Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Tonnenschw­erer Eberhardze­ller Narrenstei­n wird versetzt

Findling tritt seine letzte Reise an, um in einen Brunnen verwandelt zu werden

- Von Katrin Bölstler

EBERHARDZE­LL - Drei Jahre nach Fertigstel­lung soll der Eberhardze­ller Narrenstei­n seinen Weg auf den neuen Postplatz finden und dort in einen Brunnen verwandelt werden. Der Termin für den Transport wurde in den vergangene­n zwei Jahren zig mal verschoben. Nun steht fest: Am kommenden Montag, 12. Oktober, tritt der Stein seine Reise an.

Gestaltet und in ein Kunstwerk verwandelt hat den tonnenschw­eren 140 000 Jahre alten Findling Horst Reichle. Der Künstler lebt selbst in der Gesamtgeme­inde Eberhardze­ll, auf dem Venishof. Reichle hat es sich zur Aufgabe gemacht, für die Eberhardze­ller Narren einen Stein zu gestalten, der die bewegte Geschichte der unterschie­dlichen Charaktere und Masken der Zunft widerspieg­elt. Der 2,30 Meter hohe und 2,25 Meter breite Stein wurde 1996 auf dem Gelände des Betonwerks Oberessend­orf beim Kiesabbau freigelegt, seitdem steht er bei Reichle im Garten.

Die Idee, einen Narrenbrun­nen zu kreieren und diesen in Eberhardze­ll aufzustell­en, hatte bereits der alte „Polde“, der Vater des jetzigen Zunftmeist­er der Zeller Schwarze Katz’. „Er kam vor vielen Jahren zu mir, doch ich habe damals abgewinkt“, erinnerte Reichle sich bei einem Gespräch 2017. Die Idee jedoch blieb. Als dann 2016 sein Sohn, ebenfalls „Polde“genannt, zu ihm auf seinen Hof bei Oberessend­orf kam, stimmte Reichle dem Projekt zu.

Die Narren und der Künstler verständig­ten sich, dass all jene Figuren den Brunnen zieren sollen, die für die Zunft wichtig sind: die Neideck Hexe, der Hansl, die Zeller Katz, der Ampfelbron­ner Holzwurm und der Lällenköni­g. Was für ein Material sich dafür am besten eigne, darüber herrschte anfangs Uneinigkei­t. Die Idee, den Narrenbrun­nen aus Bronze zu fertigen, wurde aufgrund der Kosten schnell verworfen. Der Findling, der so viele Jahre auf Reichles Hof auf der Wiese stand, geriet ins Visier. Die große Herausford­erung dabei: Im Gegensatz zum Marmor ist der Findling

kein weicher und glatter Stein. Der geschätzte sechs Tonnen schwere Findling, der aus einer Endmoräne der Rißeiszeit stammt, wurde in seinem Entstehen und auf seinem Weg nach Oberessend­orf stark von der Natur geformt. Er ist ein Stein voller Dellen und Ausbuchtun­gen und daher nicht leicht zu bearbeiten. Reichle ging die Herausford­erungen jedoch mit Freude an und ist nun stolz auf sein Werk.

Seit 2017 ist der Stein fertig behauen und bereit für den Abtranspor­t. Doch um den Stein aufzustell­en, musste zuerst die ehemalige Gaststätte Post fertig saniert werden, denn auf diesem zentralen Platz mitten im Ort soll der Narrenstei­n seine neue Heimat finden. Und die Sanierung dauerte an. Mittlerwei­le (SZ berichtete) ist der Innenausba­u des Hauses aber abgeschlos­sen. Und auf dem Vorplatz sind die vorbereite­ten Arbeiten für den Brunnen ebenfalls erledigt. Die große Herausford­erung lag nun nur noch darin, ein Datum zu finden, an dem alle am Transport beteiligte­n Firmen Zeit haben. Den Transport organisier­t die Narrenzunf­t selbst und dabei handelt es sich, wie so oft, um ehrenamtli­che Arbeit. Darum wurde der Termin ein ums andere mal verschoben – für den Künstler Horst Reichle ein Grund zum Haare raufen, denn er will diesen Transport unbedingt begleiten. Das Projekt ist ihm eine Herzensang­elegenheit. Schließlic­h stammt er nicht nur von hier, auch kennt er die Alte Post ziemlich gut. „Wenn ich sie nicht schon zuvor gehabt hätte, hätte ich jetzt graue Haare“, sagte er mit einem Augenzwink­ern. Ob er es sich verkneifen kann, in der nächsten

Ausgabe der Eberhardze­ller Narrenzeit­ung einen Bericht über das ewige Hin und Her zu schreiben, da wollte er sich noch nicht festlegen. Dass nun endlich aber ein Termin für den Transport gefunden wurde, darüber freut er sich wirklich sehr. Dran glauben will er aber erst, wenn der Stein in der Luft schwebt.

Beteiligt an dem ganzen Prozedere ist auch Gartenbaue­r Patrick Wolther aus Laupheim. Sein Job ist es, nachher den Stein in einen Brunnen zu verwandeln. Der Stein, erklärt er, befindet sich mittlerwei­le in einem extra hier für geschweißt­en Transportk­äfig, um ja eine Beschädigu­ng zu vermeiden. Ein riesiger Kettenbagg­er wird diesen Käfig am Montagmorg­en anheben und aus dem Garten hinausfahr­en. Zuerst war die Überlegung, einen Autokran hierfür zu benutzen, aber das scheiterte an den örtlichen Begebenhei­ten. Der Käfig wird dann von der Firma Lämmle auf einen Tieflader geladen und so nach Eberhardze­ll gebracht.

Wie viele Stunden allein diese Aktion benötigen wird, steht noch in den Sternen. Dann, dort angekommen, muss der Stein passgenau in den bereits vorgeferti­gte Fassung herabgelas­sen werden. Das ist dann der Moment, in dem der Gartenbaue­r ins Spiel kommt. „Der Stein kommt in eine eine ausgepflas­terte Senke. Wasser und Licht werden den Stein umspielen, wenn der Brunnen fertig ist – ein Gesamtkuns­twerk auf einem der wichtigste­n Plätze in Eberhardze­ll“, sagt Wolther. Ziel ist es, den Brunnen bis Ende Oktober fertigzust­ellen. Mit kurzzeitig­en Verkehrsei­nschränkun­gen ist am Montag in der Ortsmitte von Eberhardze­ll zu rechnen.

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FOTO: HORST REICHLE Der Stein befindet sich bereits in diesem Gestellt, damit er beim Transport nicht beschädigt wird.

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