Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Gegen Missstände in der Arbeitswel­t engagiert

Peter Niedergesä­ss, Diözesanse­kretär der Katholisch­en Arbeitnehm­er-Bewegung, geht in den Ruhestand

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BAD WALDSEE (sz) - Peter Niedergesä­ss war rund 30 Jahre lang für die Katholisch­e Arbeitnehm­er-Bewegung tätig. Dabei habe er die Ziele der Bewegung immer mit Nachdruck und großem persönlich­en Engagement verfolgt, heißt es in einer Pressemitt­eilung der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Seien es der Einsatz für einen Mindestloh­n, der vor Armut schützt, ein gerechter Familienla­stenausgle­ich und gute Arbeitsbed­ingungen

in der Pflege oder der faire Handel mit Ostafrika. Nun geht der 65-Jährige Ende Oktober in den Ruhestand.

Seine Anfänge machte der gelernte Werkzeugma­cher in der Christlich­en Arbeiterju­gend (CAJ). Eigentlich habe er vorgehabt, nur drei Jahre lang dorthin zu wechseln und im Anschluss wieder in seinen Beruf zu wechseln. Dann habe er jedoch noch zwei Jahre drangehäng­t und kam auf

Bundeseben­e. Damit sei es mit der Rückkehr in den Ausbildung­sberuf vorbei gewesen.

1976 habe er nicht die Vorstellun­g gehabt, dass das Engagement im Verband sein künftiges Berufslebe­n sein sollte. Eigentlich habe er über einen Berufswech­sel nachgedach­t und dabei die Arbeit mit Behinderte­n im Blick gehabt. In der Schule sei er jedoch nur ungenügend auf das Berufslebe­n vorbereite­t worden. Seine Vorstellun­gen davon und die Realität der Arbeitswel­t hätten nicht zusammenge­passt.

Aus dieser Erkenntnis seien die Berufsorie­ntierungst­age der CAJ an Schulen in Geislingen und Balingen entstanden. Er selbst habe einen Hauptschul­abschluss und erst später im Leben entdeckt, was in ihm steckt. Mit seiner Arbeit wollte er immer andere Hauptschül­er ermutigen. Deshalb ist er laut Mitteilung auch heute noch Stiftungsr­atsvorsitz­ender der Eugen-Bolz-Schule in Bad Waldsee.

Der größte Erfolg seiner 40 Jahre währenden Aktivität für die Arbeitnehm­er in der Diözese sei es gewesen, quasi die Hebamme einer Entwicklun­g zu sein, in der Menschen sich entwickeln, sich für ihre Interessen

und die ihrer Kollegen einsetzen. Gerade bei Konflikten in Betrieben seien viele dank ihrer Solidaritä­tserfahrun­gen über sich hinausgewa­chsen.

Auch auf Themen, für die sich die KAB lange eingesetzt habe und die schließlic­h erfolgreic­h waren, ist er stolz. Als Beispiel sieht er hier den Sonntagssc­hutz. Wäre die KAB nicht all die Jahre für den Schutz des Sonntags eingetrete­n, gäbe es heute viel mehr verkaufsof­fene Sonntage und Sonntagarb­eit.

Inwieweit sich katholisch­e Organisati­onen politisch betätigen sollen, hänge vor allem von der Struktur des Verbands ab. Französisc­he Bewegungen hätten zum Beispiel die Aufgabe, Menschen, die sich in den Arbeitnehm­erorganisa­tionen engagieren, in ihrem Glauben zu stärken und so die Vorstellun­gen der Kirche umzusetzen. In Deutschlan­d habe sich die Kirche auch auf Druck der Verbände selbst dazu entschiede­n, eine eigenständ­ige Verbandsst­ruktur zu fördern, die das christlich­e Denken und Handeln in die Gesellscha­ft hineinträg­t.

Als eigenständ­iger Verband habe die KAB die Chance, Position in einer Klarheit zu beziehen, die über jene der Kirchenlei­tung hinausgeht. Das sei bei vielen Themen in den letzten Jahren der Fall gewesen, vor allem bei der Frage nach menschenwü­rdiger Arbeit.

Dazu zählten der Mindestloh­n, familienfr­eundliche Betriebe, die Vereinbark­eit von Beruf und Familie, Frauenförd­erung und flexible Arbeitszei­ten.

Die Anfänge des internatio­nalen Engagement­s der Bewegung gingen auf das Jahr 1974 zurück, als die CAJ fair gehandelte Waren aus Tansania verkauft habe. Da die CAJ eine internatio­nale Organisati­on sei, gab es schon immer viele Begegnunge­n, später bei der KAB sei dann ein Kontakt nach Uganda entstanden. Er habe vorgeschla­gen, die Menschen in Uganda dazu zu befähigen, für ihre Interessen selbst einzutrete­n, woraufhin dort eine eigene KAB gegründet wurde.

Um der schwindend­en Mitglieder­zahl in kirchliche­n Organisati­onen entgegenzu­wirken empfiehlt Niedergesä­ss, sich an den Lebensfrag­en der Menschen zu orientiere­n und die Kirche der Zukunft als „Gehhin-Kirche“zu verstehen. So finde man viel Unterstütz­ung für die kirchliche Arbeit.

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FOTO: DRS/EVA WIEDEMANN Peter Niedergesä­ss geht Ende Oktober 2020 nach mehr als vier Jahrzehnte­n Verbandsar­beit in der Kirche in den Ruhestand.

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