Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Vom Schaf zum Schal
Über die Zucht alter Schafrassen kam Christiane Mohr zum Weben
SULMINGEN - Zwischen 20 und 30 Schafe weiden seit gut zehn Jahren auf einer Wiese am Ortsrand von Sulmingen. Auf den drei Hektar haben Christiane Mohr und ihr Mann Peter Bette ihre Idee von der Zucht alter Schafsrassen verwirklicht. Übers Spinnen der Wolle kam Christiane Mohr zum Weben, eine Handwerkskunst, die selten geworden ist. Die promovierte Apothekerin designt und webt Schals. Neuerdings wagt sie sich auch an Bildteppiche. Den drei Meter großen Gobelinwebstuhl hat sie mit ihrem Mann restauriert – wie die anderen Webstühle, die sie besitzt.
Als vor gut elf Jahren die Baidleswiese in Sulmingen zum Verkauf stand, war für Christiane Mohr klar: Jetzt bietet sich die Chance, einen Traum zu verwirklichen. Bereits während seines Veterinärmedizinstudiums hatte sich ihr Mann Peter Bette für alte Schafsrassen begeistert. Und so machte sich das Ehepaar daran, die drei Hektar große Wiese zu erwerben.
Aber das erwies sich als schwieriger als gedacht. Das 100 Jahre alte Grundstücksverkehrsgesetz hat das Ziel, landwirtschaftliche Flächen als solche zu erhalten. Deshalb sei es für jemanden, der kein Landwirt sei, nicht einfach, Äcker oder Weiden zu kaufen, erzählt Bette. Doch die Behörden stimmten zu. Ein Hektar der Baidleswiese dient seither als Schafskoppel, die restlichen zwei werden genutzt, um Heu zu machen. „Damit wir es zu zweit auch schaffen, ist unsere Herde mit 20 bis 30 Tieren relativ klein“, erzählt Christiane Mohr.
Die meisten der Tiere gehören zur alten Rasse der Coburger Fuchsschafe. Vor 150 Jahren seien Fuchsschafe im Mittelgebirge weit verbreitet gewesen, weiß Peter Bette. „Sie liefern gutes Fleisch, viel Wolle und geben Milch. Deshalb waren sie ideal für arme Leute.“Heute hingegen seien Rassen gefragt, die für eine einzige Nutzung optimal seien, also viel Fleisch oder hohe Wollqualität lieferten. Letzteres sei beim Fuchsschaf nicht der Fall. „Solche alten Rassen müssen trotzdem erhalten werden. Ihr Genpool ist wertvoll, die Fuchsschafe haben harte Klauen und keine Geburtsprobleme“, sagt der Tierarzt. „Wir hatten bisher 140 Lämmer, die Geburten verliefen immer gut“, ergänzt seine Frau. Eines der ersten Mutterschafe habe im hohen Alter von elf Jahren sogar noch Zwillinge geboren.
Wegen ihrer Wolle stehen noch zwei weitere Rassen auf der Weide: braune Schweizer Juraschafe und die britischen Wensleydale-Schafe. Die korkenzieherartig gelockte Wolle der Wensleydales sei heiß begehrt, weiß Christiane Mohr. Diese Tiere schert sie deshalb selbst und zwar vorsichtig mit einer Schere, statt dem elektrischen Gerät.
Die Haltung und Zucht der Schafe nimmt viel Zeit in Anspruch. Die
Sulminger haben sich deshalb ein regionales Netz aufgebaut. Die Gerberei, zu der sie die Felle fahren, und die Teppichweberei, an die die Wolle geht, sind maximal eine Stunde entfernt, ein örtliches Restaurant nimmt das Fleisch ab, ein Landwirt aus der Gemeinde schaut nach den Schafen, wenn das Ehepaar einmal nicht da ist.
Vor rund eineinhalb Jahren haben die beiden in der neuen Ortsmitte in Äpfingen Geschäftsräume übernehmen können, „Schoen. Schafe und Originale – Erhaltung durch Nutzung“haben sie den Laden genannt, in dem sie ihre Schafsprodukte verkaufen und Kunstausstellungen machen. Im Laden ist auch Platz für Christiane Mohrs neue kreative Leidenschaft: das Weben. Mit der Schafhaltung entdeckte sie für sich die Wollverarbeitungskette vom Spinnen über die Herstellung des Zwirns bis zum Aufspulen auf die große Haspel. „Ich fand, es wäre eine tolle Sache, auch meinen eigenen Stoff zu weben.“Weil sie jemand ist, der die Dinge gern gründlich angeht, absolvierte die Sulmingerin eine dreijährige Ausbildung im „Haus der Handweberei“in Sindelfingen.
Das Weben lässt sie seither nicht mehr los. Die Mischung aus Kreativität und mathematischem Denken fasziniert sie. Weben habe viel mit Mathematik zu tun, man müsse im
Binärsystem denken, um die Muster für den Webstuhl erstellen zu können, erklärt Christiane Mohr. „Es ist toll, beim Anweben zu sehen: Ja, das wird so, wie ich es mir gewünscht habe.“Sie hat sogar eine eigene Technik entwickelt, mit der am Stoff auch rechts und links, wo sich normalerweise nur eine Webkante befindet, Fransen gemacht werden können.
Sieben Webstühle besitzt die Sulmingerin inzwischen, vom einfachen bis zum komplexen. Die meisten hat sie im Internet gefunden, oft waren sie jedoch nur noch Schrott. „Aber bei alten Webstühlen ist alles aus Holz und Metall und das kann man ersetzten“, erzählt sie über die umfangreiche Restaurierungsarbeit, die sie zusammen mit ihrem Mann macht.
Christiane Mohr webt vor allem Schals. Weil die Fuchsschafwolle dafür dann doch zu rau wäre, kauft sie feine Merinowolle in den unterschiedlichsten Farben. Schals, teils mit gehäkelter Perlenverzierung entstehen daraus. Seit Kurzem wagt sie sich an etwas Neues: Bildteppiche.
Drei Meter groß ist der Gobelinwebstuhl, den sie vom Witwer einer Bildweberin übernehmen konnte. „Bildteppiche zu weben dauert irre lange“, sagt sie. Eine neue Herausforderung also, und das ist genau ihre Sache.