Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Aufatmen über gekipptes Beherbergungsverbot
Hotelbetreiber in Ravensburg berichten von Verunsicherung auf allen Seiten
RAVENSBURG - Das Beherbergungsverbot in Baden-Württemberg für Reisende aus Corona-Risikogebieten ist aufgehoben, so mancher Hotelbetreiber in Ravensburg ist erleichtert. Für andere spielt die Änderung keine Rolle, weil sei ohnehin so gut wie kein Geschäft haben. Der Kläger, der die Entscheidung herbeigeführt hat, dürfte dieser Tage seinen Urlaub mit der Familie im Landkreis Ravensburg verbringen.
Die Direktorin des „Ginn City & Lounge“-Hotels am Ravensburger Bahnhof war am Donnerstag überrascht und erleichtert, als sie vom gekippten Beherbergungsverbot hörte. „Wir haben eine Anfrage von einer Gruppe Geschäftsreisender vorhin abgesagt, da müssen wir schnell anrufen“, sagt sie. Und ist mittendrin in der Beschreibung der Probleme, die das Verbot mit sich gebracht hat. Bei Anfragen von Reisenden aus innerdeutschen Risikogebieten sei die Unsicherheit auf beiden Seiten groß gewesen, nicht nur beim Reisenden, auch beim Hotel. „Man weiß irgendwann selbst nicht mehr, was richtig ist“, sagt sie über das Vorgehen. Zuletzt habe sie sich auf die Angaben des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga verlassen. Das noch relativ neue Hotel in Ravensburg gehört zu einem größeren Verbund mit Häusern in Berlin und Hamburg – dort gelten wieder andere Regeln, sodass auch Kollegen nicht weiterhelfen konnten.
In den beiden Innenstadthotels Engel und Storchen, die zusammengehören, haben zuletzt fast ein Dutzend potenzielle Gäste täglich mit vielen Fragen rund um das Beherbergungsverbot angerufen, wie Personalchefin Kamila Rzepka sagt. „Die Leute sind verunsichert, die wissen nicht, ob sie anreisen dürfen, ob sie einen Test brauchen und wie alt der sein darf“, führt sie aus. Auch sie räumt eigene Unsicherheiten in Detailfragen ein und ist umso erleichterter, dass mit der Gerichtsentscheidung die Sache zunächst vom Tisch sein dürfte. Unlogisch für sie: Wenn ein Gast aus einem Risikogebiet für einen Tagesbesuch ins Restaurant Engel kommt, darf er dort essen, aber über Nacht darf er nicht bleiben. Beherbergungsverbot hin oder her – die bundesweite Befürchtung, die zweite Infektionswelle könnte heftiger ausfallen als die erste im Frühjahr, führe zu vielen Stornierungen. Seit Beginn der Woche sei die Zahl der Gäste in „Engel“und „Storchen“auffällig zurückgegangen.
Wolfgang Kimpfler, Inhaber des Hotel am Mehlsack, hat wegen des Beherbergungsverbots aktiv bei Gästen gefragt, wo sie herkommen, um zu überprüfen, ob er ihnen überhaupt ein Zimmer anbieten darf. Allerdings kämen gerade sowieso kaum Geschäftsreisende, die sein Hauptgeschäft ausmachten. Die Reisebeschränkungen der Unternehmen für ihre Mitarbeiter ist für Kimpfler ein Schlag ins Kontor. „Wir haben mit oder ohne Beherbergungsverbot kein Geschäft“, sagt Kimpfler.
Der Reisende aus NordrheinWestfalen, der rechtlich erfolgreich gegen das Verbot vorgegangen ist, dürfte inzwischen mit seiner Familie im Landkreis Ravensburg angekommen sein. Sie verbringen nach Angaben ihrer Anwältin den Urlaub in einer Ferienwohnung und stehen für ein Interview nicht zur Verfügung. Des Weiteren lasse die Familie „freundlich grüßen und ausrichten, dass sie ansonsten hinsichtlich Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus auf einer Linie mit der Bundeskanzlerin ist“, so die Juristin.