Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wenn die Ernte zur Gefahr wird

Immer wieder zerstören Metallteil­e im Feld Erntemasch­inen – Landwirte rätseln über Motive

- Von Anne Jethon

RAVENSBURG - Wenn Adrian Dillmann und seine Kollegen mit der Erntemasch­ine aufs Maisfeld fahren, schwingt immer ein bisschen Angst mit. Jedes Mal besteht die Gefahr, dass jemand Metallteil­e an eine der Pflanzen gehängt hat. Jedes Mal müssen sie befürchten, dass solche Fremdkörpe­r in die Maschinen geraten und große Probleme anrichten. Im schlimmste­n Fall kommen sogar Menschen dabei zu Schaden. Adrian Dillmann, der Geschäftsf­ührer beim Maschinenr­ing in Lindau ist, macht sich Sorgen: „Versicheru­ngstechnis­ch kann ich den Schaden absichern. Aber was ist, wenn Menschen von den Teilen getroffen werden?“

Erst vor wenigen Wochen mussten Kollegen von Adrian Dillmann eine Reihe solcher Sabotagefä­lle über sich ergehen lassen. In einem Maisfeld bei Eisenharz zerfetzte eine Metallstan­ge die Messer einer Erntemasch­ine. In Eglofs lösten Unbekannte Muttern an einem Güllefass. Wenige Kilometer weiter hat ein Fahrer Metallteil­e entdeckt, die am Mais befestigt waren. Im letzten Moment konnte er die Maschine stoppen und Schlimmere­s verhindern. Bei Berkach hat ein Landwirt sogar Schrotpatr­onen in seinem Maisfeld entdeckt: Sie waren mit Klebeband an einer Pflanze befestigt.

Das Problem ist unter den Landwirten seit Langem bekannt. Fast jedes Jahr sabotieren Unbekannte Maisfelder in der Region. Ernst Buck, Vorstand beim Kreisbauer­nverband Ulm-Ehingen kennt betroffene Landwirte. „Da können Schäden von 20 000 bis 40 000 Euro entstehen“, sagt er. Messer können zerstört werden, ganze Teile ausfallen oder unbemerkt ins Futter gelangen. Die Tiere könnten später daran elendig sterben. Die Sabotage birgt außerdem eine große Gefahr für die Häckselfah­rer und für Passanten in unmittelba­rer Nähe. „Die riskieren das Leben von anderen“, sagt Buck über die Saboteure.

Er denkt dabei an einen Fall aus dem Norden Deutschlan­ds, bei dem ein Bauer mit der Häckselmas­chine in ein Metallteil gefahren ist und leicht am Ohr verletzt wurde. Wenige Zentimeter hätten gereicht und der Mann wäre schwer verletzt worden oder gar daran gestorben.

Die Täter findet die Polizei nur selten. Deshalb sind auch ihre Beweggründ­e nicht bekannt. „Vielleicht sind es Leute, die vom Krach durch die Erntemasch­inen gestört sind. Oder es war ein Landwirt, der einen persönlich­en Groll gegen seine Berufskoll­egen hatte“, sagt Dillmann. Wahrschein­lich ist es laut vieler Landwirte aus der Region auch, dass es Menschen sein könnten, die ein Problem mit dem konvention­ellen Maisanbau haben.

„Mais steht oft sinnbildli­ch für allgemeine ökologisch­e Probleme“, sagt eine Pressespre­cherin des Landesargr­arminister­iums. Kritiker befürchtet­en eine „Vermaisung“der Landschaft­en. Die größten Probleme im Maisanbau sind laut BUND massiv eingesetzt­e Pestizide und

Düngemitte­l. „Weil Mais erst spät im Jahr wächst, werden frühere Ackerkräut­er mit Herbiziden abgetötet“, sagt ein Sprecher des BUND. Außerdem brauche Mais durch das schnelle Wachstum hohe Mengen an Stickstoff­dünger. Das Grundwasse­r werde so mit Nitrat belastet.

Anders sieht es das Landesarga­rministeri­um. Beim Maisanbau würden kaum Insektizid­e oder Fungizide eingesetzt. Krankheite­n spielten hierzuland­e noch keine große Rolle. Außerdem weisen viele Bauern darauf hin, dass die Pflanze viel CO2 binde und Sauerstoff produziere.

Der Maisanbau ist laut Landesagra­rministeri­um eine Folge der Forderung nach dem Ausbau erneuerbar­er Energien.

Ernst Buck hat das Gefühl, dass die Politik und die Menschen die Landwirtsc­haft nicht mehr genug schätzen und Grenzen wie die der Erntesabot­age deswegen eher überschrit­ten werden. „Die Wertigkeit der Landwirtsc­haft ist am Boden. Das tut weh und frustriert“, sagt er. Es gebe einen ganzen Strauß an Problemen, für die nur die Landwirtsc­haft verantwort­lich gemacht werde. Seiner Meinung nach sollte sich auch die Politik eher auf die lokale Landwirtsc­haft konzentrie­ren. Von Weidefleis­ch aus Argentinie­n und Äpfeln aus Neuseeland hält er nur wenig. Ähnlich sieht es auch Marc Berger, Vorsitzend­er von „Land schafft Verbindung“in Baden-Württember­g. „Egal ob beim Insektenst­erben oder dem Nitratgeha­lt – es wird immer so dargestell­t, dass die Landwirte an allem Schuld sind“, sagt er. Wenn die Bauern keinen Dünger mehr ausfahren oder weniger Kühe auf größeren Flächen halten, bekommen sie auch weniger Geld. Das Einkommen brauchen sie aber trotzdem, um den Betrieb zu erhalten.

Auch dem Stuttgarte­r Landwirtsc­haftsminis­terium ist dieses Problem bewusst. Um Sabotagefä­lle zu verhindern, müsse vorbeugend gehandelt werden. Landwirte und Konsumente­n sollten sich austausche­n. „Das bietet die wichtigste­n Voraussetz­ungen, um Verständni­s und Wertschätz­ung für die Arbeit und die Leistungen der Landwirte zu entwickeln“, so eine Sprecherin. Das könne im Rahmen von Veranstalt­ungen, Feldtagen und Führungen oder in spontanen Gesprächen stattfinde­n.

Dort, wo die Bauern noch eher im Kontakt mit den Verbrauche­rn sind, scheint Erntesabot­age auch ein kleineres Problem zu sein. „Im Allgäu gibt es schon noch viele Menschen, die die Landwirtsc­haft schätzen“, sagt Adrian Dillmann. Der Beruf sei nicht einfach – aber seiner Meinung nach einer der wichtigste­n. Auch im Landkreis Lindau scheint die Welt noch heil. Laut Polizei sind hier dieses Jahr keine Fälle von Erntesabot­age bekannt. Elmar Karg, Kreisobman­n des Bayrischen Bauernverb­andes sagt im Landkreis Lindau herrsche ein sehr gutes Miteinande­r. „Die Verbrauche­rschaft steht hinter uns.“Direktverm­arkter suchten das Gespräch mit den Landwirten. Seiner Meinung nach seien die Saboteure ohnehin „Wahnsinnig­e“.

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FOTOS: PRIVAT/DPA Auf einem Feld bei Berkach fand der Landwirt die Patrone so vor: Sie war mit einem Klebeband an einer Maispflanz­e befestigt.

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