Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Warum ein Bauer für sein Land kämpft
Vorwurf ans Regierungspräsidium: Die Landwirte an der B 32 werden um Geld betrogen
WOLPERTSWENDE/ALTSHAUSEN „Enteignet :(“hat Günter Schwegler auf zehn Siloballen gemalt und auf der rechten Straßenseite zwischen Altshausen und Vorsee aufgestellt. Der Landwirt aus Blitzenreute will damit auf seine Lage aufmerksam machen. Denn ihm wurde Land genommen, damit die Bundesstraße 32 ausgebaut werden konnte.
Die neu ausgebaute B 32 wird schon lang wieder befahren. Der neu überbaute Grund und Boden der Bundesstraße auf den Gemarkungen Altshausen und Wolperstwende ist zum großen Teil noch Eigentum der über 30 betroffenen Landwirte. Insgesamt geht es dabei um zwölf Hektar Land.
Das für den Bau der B 32 zuständige Regierungspräsidium Tübingen hat per Besitzeinweisung das Recht erworben, die Grundstücke zu bebauen beziehungsweise als Ausgleichsfläche umzunutzen. Und das stinkt Günter Schwegler. Im Baugesetzbuch heißt es zum Thema Besitzanweisung in Paragraf 116: „Ist die sofortige Ausführung der beabsichtigten Maßnahme aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit dringend geboten, so kann die Enteignungsbehörde den Antragsteller auf Antrag durch Beschluss in den Besitz des von dem Enteignungsverfahren
betroffenen Grundstücks einweisen.“
Voraus ging seit dem Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der Bundesstraße im Jahr 2013 ein Streit über die Preise (die SZ berichtete), die den Landwirten pro Quadratmeter Acker- oder Grünfläche gezahlt werden sollten. Das Regierungspräsidium Tübingen bot Preise für die Grundstücke an, die den Landwirten aber nicht genügten.
Das Problem: Dafür könne kein gleichwertiges Grundstück gekauft werden, so die Landwirte. Ebenso wenig wurden Tauschflächen geboten, die für die Eigentümer infrage kamen, vor allem aufgrund ihrer Entfernung und Wirtschaftlichkeit. Die Landwirte taten sich zu einer Interessengemeinschaft zusammen und reichten zwei Petitionen ein.
Die eingereichte Petition gegen die Grundstücksbewertung führte 2018 zu einem weiteren Verkehrswertgutachten. Die Preise wurden erhöht – auf 2,80 Euro pro Quadratmeter für Grünland und 3,60 Euro pro Quadratmeter für Ackerflächen – „doch auch dafür bekomme ich hier in der Gegend kein Ackerland, das ich ähnlich bewirtschaften kann“, begründet Schwegler die Ablehnung des Angebots. Er hätte sich einen Preis von um die fünf Euro vorgestellt. Dem Gesetz sei Genüge getan worden, so Dirk Abel, Pressesprecher
des Regierungspräsidiums in Tübingen auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Das sei zwar schade für die Grundstückseigner, aber nicht zu ändern, ergänzt Abel.
Günter Schwegler, Eigner von mehr als drei Hektar betroffener Flächen bestätigt: „Gesetzlich ist die Behörde sicher, aber das Gesetz ist nicht fair uns gegenüber. Dann müssen wir daran etwas ändern.“Ein akzeptabler Preis hätte eine Kostensteigerung von kaum ein Prozent der Gesamtkosten des Straßenumbaus ausgemacht, sagt Schwegler. Er fühlt sich nach wie vor von der Behörde nicht gut behandelt.
Für alternative Lösungen gibt es aus Sicht des Regierungspräsidiums keine Möglichkeit. „Das Gesetz stellt allein auf den Bodenverkehrswert und eine Entschädigung in Geld ab“, so Dirk Abel. „Konkrete Tauschangebote wurden in der Vergangenheit unterbreitet, aber von den Betroffenen nicht angenommen. Eine Erhöhung des Kaufpreisangebotes ist nicht möglich, weil diese an den Verkehrswert gebunden sind“, erläutert Abel weiter.
Die Besitzeinweisungen sind erfolgt. Dazu wurden die Landwirte persönlich vor ein Gremium bestellt und entsprechend informiert. Viel Arbeit und viel Zeit und trotzdem: „Von der Behörde war von Anfang an kaum Bereitschaft zum Dialog. Wir sind ja voll dafür, dass die Straße so gut ausgebaut wurde, aber es ist frustrierend, dass wir als Grundstückseigner solche Nachteile daraus haben“, erklärt Schwegler den Standpunkt der Interessengemeinschaft der Grundstückseigner.
Der nächste Schritt ist die Enteignung. Das heißt: Nachdem das Land die Fläche in Besitz genommen hat, will es jetzt auch Eigentümer werden. Dafür verantwortlich ist die Enteignungsbehörde, die auch über die Höhe der Entschädigung entscheidet. Die ist auch beim Regierungspräsidium ansässig. Laut Abel spielt es keine Rolle, dass der Wert der Grundstücke nach 2018 gestiegen ist, weil die Landwirte das Angebot auch früher hätten annehmen können.
Interessant: Im Planfeststellungsverfahren vom Dezember 2013 steht: „… die Belange der betroffenen Eigentümer können bei der Abwägung im konkreten Fall zugunsten anderer Belange zurückgestellt werden.“Heißt: Allgemeinwohl geht vor. In dem Verfahren heißt es auch: „Die Höhe der Entschädigung kann grundsätzlich frei vereinbart werden.“Günter Schwegler: „Das bedeutet, das Regierungspräsidium hätte uns auch entgegenkommen können. Wir hätten uns einen fairen Preis für unsere Grundstücke gewünscht.“Aufgeben kommt für ihn nicht infrage.