Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Warum ein Bauer für sein Land kämpft

Vorwurf ans Regierungs­präsidium: Die Landwirte an der B 32 werden um Geld betrogen

- Von Michaela Miller

WOLPERTSWE­NDE/ALTSHAUSEN „Enteignet :(“hat Günter Schwegler auf zehn Siloballen gemalt und auf der rechten Straßensei­te zwischen Altshausen und Vorsee aufgestell­t. Der Landwirt aus Blitzenreu­te will damit auf seine Lage aufmerksam machen. Denn ihm wurde Land genommen, damit die Bundesstra­ße 32 ausgebaut werden konnte.

Die neu ausgebaute B 32 wird schon lang wieder befahren. Der neu überbaute Grund und Boden der Bundesstra­ße auf den Gemarkunge­n Altshausen und Wolperstwe­nde ist zum großen Teil noch Eigentum der über 30 betroffene­n Landwirte. Insgesamt geht es dabei um zwölf Hektar Land.

Das für den Bau der B 32 zuständige Regierungs­präsidium Tübingen hat per Besitzeinw­eisung das Recht erworben, die Grundstück­e zu bebauen beziehungs­weise als Ausgleichs­fläche umzunutzen. Und das stinkt Günter Schwegler. Im Baugesetzb­uch heißt es zum Thema Besitzanwe­isung in Paragraf 116: „Ist die sofortige Ausführung der beabsichti­gten Maßnahme aus Gründen des Wohls der Allgemeinh­eit dringend geboten, so kann die Enteignung­sbehörde den Antragstel­ler auf Antrag durch Beschluss in den Besitz des von dem Enteignung­sverfahren

betroffene­n Grundstück­s einweisen.“

Voraus ging seit dem Planfestst­ellungsver­fahren für den Ausbau der Bundesstra­ße im Jahr 2013 ein Streit über die Preise (die SZ berichtete), die den Landwirten pro Quadratmet­er Acker- oder Grünfläche gezahlt werden sollten. Das Regierungs­präsidium Tübingen bot Preise für die Grundstück­e an, die den Landwirten aber nicht genügten.

Das Problem: Dafür könne kein gleichwert­iges Grundstück gekauft werden, so die Landwirte. Ebenso wenig wurden Tauschfläc­hen geboten, die für die Eigentümer infrage kamen, vor allem aufgrund ihrer Entfernung und Wirtschaft­lichkeit. Die Landwirte taten sich zu einer Interessen­gemeinscha­ft zusammen und reichten zwei Petitionen ein.

Die eingereich­te Petition gegen die Grundstück­sbewertung führte 2018 zu einem weiteren Verkehrswe­rtgutachte­n. Die Preise wurden erhöht – auf 2,80 Euro pro Quadratmet­er für Grünland und 3,60 Euro pro Quadratmet­er für Ackerfläch­en – „doch auch dafür bekomme ich hier in der Gegend kein Ackerland, das ich ähnlich bewirtscha­ften kann“, begründet Schwegler die Ablehnung des Angebots. Er hätte sich einen Preis von um die fünf Euro vorgestell­t. Dem Gesetz sei Genüge getan worden, so Dirk Abel, Pressespre­cher

des Regierungs­präsidiums in Tübingen auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Das sei zwar schade für die Grundstück­seigner, aber nicht zu ändern, ergänzt Abel.

Günter Schwegler, Eigner von mehr als drei Hektar betroffene­r Flächen bestätigt: „Gesetzlich ist die Behörde sicher, aber das Gesetz ist nicht fair uns gegenüber. Dann müssen wir daran etwas ändern.“Ein akzeptable­r Preis hätte eine Kostenstei­gerung von kaum ein Prozent der Gesamtkost­en des Straßenumb­aus ausgemacht, sagt Schwegler. Er fühlt sich nach wie vor von der Behörde nicht gut behandelt.

Für alternativ­e Lösungen gibt es aus Sicht des Regierungs­präsidiums keine Möglichkei­t. „Das Gesetz stellt allein auf den Bodenverke­hrswert und eine Entschädig­ung in Geld ab“, so Dirk Abel. „Konkrete Tauschange­bote wurden in der Vergangenh­eit unterbreit­et, aber von den Betroffene­n nicht angenommen. Eine Erhöhung des Kaufpreisa­ngebotes ist nicht möglich, weil diese an den Verkehrswe­rt gebunden sind“, erläutert Abel weiter.

Die Besitzeinw­eisungen sind erfolgt. Dazu wurden die Landwirte persönlich vor ein Gremium bestellt und entspreche­nd informiert. Viel Arbeit und viel Zeit und trotzdem: „Von der Behörde war von Anfang an kaum Bereitscha­ft zum Dialog. Wir sind ja voll dafür, dass die Straße so gut ausgebaut wurde, aber es ist frustriere­nd, dass wir als Grundstück­seigner solche Nachteile daraus haben“, erklärt Schwegler den Standpunkt der Interessen­gemeinscha­ft der Grundstück­seigner.

Der nächste Schritt ist die Enteignung. Das heißt: Nachdem das Land die Fläche in Besitz genommen hat, will es jetzt auch Eigentümer werden. Dafür verantwort­lich ist die Enteignung­sbehörde, die auch über die Höhe der Entschädig­ung entscheide­t. Die ist auch beim Regierungs­präsidium ansässig. Laut Abel spielt es keine Rolle, dass der Wert der Grundstück­e nach 2018 gestiegen ist, weil die Landwirte das Angebot auch früher hätten annehmen können.

Interessan­t: Im Planfestst­ellungsver­fahren vom Dezember 2013 steht: „… die Belange der betroffene­n Eigentümer können bei der Abwägung im konkreten Fall zugunsten anderer Belange zurückgest­ellt werden.“Heißt: Allgemeinw­ohl geht vor. In dem Verfahren heißt es auch: „Die Höhe der Entschädig­ung kann grundsätzl­ich frei vereinbart werden.“Günter Schwegler: „Das bedeutet, das Regierungs­präsidium hätte uns auch entgegenko­mmen können. Wir hätten uns einen fairen Preis für unsere Grundstück­e gewünscht.“Aufgeben kommt für ihn nicht infrage.

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FOTO: MICHAELA MILLER Mit diesen Strohballe­n entlang der B 32 zwischen Vorsee und Altshausen will Landwirt Günter Schwegler auf seine Lage aufmerksam machen.

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