Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Eurobike nun endgültig abgesagt
FRIEDRICHSHAFEN (saf/ras) - Die Würfel sind gefallen: Die für den 24. bis 26. November 2020 geplante Spezialausgabe der Eurobike findet nicht statt. „Aufgrund der Neubewertung der Corona-Krise muss die Messe Friedrichshafen diese Entscheidung treffen“, teilte das Unternehmen am Freitag mit. Demnach entwickeln die Organisatoren für 2021 jetzt ein Präsenzformat, das die künftigen Bedürfnisse der Branche berücksichtigt. Termin und Details sollen zeitnah bekannt gegeben werden.
Anfang Mai hatte die Messe Friedrichshafen entschieden, die Eurobike 2020 von September auf den spätmöglichsten Termin in den November zu verlegen. Zudem hatten die Veranstalter ein Hygiene- und Sicherheitskonzept ausgearbeitet. „Doch aufgrund steigender Infektionszahlen und Reisebeschränkungen kommt nur eine Absage infrage. Dafür haben alle Beteiligten Verständnis und freuen sich auf das kommende Jahr“, sagte Messechef Klaus Wellmann.
Die Eurobike in Friedrichshafen ist nicht nur eine der wichtigsten Messen der Fahrradbranche, sondern auch für die Messe Friedrichshafen die wichtigste Ausstellung im Jahr.
ULM - Hätte Friedrich Schiller nur 15 Jahre länger gelebt, hätte der Dichter Philipp Jakob Wieland in Ulm besuchen können, der im Jahr 1820 in der Stadt an der Donau die Glockengießerei seines Onkels übernommen hat. Vor allem aber hätte Schiller das erleben können, was er in seinem berühmten „Lied von der Glocke“so anschaulich beschrieben hat: „Nehmet Holz vom Fichtenstamme, doch recht trocken laßt es sein, daß die eingepresste Flamme, schlage zu dem Schwalch hinein! Kocht des Kupfers Brei. Schnell das Zinn herbei, daß die zähe Glockenspeise, fließe nach der rechten Weise.“
200 Jahr später hat sich der Handwerksbetrieb aus der Ulmer Rosengasse zu einem Weltmarktführer entwickelt, der in Werken rund um den Globus Kupferprodukte herstellt. Am Anfang steht – freilich in anderer Größe und Dimension – aber noch immer das Schmelzen und Gießen von Metall, wie es Friedrich Schiller in seinem Gedicht erzählt.
Knapp 20 Kilometer südlich der Ulmer Zentrale von Wieland steht in Vöhringen an der Iller das weltweit größte Halbzeugwerk der Buntmetallindustrie mit Europas größter Schwermetallgießerei, wo das Traditionsunternehmen aus sortenreinem Schrott und Neumetall Kupferplatten und Kupferbolzen gießt. Die bis zu einer Tonne schweren Rundbolzen presst und zieht Wieland in der Folge zu Stangen, Rohren, Drähten und Profilen. Und die bis zu zwölf Tonnen schweren Platten werden zu 100 Meter langen Bändern gewalzt und aufgewickelt.
Diese Prozesse, die sich auf den ersten Blick nach Feuer, Rauch und roher Kraft anhören, sind genau austariert und abgestimmt, wie WielandChef Erwin Mayr wenige Tage vor dem Fest anlässlich des 200. Jahrestages der Unternehmensgründung am Montag im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“erzählt. „Ob ein Band oder ein Rohr kalt oder warm umgeformt wird, welchen Temperaturen es ausgesetzt oder ob es schnell oder langsam abgekühlt wird, entscheidet später über die Eigenschaften des Materials“, sagt Mayr.
Dazu kommt die Frage nach den richtigen Legierungen, also der Mischungen von Metallen. Mayr wählt dazu das kulinarische Bild der Suppe: Kupfer sei die Basiszutat, die mit anderen Metallen gesalzen und gepfeffert werde. „Wir haben mehr als 100 verschiedene Legierungen und entsprechende Rezepte. Jedes Produkt braucht eine andere Mischung je nach Leitfähigkeit, Umformbarkeit und Festigkeit“, erklärt der WielandChef. „Über dieses Know-how versuchen wir uns von unseren Wettbewerbern abzuheben.“
Ein Wissen, das Wieland nach eigenen Angaben zum Weltmarktführer im Bereich von Hochleistungslegierungen von Kupferwerkstoffen gemacht hat. An weltweit mehr als 90 Standorten beschäftigt das Unternehmen aus Ulm rund 9000 Mitarbeiter. Im Juli 2019 hat Wieland den nordamerikanischen Marktführer für Kupferprodukte Global Brass and Copper gekauft und kommt nach Angaben Mayrs nun auf einen Umsatz von mehr als vier Milliarden Euro.
Die Kunden von Wieland stammen aus der Elektrotechnik und der
Autoindustrie, sie sind Spezialisten für Kälte- und Wärmelösungen oder stammen aus der Bau- und Energiebranche. „Die Zukunft ist kupferrosa und nicht stahlgrau“, sagt Mayr. „Bei allen künftigen Megatrends wie Digitalisierung, Automatisierung, E-Mobilität, nachhaltige Energieerzeugung kommt man an Kupferlegierungen nicht vorbei – und hochwertig heißt wenig Material, hohe Leistung.“Die Unternehmen, die die oft rot schimmernden Bänder und Stangen, Drähte, Bleche, Rohre und Profile von Wieland kaufen, machen aus ihnen Bezahlchips für Kreditkarten, Widerstände für elektrische Schaltsysteme, Gleitlager für Achsen und Motoren, aber auch Drähte für Hochleistungskabel, Rippenrohre für Klimasysteme, Stecker für Ladekabel von Handys oder Komponenten für elektrische Antriebssysteme. „Es gibt keine Elektroautos, keine Roboter, keine Computer ohne hochwertige Kupferlegierungen von Wieland. Keine Digitalisierung, keine Automatisierung, keine effiziente Energieerzeugung ohne Kupfer“, erläutert Mayr.
So kupferrosa der Wieland-Chef die Zukunft seines Unternehmens sieht, vor den Problemen der Gegenwart konnte der 51-Jährige den Kupferspezialisten nicht bewahren. Die vor allem durch die Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise hat auch Wieland getroffen. Im Geschäftsjahr 2018/19 (30. September) erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 3,3 Milliarden Euro, im Jahr 2019/20 überspringt Wieland beim Umsatz zwar die VierMilliarden-Marke – doch nur mit der Übernahme von Global Brass and Copper. Ohne die Erlöse aus den USA wäre der Gesamtumsatz wegen der Pandemie um 15 Prozent zurückgegangen. Trotz dieses Einbruchs sei Wieland „weit weg von der Verlustzone“, wie Mayr erläutert. „Wir rechnen mit einem operativen Gewinn, der 20 Prozent unter dem Vorjahr und zwischen 250 und 300 Millionen Euro liegt.“
Wenn Erwin Mayr über seine Gedanken zur Strategie des Traditionsunternehmens spricht, blitzt ab und an auf, mit welcher Leidenschaft der Manager Wieland führt. Eine Leidenschaft, die sich auch durch die Herkunft und den Lebensweg Mayrs erklärt. Erwin Mayr ist Schwabe, bayerischer Schwabe und aufgewachsen nur eine Autostunde von Ulm entfernt: in Wertingen im Landkreis Dillingen. „Autokennzeichen DLG – Deutschlands letzte Gegend“, sagt er lachend. Studiert und promoviert hat er in Ulm – und zwar Physik.
„Ein Traumjob“, sagt er über seine Arbeit bei dem Kupferspezialisten. „Das mache ich gerne, jeden Tag.“
Dabei be- gann Mayrs En- gagement bei
Wieland mit einem Fehlschlag: Als er im Jahr 2017 die Verantwortung in Ulm übernahm, fädelte Mayr die Übernahme der Walzproduktesparte des Hamburger Wettbewerbers Aurubis ein, die die EU-Wettbewerbskommission aber im letzten Moment untersagte. „Wir haben Glück gehabt, dass wir gescheitert sind“, sagt Mayr im Rückblick. „Letztlich hat uns das dazu gebracht, die deutlich größere Akquisition und den wesentlich erfolgreicheren Schritt zu machen“– die Übernahme von Global Brass and Copper, mit der das Unternehmen seine Marktführerschaft in den für Wieland entscheidenden Segmenten weiter ausgebaut hat. „Und genau das ist unser Anspruch“, erklärt Mayr.
Einen Anspruch, den nicht zuletzt die Eigentümer des Familienunternehmens dem Chef ins Pflichtenheft geschrieben haben. „Der Wunsch des Aufsichtsrats ist es, die Internationalisierung voranzutreiben, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern“, sagt Mayr. Wieland ist vollständig im Besitz der Nachfahren des Gründers. Hauptaktionär ist Eduard Schleicher, der auch hinter dem Ulmer Baustoffhersteller Schwenk steht und der die Mehrheit an dem Heidenheimer Medizinproduktehersteller Hartmann hält.
Die Tatsache, dass Wieland ein Familienunternehmen ist, hält Erwin Mayr für einen entscheidenden Vorteil. „Es hilft uns, langfristig und nicht in Quartalszahlen zu denken“, sagt Mayr. „Wir machen auch mal schwierigere Dinge, größere Investitionen, selbst wenn sie kurzfristig einen größeren Aufwand bedeuten, langfristig Wieland aber besserstellen.“
Und der Geist des Unternehmensgründers sei ebenfalls noch immer zu spüren. „Der Spirit ist derselbe. Wir sind immer bereit, Neues zu machen“, sagt Mayr über Philipp Jakob Wieland, der vor 200 Jahren begann, Glocken zu gießen, schon kurz nach der Übernahme der Glockengießerei seine Produktion auf Bleche, Drähte, Stangen und Rohre erweiterte – und so die Grundlage für den heutigen Erfolg von Wieland legte.
Was Erwin Mayr über nachhaltige Lieferketten, die Pandemie-Politik der Bundesregierung und die Standorte in Ulm und Vöhringen sagt, lesen Sie im Interview unter www.schwäbische.de/wieland