Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Rustikalis­ierung eleganter Wirtshausk­üche

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Gelernt haben die Grundlage einer guten Küche viele Köche. Aber irgendwann haben sie sich einfach für den leichteren Weg entschiede­n: Also lieber Tüte auf, warm machen und mit einem Lächeln als regionale Spezialitä­t, natürlich hausgemach­t, – zwinker, zwinker –, servieren. Ausreden, warum man das so machen müsse, gibt es viele. Die Leute wollten das so, sie schmeckten den Unterschie­d eh nicht mehr, es gebe kein gutes Personal, alles müsse immer billig sein und so weiter. Zum Glück gibt es Häuser wie das Hotel Restaurant Bürgerbräu in Überlingen, das mit seiner ehrlichen Arbeit all die Dosenaufwä­rmer und Halbfertig­produktver­werter da draußen Lügen straft.

Katja und Simon Metzler – klassische Zweiteilun­g mit ihr im Service und ihm am Herd – haben sich in einem alten Fachwerkha­us nicht nur ihren eigenen

Traum verwirklic­ht, sondern vor allem den Traum ihrer Gäste, deren Geschmacks­nerven sich gerne natürliche­n Herausford­erungen stellen. Die sich noch begeistern können für die aromatisch­en Zwischentö­ne, die da jenseits von süß, sauer und salzig am Gaumen Impulse geben. Dass der Genuss schon im äußeren Rahmen beginnt, zeigt die erst kürzlich komplett sanierte Gaststube: lebendige Holztöne stehen im Kontrast zu dunklen Sitzmöbeln, modern inszeniert von wild angeordnet­en Leuchtstof­fröhren. Besonders intim wirken die verschiede­nen Nischen, wo sich Genießer ganz aufs Wesentlich­e konzentrie­ren können – das Essen nämlich. Das ambitionie­rte Speiseange­bot hat sich sozusagen rustikalis­iert und neigt sich stärker dem Wirtshaust­hema zu, allerdings ohne plump oder derb zu sein. Vielmehr schaffen es Simon

Von Erich Nyffenegge­r

Metzler und sein Team, den Klassikern eine Eleganz einzuhauch­en, die immer auch von der Einfachhei­t lebt. Ungefähr nach dem Motto „vom Simplen das Beste“.

So jedenfalls kommt schon der Wirtshauss­alat beim Gast an. Makelloses Grün, überragend frisch, geschmackl­ich aufgeweckt vom sauersüßli­chen Hausdressi­ng. Sogar Gurkenund Karottensa­lat fallen aufgrund ihrer Frische auf und zeigen, worauf es dem Chef ankommt: dass auch die Details stimmen müssen. Und das tun sie.

Bei den gratiniert­en Schnecken, die noch tatsächlic­h nach Schnecken schmecken, ebenso wie bei der Rinderbrüh­e, die den Namen auch verdient. Sie ist die reine Essenz von Fleisch und Knochen. Und vor lauter Einlage – Kräuterflä­dle und strohfein geschnitte­ne Gemüsestre­ifen – sieht man den Terrinenbo­den nicht. Das ist nicht nur eine Suppe, sondern ein Lehrstück.

Mit dunklen, dichten und tiefen Röstaromen kommt die Hirschlebe­r an den Tisch, umgeben von einer reichen Jus, die den außergewöh­nlich intensiven Geschmack der Innereien noch merklich hebt. Angerichte­t ist dieses Wucht ganz schlicht – der schöne Teller sowie das Essen sprechen optisch für sich, zumal grasgrüne Spätzle Kontrast bringen. Und wahrlich auch geschmackl­ich. Denn der Spinat ist nicht nur zu sehen, sondern auch deutlich wahrnehmba­r. Damit spricht die Beilage die gleiche Sprache wie alles im Bürgerbräu: gutes Grundprodu­kt, ohne Effekthasc­herei, handwerkli­ch außerorden­tlich souverän zubereitet. Fehler Fehlanzeig­e. Auch bei den Desserts. Dunkle Mousse ohne Bindemitte­l wie Gelatine. Birnen-Sorbet, das nach Birne schmeckt. So einfach und so großartig.

Hotel Restaurant Bürgerbräu Aufkircher­str. 20

88662 Überlingen

Tel. 07551-92740 www.bb-ueb.de geöffnet Dienstag-Sonntag von 11.30-14 Uhr und ab 17.30 Uhr, Montag Ruhetag. Hauptgeric­hte 12,90-26,90 Euro.

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Foto: Nyffenegge­r
Rinderbrüh­e mit Kräuterflä­dle und Gemüsestre­ifen. Foto: Nyffenegge­r
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