Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Deutsche Bank meldet überraschend Gewinn
FRANKFURT (dpa) - Die Deutsche Bank hält nach einem überraschend guten dritten Quartal Kurs auf schwarze Zahlen im Gesamtjahr. Trotz des beispiellosen Konjunktureinbruchs infolge der Corona-Krise sei Deutschlands größtes Geldhaus 2020 durchgehend profitabel gewesen, bilanzierte Konzernchef Christian Sewing am Mittwoch: „Nach neun Monaten beläuft sich unser Gewinn auf 846 Millionen Euro vor Steuern, sodass wir weiterhin zuversichtlich sind, auch für das Gesamtjahr ein positives Vorsteuerergebnis zu erreichen.“Die Frage, ob auch unter dem Strich im Gesamtjahr 2020 ein Gewinn stehen wird, ließ Finanzvorstand James von Moltke in einer Telefonschalte offen.
Im dritten Quartal schnitt das Institut, das sich im Jahr seines 150-jährigen Bestehens mitten in einem tiefgreifenden Umbau befindet, besser ab als vom Management geplant und von Analysten erwartet: Vor Steuern stand ein Plus von 482 Millionen Euro in den Büchern, nach Steuern waren es 309 Millionen Euro. Davon müssen aber unter anderem noch Zinszahlungen an die Inhaber bestimmter Anleihen abgezogen werden, sodass auf die Aktionäre des Frankfurter Dax-Konzerns ein Gewinn von 182 Millionen Euro entfiel. Ein Jahr zuvor hatte der im Juli 2019 eingeleitete Konzernumbau für tiefrote Zahlen gesorgt.
Von Helena Golz, Emanuel Hege und Hannes Koch
RAVENSBURG/BERLIN - Ulrich Schmalz’ Stimme klingt resigniert. Eigentlich hätten doch alle gesagt, dass es den zweiten Lockdown zu verhindern gilt, sagt der Inhaber der Ravensburger Gaststätte Engel. Nun müssen die Gaststätten von kommenden Montag an wegen der erhöhten Corona-Infektionen erneut schließen – für den gesamten Monat November. Darauf haben sich Bund und Länder am Mittwoch geeinigt. Die Verunsicherung unter den Gastronomen sei groß, sagt Schmalz. „Das ist wie ein Damoklesschwert über uns“, sagt Schmalz. „Ich erwarte keine guten Nachrichten mehr, wir müssen irgendwie mit einem blauen Auge durch den Winter kommen.“
Doch ob und wie das den Gastronomieund Hotelleriebetrieben im Südwesten gelingt, ist fraglich. Einen erneuten Lockdown können viele wirtschaftlich nicht mehr verkraften, warnt der baden-württembergische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Bereits jetzt sieht sich laut Dehoga-Umfrage mehr als jeder zweite gastgewerbliche Betrieb im Südwesten in seiner wirtschaftlichen Existenz durch die Corona-Krise bedroht.
„Wir können nicht nachvollziehen, dass Bereiche der Wirtschaft, die erwiesenermaßen keine Problembereiche in Bezug auf die Corona-Verbreitung sind, in existenzbedrohlicher Weise eingeschränkt werden sollen“, sagt Daniel Ohl, Sprecher des Dehoga. Er glaubt, die Akzeptanz der Maßnahmen hängt auch davon ab, ob diese nachvollziehbar sind. Eben diese Nachvollziehbarkeit kann Ohl bei der Schließung der Gastro-Branche nicht erkennen. „Gastgewerbliche Betriebe sind nachweislich keine Pandemie-Treiber.“Der Großteil der Ansteckungen passiere im privaten Bereich, schließe man nun die Gaststätten, würden sich die Menschen noch mehr zu Hause treffen und noch weniger Regeln einhalten. Eine statistische Auswertung des baden-württembergischen Sozialministeriums bestätigt die Aussagen Ohls. Demnach hatten sich in der ersten vollen Woche im Oktober (letzte verfügbare Zahlen) 34,1 Prozent der Menschen nachweislich in privaten Haushalten angesteckt, jedoch nur 2,3 Prozent in Restaurants und Gaststätten.
Ähnlich alarmiert wie der Dehoga ist der Südwest-Tourismus. Andreas Braun, Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg, sagte am Mittwoch im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“: „Bereits der erste Lockdown hatte für das Urlaubsland BadenWürttemberg dramatische Auswirkungen.“Am Höhepunkt im April seien die Gästezahlen um insgesamt 94,1 Prozent zurückgegangen. „Inzwischen wissen wir, dass BadenWürttembergs Tourismusbranche in den Monaten März bis Mai einen Umsatzausfall von rund 5,5 Milliarden Euro verschmerzen musste“, sagt Braun. „Die Folgen eines zweiten Lockdowns wären daher vermutlich noch viel weitreichender. Denn anders als im Frühjahr stehen viele Betriebe nun bereits mit dem Rücken zur Wand. Es steht zu befürchten, dass etliche diesen Herbst und Winter nicht überstehen.“
Auch die Veranstaltungsbranche macht sich massive Sorgen. In Berlin demonstrierten am Mittwoch lautstark Musiker, Schauspieler, Clubbetreiber und Eventfirmen. „Wir sind akut vom Aussterben bedroht“, warnten die Verbände der Veranstaltungswirtschaft.
Doch auch hier gibt es nun einschneidende Maßnahmen. Bund und Länder haben am Mittwoch beschlossen Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, deutschlandweit ebenfalls bis Ende November zu untersagen.
Der Einzelhandel darf zwar geöffnet bleiben – es gibt aber Vorschriften, wie viele Kunden gleichzeitig im Laden sein dürfen. Dabei ist sicherzustellen, dass sich in den Geschäften nicht mehr als ein Kunde pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche aufhält. Kein Aufatmen also bei den Einzelhändlern – im Gegenteil. Der Präsident des Handelsverbands Baden-Württemberg, Hermann Hutter, sagt: „Jegliche Einschränkungen, auch Flächenbegrenzungen in diesem für die Händler extrem wichtigen Vorweihnachtsgeschäft, werden für Tausende Betriebe – auch für gesunde mittelständische Betriebe das Aus bedeuten.“Denn solche Einschränkungen führten zu Umsatzeinbußen und das wiederum treffe die Händler ins Mark, die noch vom ersten Lockdown geschwächt sind. Für Zutrittsbeschränkungen im Handel gebe es außerdem gar keinen Grund, sagt Hutter. Das wisse auch die Politik. Im Handel habe es während der Pandemie bisher zu keiner Zeit nennenswerte Infektionsherde gegeben. Um die betriebswirtschaftlichen Folgen der neuen Einschränkungen abzufedern, fordert der Handelsverband zusätzliche Überbrückungshilfen für Unternehmen. Das Eigenkapital v ieler innerstädtischer Modehändler sei bereits aufgebraucht, hieß es.
Tatsächlich stellte die Regierung am Mittwochabend Nothilfen für betroffene Unternehmen in Aussicht. „Das begrüßen wir“, sagte Daniel Ohl vom Dehoga noch am Mittwoch. „Es wird entscheidend darauf ankommen, dass diese Nothilfen schnell, unbürokratisch und in ihrer Höhe dem Schaden angemessen sind – und zwar für alle Betriebe, unabhängig von deren Größe.“Viele Detailfragen seien hier aktuell noch ungeklärt.
Grünen-Chef Robert Habeck hatte sich am Mittwoch für den Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ausgesprochen, vorübergehend einen staatlichen „Unternehmerlohn“für Selbstständige und kleine Betriebe beispielsweise der Veranstaltungsbranche zu zahlen. Weil die Betroffenen die bisherige Unterstützung meist nicht für ihren persönlichen Lebensunterhalt verwenden dürfen, gibt es dort eine Lücke. Wie diese zu schließen sei, diskutieren Wirtschaftsund Finanzministerium seit geraumer Zeit, ohne sich zu einigen.
Klar ist, dass weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens für den Staat teuer werden. Die Ausgaben für Hilfsprogramme steigen, und die Einnahmen sinken, weil Unternehmen wie Beschäftigte weniger Steuern zahlen. Möglicherweise Dutzende Milliarden Euro wird Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) dann zusätzlich für den Bundeshaushalt mobilisieren, indem er neue Kredite aufnimmt. Von rund 60 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftleistung vor der Corona-Krise dürfte die Staatsverschuldung 2020/21 auf rund 80 Prozent zulegen, eventuell auch mehr. Unter anderem weil die Zinsen niedrig liegen, kann sich der Staat jedoch auch neue kreditfinanzierte Notprogramme leisten, ohne überfordert zu werden.
Zu bedenken ist, dass die Restriktionen nicht nur die von Schließungen betroffenen Branchen fordern, sondern die Wirtschaft insgesamt. „Der Aufschwung wird sehr wahrscheinlich deutlich ausgebremst werden“, sagte Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Der Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer schätzt: „Das Risiko einer zweiten Rezession ist beträchtlich“. Weil damit die sozialen Probleme und die Unzufriedenheit der Bevölkerung wachsen, könnte die Unterstützung für die Einschränkungspolitik der Regierung abnehmen. Die am Mittwoch beschlossenen Maßnahmen werden also – auch wenn sie zum Ende des Monats November wieder gelockert werden – die deutsche Wirtschaft noch eine ganze Weile beschäftigen.