Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Viel Solidarität mit Clemens Moll
Private Spendenbereitschaft erfreut Amtzells angezeigten Bürgermeister
AMTZELL - Nach Bekanntwerden der Anzeige wegen möglicher Untreue gegen Amtzells Bürgermeister Clemens Moll sieht die Verwaltung von der ursprünglich beschlossenen, gemeindlichen Hilfsaktion für die Organisation „Orienthelfer“ab und ruft stattdessen zu privaten Spenden auf. Was man in Kißlegg anders gemacht hat und warum den bayerischen Mitgliedsgemeinden im Libanon-Ausschuss kein rechtliches Nachspiel droht.
Auf Anregung des Interkommunalen Libanon-Ausschuss Allgäu, dem neben Amtzell auch die Gemeinden Opfenbach, Heimenkirch, Gestratz, Hergatz und Kißlegg angehören, hatte der Amtzeller Gemeinderat beschlossen, 4200 Euro an die Organisation „Orienthelfer“des Kabarettisten Christian Springer zu spenden, um den Opfern der verheerenden Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut/Libanon zu helfen.
Damit hat die Gemeinde Amtzell ihre Kompetenzen überschritten und sich Bürgermeister Clemens Moll möglicherweise sogar der Veruntreuung von Steuergeldern schuldig gemacht, findet zumindest André Kehle. Er hatte bei der Staatsanwaltschaft Ravensburg Anzeige gegen Moll erstattet. Seiner Meinung nach gibt die verfassungsrechtliche Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen eine solche Zuständigkeit nicht her. Ob dies tatsächlich so ist, und ob der Bürgermeisters sogar vorsätzlich handelte, muss nun die Staatsanwaltschaft klären. Nach Bekanntwerden
der Anzeige hatte der Gemeinderat den Spendenbeschluss umgehend wieder zurückgenommen.
Ähnliches ist auf bayerischer Seite, in Heimenkirch, Gestratz und Hergatz, die tatstächlich an „Orienthelfer“gespendet hatten, nicht zu erwarten. Im Vorfeld ihrer Beschlüsse hatten sie sich mit dem Landratsamt Lindau als Aufsichtsbehörde abgestimmt. Laut Markus Reichart, Bürgermeister von Heimenkirch, gab dieses die Auskunft, dass diese Spenden in einem gewissen Rahmen unproblematisch gesehen würden. Es stellte zwar fest, „dass die Gemeinde für die Erfüllung aller öffentlichen Aufgaben auf ihrem Gemeindegebiet“zuständig ist, und dass eine Spende an eine Organisation im Ausland dem zunächst nicht entspricht. Allerdings seien Ausnahmen im Bereich kommunaler Auslandsarbeit unter dem Gesichtspunkt der Völkerverständigung möglich – sofern die Entwicklungshilfe auf lokaler Ebene geschieht und sie Gemeinden oder vergleichbare Institutionen als Partner im Ausland hat. „Durch den Interkommunalen Libanon-Ausschuss gibt es ja auch einen sachlichen Zusammenhang“, sagt Reichart.
Darauf beruft sich auch Clemens Moll auf Nachfrage der „Schwäbischen
Zeitung“. Er habe sich nicht explizit im Vorfeld mit dem Kommunalamt abgestimmt, jedoch habe ihm die Info der anderen Kommunen vorgelegen, wonach diese Spende als unkritisch anzusehen sei. „Ich bin davon überzeugt, dass wir rechtmässig gehandelt haben“, sagt der Bürgermeister, denn „am Libanon-Projekt ist die Gemeinde Amtzell über den örtlichen Verein „FüreinanderMiteinander e.V.“beteiligt und dieser Verein ist als gemeinnützig anerkannt.“Zudem habe FüreinanderMiteinander auch die internationale Entwicklungs- und Nothilfe als Vereinszweck in der Satzung verankert. Ob die bayerische Regelung den baden-württembergischen Bürgermeister stützt, wird sich aber erst noch zeigen. Eine Prüfung des Vorgangs durch die hiesige Kommunalaufsicht läuft. Für ein Statement war das Kommunalamt am Freitag nicht zu erreichen.
Vorsorglich anders gemacht hatte es vor einigen Wochen Dieter Krattenmacher, Bürgermeister von Kißlegg, der zweiten baden-württembergischen Mitgliedsgemeinde im Libanon-Ausschuss. Auch in Kißlegg stand die gemeindliche Spende von einem Euro pro Einwohner auf der Agenda. Nach intensiven Beratungen hatte man sich hier gegen dieses Format entschieden. „Die Gemeinde bietet Hilfe zur Selbsthilfe, wir vergeben aber keine Spendengelder direkt aus dem Gemeindehaushalt an externe Hilfsorganisationen“, erklärte Krattenmacher Ende September. Er halte es für problematisch, Steuergelder der Gemeinde an einen der vielen Krisenpunkte der Welt zu geben, „weil es sehr schwierig ist, hier eine richtige Auswahl zu treffen.“
Derweil zeigen sich die bayerischen Gemeindehäupter mit ihrem baden-württembergischen Kollegen solidarisch. „Ich finde so etwas traurig“, sagt Reichart über die Anzeige. „Wenn sich unsere Gesellschaft für gewisse Dinge engagiert, findet sich immer jemand, der etwas dagegen hat.“Der Hergatzer Bürgermeister Oliver Raab befürchtet: „So etwas torpediert ja auch alle, die sich ehrenamtlich engagieren.“Und Engelbert Fink, Rathauschef in Gestratz, sagt: „Das ist einfach nur schade.“
Auch Christian Springer meldete sich im „Westallgäuer“zu Wort. Er sei „unfassbar entsetzt“angesichts der Anzeige gegen Moll. Der Schaden, der hier angerichtet werde, betreffe nicht nur die Spende, sondern die ganze Gesellschaft. Er ist der Meinung: „Was dieses Land gerade jetzt braucht, wo sich Vieles nur noch in Form von Geschimpfe in sozialen Medien abspielt, ist Engagement.“Solches Engagement werde durch die Anzeige ausgebremst. „Eine Anzeige zu erstatten gegen Menschen, die helfen wollen, das ist das Unmenschlichste, was ich mir vorstellen kann.“
Trotz drohenden Ungemachs kann Clemens Moll aber schon wieder die positiven Seiten der Problematik erkennen. Er habe von den Bürgern und aus dem Kollegenkreis viel Zuspruch erhalten. Noch mehr freue er sich aber über die vielen Spendenzusagen und Anfragen nach dem Hilfskonto, die ihn nicht nur aus Amtzell, sondern aus der gesamten Region erreichen würden. „Sogar Bargeld in Kuverts mit dem Hinweis auf die Spendenaktion ist schon im Rathaus abgegeben worden“, so Moll. Das alles stimme ihn sehr zuversichtlich, dass die ursprünglich gemachte Spendenzusage in Höhe von 4200 Euro nun über den Spendenaufruf zusammen kommen wird.
Wer für die Opfer der Katastrophe spenden möchte, kann dies über das offizielle Spendenkonto des Vereins Füreinander-Miteinander tun. Zu finden online unter www.füreinandermiteinander -amtzell.de