2025 insgesamt 80 zusätzliche Sozialwohnungen gebaut haben. Sie steigt in den Bau ein, der aufgrund geringer Renditeaussichten für Unternehmen nicht interessant ist.
„Das ist ein ambitionierter Zeitplan, da müssen schon alle Stellschrauben passen“, sagt der Vorstand des Bau- und Sparvereins Ravensburg, Lothar Reger, auf SZ-Anfrage. Der Bau- und Sparverein, der nichts anderes macht, als Wohnungen zu bauen, habe in den vergangenen vier Jahren 120 Wohnungen gebaut. „Und das war schon ein Kraftakt“, sagt Reger. Aber er findet es richtig, dass die Stadt den Eigenbetrieb gegründet hat und versteht, dass sie die Ziele hoch steckt. „Man muss ja euphorisch sein“, so Reger.
Zum konkreten Zeitplan der Stadt: Acht Wohnungen entstehen in der Ortsmitte Bavendorf, die Anfang 2023 bezugsfertig sein sollen. Anfang 2024 sollen zwei Wohnungen durch Umgestaltung von Gemeinschaftsräumen in einem städtischen Wohngebäude an der Fischerwiese hinzukommen – nach Kritik im Betriebsausschuss, dass zwei Wohnungen nicht schneller fertig werden, will die Stadt prüfen, ob eine Beschleunigung möglich ist. 20 Wohnungen sollen durch die Aufstockungen von Gebäuden in der sogenannten Gründlandsiedlung/ Schussenquartier voraussichtlich bis Mitte 2024 entstehen. Der größte Schwung von 50 Wohnungen wird im Saumweg in Torkenweiler neu gebaut, Anfang 2025 sollen dort Bewohner einziehen können.
Sozialen Wohnungsbau in den künftigen Baugebieten in den Ortschaften (sogenannte 13b-Gebiete, benannt nach einem Paragrafen im Baugesetzbuch) wird auf 2025 verschoben. Zur Begründung nennt die Stadt ihre angespannte Finanzlage.
Die Mitglieder des Betriebsausschusses,
der kommunalpolitisch die Vorgänge im Eigenbetrieb begleitet, stört die Verzögerung. Ihnen geht es nicht schnell genug voran. Andere warnen außerdem vor langfristigen finanziellen Risiken.
Dass die meisten Wohnungen erst 2025 fertig sein sollen, kritisiert die Fraktionschefin der Grünen, Maria Weithmann. „Das ist ein langer Zeitraum für Leute, die auf eine Wohnung warten“, sagt sie. Die Warteliste der Stadt für Sozialwohnungen war vor eineinhalb Jahren schon rund 140 Namen lang. Deshalb regt sie an, nach Leerständen in der Stadt zu suchen und auf deren Vermietung zu drängen. Auch den Wohnraumtausch brachte sie erneut ins Gespräch: Wer allein in einem großen Haus wohnt, habe vielleicht sogar ein Eigeninteresse, die damit verbundene Arbeit abzugeben, in eine kleinere Wohnung zu ziehen und das Haus zum Beispiel für eine Familie frei zu machen.
„Wir müssen schneller werden“, findet auch Markus Brunner von der CDU. Das Problem mit der Wohnungsnot nehme aus seiner Sicht weiter zu. Das langjährige Ratsmitglied August Schuler (CDU) verteidigte jedoch die bisherige Gangart: Man sei über Jahre von einer sinkenden Bevölkerung ausgegangen, bevor sich vor rund fünf Jahren der
Trend umgekehrt habe. Er fordert auch, dass privates Kapital zum Bau von Wohnungen in Gang gesetzt wird: Baugenehmigungen sollten für private Bauherren zügig erfolgen, so seine Forderung.
Geplant sind nach Angaben des Eigenbetriebsleiters Dieter Katein Investitionen von bis zu 22 Millionen Euro in den Bau von Wohnungen bis 2025 – wobei nicht die Stadt allein das Geld beschaffen muss, sondern auch Fördermittel von Bund und
Land fließen. Um die gewünschte Wirtschaftlichkeit zu erreichen werde der Eigenbetrieb stets anstreben, die Maximalförderung des Landes auszuschöpfen. „Darüber hinaus entstehen Wohnung für den freien Wohnungsmarkt, die einen funktionierenden Belegungsmix unterstützen“, so Katein.
Die langfristige Planung der Stadt bereitet Michael Lopez-Diaz von den Bürgern für Ravensburg „Bauchschmerzen“, weil sie eben finanziell stark auf den Zuschüssen von Land und Bund basiere. Da sich der Staat für die Abfederung der Corona-Krise stark verschulde, befürchte er, dass irgendwann bei der Förderung von Sozialem Wohnungsbau wieder gespart wird und die Mittel in einigen Jahren dann nicht mehr in dem Maß fließen wie es jetzt von der Stadtverwaltung angenommen wird. Auch aufgrund der begrenzten Arbeitskraft im Baudezernat habe er außerdem Bedenken, ob der Bau von 80 Wohnungen bis Anfang 2025 zu schaffen ist.
Markus Waidmann (FDP) riet, aus dem sozialen Wohnungsbau schnell wieder auszusteigen, falls er für die Privatwirtschaft wieder interessant werden sollte. „Wir sind kein Bauunternehmen, das ewig den Markt von unten her ausgleichen wird. Das bindet auch unsere Kapazitäten im Bauamt.“
Derzeit besitzt und vermietet die Stadt rund 400 Wohnungen im Eigenbetrieb. In dessen Eröffnungsbilanz werden 14 Millionen Euro als Wert dieser Gebäude ausgewiesen. Für 2021 plant die Verwaltung eine Mieterhöhung. Allerdings nur in dem Maß, in dem auch das Amt die Kosten für die Unterkunft übernimmt.