Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Tonnenschwerer Eberhardzeller Narrenstein wird versetzt
Findling tritt seine letzte Reise an, um in einen Brunnen verwandelt zu werden
EBERHARDZELL - Drei Jahre nach Fertigstellung soll der Eberhardzeller Narrenstein seinen Weg auf den neuen Postplatz finden und dort in einen Brunnen verwandelt werden. Der Termin für den Transport wurde in den vergangenen zwei Jahren zig mal verschoben. Nun steht fest: Am kommenden Montag, 12. Oktober, tritt der Stein seine Reise an.
Gestaltet und in ein Kunstwerk verwandelt hat den tonnenschweren 140 000 Jahre alten Findling Horst Reichle. Der Künstler lebt selbst in der Gesamtgemeinde Eberhardzell, auf dem Venishof. Reichle hat es sich zur Aufgabe gemacht, für die Eberhardzeller Narren einen Stein zu gestalten, der die bewegte Geschichte der unterschiedlichen Charaktere und Masken der Zunft widerspiegelt. Der 2,30 Meter hohe und 2,25 Meter breite Stein wurde 1996 auf dem Gelände des Betonwerks Oberessendorf beim Kiesabbau freigelegt, seitdem steht er bei Reichle im Garten.
Die Idee, einen Narrenbrunnen zu kreieren und diesen in Eberhardzell aufzustellen, hatte bereits der alte „Polde“, der Vater des jetzigen Zunftmeister der Zeller Schwarze Katz’. „Er kam vor vielen Jahren zu mir, doch ich habe damals abgewinkt“, erinnerte Reichle sich bei einem Gespräch 2017. Die Idee jedoch blieb. Als dann 2016 sein Sohn, ebenfalls „Polde“genannt, zu ihm auf seinen Hof bei Oberessendorf kam, stimmte Reichle dem Projekt zu.
Die Narren und der Künstler verständigten sich, dass all jene Figuren den Brunnen zieren sollen, die für die Zunft wichtig sind: die Neideck Hexe, der Hansl, die Zeller Katz, der Ampfelbronner Holzwurm und der Lällenkönig. Was für ein Material sich dafür am besten eigne, darüber herrschte anfangs Uneinigkeit. Die Idee, den Narrenbrunnen aus Bronze zu fertigen, wurde aufgrund der Kosten schnell verworfen. Der Findling, der so viele Jahre auf Reichles Hof auf der Wiese stand, geriet ins Visier. Die große Herausforderung dabei: Im Gegensatz zum Marmor ist der Findling
kein weicher und glatter Stein. Der geschätzte sechs Tonnen schwere Findling, der aus einer Endmoräne der Rißeiszeit stammt, wurde in seinem Entstehen und auf seinem Weg nach Oberessendorf stark von der Natur geformt. Er ist ein Stein voller Dellen und Ausbuchtungen und daher nicht leicht zu bearbeiten. Reichle ging die Herausforderungen jedoch mit Freude an und ist nun stolz auf sein Werk.
Seit 2017 ist der Stein fertig behauen und bereit für den Abtransport. Doch um den Stein aufzustellen, musste zuerst die ehemalige Gaststätte Post fertig saniert werden, denn auf diesem zentralen Platz mitten im Ort soll der Narrenstein seine neue Heimat finden. Und die Sanierung dauerte an. Mittlerweile (SZ berichtete) ist der Innenausbau des Hauses aber abgeschlossen. Und auf dem Vorplatz sind die vorbereiteten Arbeiten für den Brunnen ebenfalls erledigt. Die große Herausforderung lag nun nur noch darin, ein Datum zu finden, an dem alle am Transport beteiligten Firmen Zeit haben. Den Transport organisiert die Narrenzunft selbst und dabei handelt es sich, wie so oft, um ehrenamtliche Arbeit. Darum wurde der Termin ein ums andere mal verschoben – für den Künstler Horst Reichle ein Grund zum Haare raufen, denn er will diesen Transport unbedingt begleiten. Das Projekt ist ihm eine Herzensangelegenheit. Schließlich stammt er nicht nur von hier, auch kennt er die Alte Post ziemlich gut. „Wenn ich sie nicht schon zuvor gehabt hätte, hätte ich jetzt graue Haare“, sagte er mit einem Augenzwinkern. Ob er es sich verkneifen kann, in der nächsten
Ausgabe der Eberhardzeller Narrenzeitung einen Bericht über das ewige Hin und Her zu schreiben, da wollte er sich noch nicht festlegen. Dass nun endlich aber ein Termin für den Transport gefunden wurde, darüber freut er sich wirklich sehr. Dran glauben will er aber erst, wenn der Stein in der Luft schwebt.
Beteiligt an dem ganzen Prozedere ist auch Gartenbauer Patrick Wolther aus Laupheim. Sein Job ist es, nachher den Stein in einen Brunnen zu verwandeln. Der Stein, erklärt er, befindet sich mittlerweile in einem extra hier für geschweißten Transportkäfig, um ja eine Beschädigung zu vermeiden. Ein riesiger Kettenbagger wird diesen Käfig am Montagmorgen anheben und aus dem Garten hinausfahren. Zuerst war die Überlegung, einen Autokran hierfür zu benutzen, aber das scheiterte an den örtlichen Begebenheiten. Der Käfig wird dann von der Firma Lämmle auf einen Tieflader geladen und so nach Eberhardzell gebracht.
Wie viele Stunden allein diese Aktion benötigen wird, steht noch in den Sternen. Dann, dort angekommen, muss der Stein passgenau in den bereits vorgefertigte Fassung herabgelassen werden. Das ist dann der Moment, in dem der Gartenbauer ins Spiel kommt. „Der Stein kommt in eine eine ausgepflasterte Senke. Wasser und Licht werden den Stein umspielen, wenn der Brunnen fertig ist – ein Gesamtkunstwerk auf einem der wichtigsten Plätze in Eberhardzell“, sagt Wolther. Ziel ist es, den Brunnen bis Ende Oktober fertigzustellen. Mit kurzzeitigen Verkehrseinschränkungen ist am Montag in der Ortsmitte von Eberhardzell zu rechnen.