Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Streit um die Rechte der Parlamente
Abgeordnete wollen bei Corona-Maßnahmen mitreden – Söder zweifelt am Föderalismus
BERLIN/RAVENSBURG - Bund und Länder haben gerade erst einen schärferen Kurs zur Bewältigung der Corona-Pandemie beschlossen, doch es erschallen bereits Rufe nach noch strikteren Maßnahmen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte am Montag: „Wir brauchen eine allgemeine Maskenpflicht national.“Zudem sprach der CSU-Chef von den „Grenzen des Föderalismus“und plädierte im Grundsatz für mehr Rechte des Bundes. Zugleich fordern Politiker aller Couleur mehr Mitsprache für die Parlamente beim Infektionsschutz und ein Ende des Durchregierens mit Verordnungen.
Viele Beschränkungen des öffentlichen Lebens – etwa Maskenpflicht, Sperrstunden oder Beherbergungsverbote – gehen auf solche Verordnungen zurück. Diese werden in der Regel von den Landesregierungen erlassen, zum Teil auch auf Kommunalebene. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kann ebenfalls Verordnungen rund um die Pandemie erlassen. Im Bundestag oder in den Landtagen wird darüber hingegen nicht abgestimmt. Insbesondere an der Verlängerung dieser Sonderrechte für Spahns Ministerium über März 2021 hinaus gibt es Kritik.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki warnte vor einem dauerhaften „Schaden für die Demokratie“, sollten die wesentlichen Entscheidungen bei der Bekämpfung der Pandemie künftig statt vom Bundestag weiter von der Bundesregierung beziehungsweise den Landesregierungen getroffen werden. Ähnliche Kritik übten Grünen-Chef Robert Habeck und Linken-Chefin Katja Kipping.
Zuvor hatten bereits Bundestagsabgeordnete von SPD und CDU die Zunahme von Vollmachten kritisiert. Diese Verordnungen würden, so der SPD-Rechtsexperte Florian Post in der „Bild“-Zeitung, „die Freiheiten der Menschen beschränken, ohne dass auch nur einmal ein gewähltes Parlament darüber abgestimmt hat“. Auch kenne das Grundgesetz keine Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder „als gesetzgeberisches Organ“. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) erklärte: „Das Parlament muss der Ort sein, an dem die zentralen Entscheidungen getroffen werden.“
Politikwissenschaftler Ulrich Eith von der Universität Freiburg, sagte der „Schwäbischen Zeitung“, dass die Arbeit mit Verordnungen zu Anfang der Pandemie gerechtfertigt gewesen sei. Auf Dauer sei es jedoch „undenkbar, dass der vom Grundgesetz vorgesehene Gesetzgeber hier nicht gesetzgeberisch tätig wird – also das Parlament“.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) legte den Fraktionen am Montag Vorschläge für eine stärkere Beteiligung des Parlaments vor. Darin heißt es, Maßnahmen gegen die Pandemie sollten befristet und Rechtsverordnungen der Regierung unter einen Zustimmungsvorbehalt des Bundestages gestellt werden.
Baden-Württemberg macht Ernst. Seit Montag gilt im ganzen Land die Corona-Warnstufe 3. Mehr geht nicht im Kampf gegen die Pandemie. Für alle Schüler an weiterführenden Schulen beziehungsweise ab der fünften Klasse gilt die Maskenpflicht nun nicht mehr nur auf dem Schulflur, beim Gang zur Toilette oder auf dem Pausenhof, sondern auch im Klassenzimmer (Foto: Gregor Fischer/dpa). Wie das Büffeln mit Maske funktioniert, lesen Sie in unserer Reportage auf