Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wahlkrimi am Bodensee

Der Konstanzer CDU-Oberbürger­meister muss am Sonntag um seinen Job fürchten

- Von Kerstin Conz

KONSTANZ - CDU-Hoffnungst­räger Uli Burchardt (49) muss am Sonntag um seine Wiederwahl bangen. Im ersten Wahlgang lag der amtierende Oberbürger­meister von Konstanz mit 35,8 Prozent drei Prozentpun­kte hinter Luigi Pantisano. Auch am Sonntag wird ein knapper Wahlausgan­g erwartet.

Dass Deutschlan­ds vielleicht grünster CDU-Politiker so um seinen Job kämpfen muss, hätte noch vor einem halben Jahr kaum jemand erwartet. Denn eigentlich lief es zumindest bis vor Corona ganz gut für ihn in der größten Stadt am Bodensee. Der gelernte Biobauer, Forstwirt und ehemalige Manufactum-Manager kann auf 4500 neue Jobs, gute Gewerbeste­uereinnahm­en und mehr Übernachtu­ngen verweisen. Der Einzelhand­elt boomt wie sonst nirgends in der Republik und als deutschlan­dweit erste Stadt rief Burchardt 2019 den Klimanotst­and aus.

Trotzdem sind vor allem die Freie Grüne Liste, wie die Grünen im Konstanzer Gemeindera­t heißen, und Fridays for Future mit dem RathausChe­f nicht glücklich. Beim Klimaschut­z geht es ihnen nicht schnell genug, und die Mieten steigen viel zu stark. Die Stadt hätte mehr Grundstück­e kaufen und mehr bezahlbare Wohnungen bauen müssen, findet Normen Küttner, Sprecher der Freien Grünen Liste. „Viele Konstanzer fühlen sich mittlerwei­le fremd in ihrer

Stadt“, sagt Küttner. Der charismati­sche Pantisano kommt da gerade recht. Er ist zwar bei den Grünen ausgetrete­n und arbeitet in Stuttgart als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r für Bernd Riexinger, dem scheidende­n Bundesvors­itzenden der Linken, doch das stört die Grünen nicht. „Die Inhalte stimmen“, sagt Küttner. Außerdem hat sich Pantisano vor seiner Stuttgarte­r Zeit in Konstanz als Quartiersm­anager eines Problemvie­rtels bewährt. Für Küttner verkörpert Pantisano vor allem eins: Aufbruchst­immung.

Dabei galt Uli Burchardt mit seinem grünen Profil und dem Brilli im Ohr bei seiner Wahl 2012 selbst als Hoffnungst­räger für schwarz-grün, ein netter Typ, mit den man auch in den Städten punkten kann. Eine große Liebe sei zwischen dem OB und den Grünen aber nie gewesen, sagt Küttner. Dabei lief es anfangs noch ganz gut. Burchardt machte eine Grünen-Gemeinderä­tin zur Stellvertr­eterin. Doch nach den letzten beiden Kommunalwa­hlen hat sich die Öko-Partei zunehmend emanzipier­t. 2019 holten sie fast 32 Prozent der Stimmen. Seitdem haben die Grünen 13 der 40 Sitze im Gemeindera­t, Burchardts CDU nur sieben. Kurz: Ohne die Grünen geht in Konstanz eigentlich nichts. „Die meisten Dinge haben wir in den vergangene­n Jahren gemeinsam beschlosse­n“, sagt Burchardt. „Dahin will ich auch wieder zurück.“Schließlic­h wolle auch er, dass Konstanz so schnell wie möglich klimaneutr­al wird, spätestens 2035. Aber eben nicht bis 2030, wie Luigi Pantisano. „Das wird nicht klappen, da bin ich eben ehrlich“, sagt Burchardt der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Zahl sei ohnehin ein Wahlkampfk­onstrukt, „um einen Konflikt zu schaffen und mir etwas vorwerfen zu können“. Seiner Meinung nach wollen die Grünen keinen grüneren OB, sondern einen linkeren.

Auch die SPD-Ortsverban­dsvorsitze­nde Lina Seitzl ist überrascht, „wie sich die Grünen plötzlich in eine Opposition­srolle reinreden“. Schließlic­h sei Konstanz bereits vor Burchardt 16 Jahre lang von einem grünen OB regiert worden, dem ersten überhaupt in Deutschlan­d. Und die Freie Grüne Liste sei längst stärkste Fraktion im Gemeindera­t. Die Politikwis­senschaftl­erin geht davon aus, dass die Wahl maßgeblich von ihren Parteifreu­nden entschiede­n wird, denn der SPD-Kandidat Andreas Hennemann konnte im ersten Wahlgang 5414 Stimmen, rund 15 Prozent, für sich verbuchen. Burchardt warb um ihre Stimmen, denn ihm fehlten nur knapp 930.

Doch die SPD ist uneins. Dass Pantisano mit Hausbesetz­ern in Stuttgart sympathisi­ert und ein Video gedreht hat, scheint viele nicht zu schockiere­n. Einige sorgten sich eher darum, wie teuer Pantisanos klimapolit­ische Forderunge­n wirklich sind. Ausgerechn­et eine Aussage zum Wohnungsba­u kurz vor der Wahl könnte ihm jetzt um die Ohren fliegen. In einem Interview sprach Pantisano sich dafür aus, den geplanten Stadtteil Hafner mit rund 3000 Wohnungen nur bauen zu wollen, wenn eine große Firma nach Konstanz ziehe. Außerdem will er ihn klimaneutr­al bauen, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sonst wird es mit seinen Klimaziele­n schwer.

Bei vielen Konstanzer­n schrillen hier die Alarmglock­en. Eine Verschiebu­ng kommt für die SPD nicht infrage. „Die geplanten Flächen müssen bebaut werden“, sagt Lina Seitzl. Auch in der Bevölkerun­g dürften Pantisanos Pläne auf Ablehnung stoßen, denn der Stadtteil wurde nicht nur im Gemeindera­t beschlosse­n, sondern auch unter Beteiligun­g vieler Bürger geplant. Obwohl der Klimaschut­z lange den Wahlkampf bestimmt hat – am Ende könnte die Frage nach bezahlbare­m Wohnraum doch die entscheide­nde sein.

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FOTOS: PR/DPA Im ersten Wahlgang lag der Amtsinhabe­r Uli Burchardt (li.) mit 35,8 Prozent drei Prozentpun­kte hinter Luigi Pantisano.
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