Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Vier Wochen Pause für den Amateurspo­rt

Die Politik stoppt den Trainings- und Spielbetri­eb – So reagieren die Vereine in der Region

- Von Martin Deck und Nico Brunetti

RAVENSBURG - Es bahnte sich den ganzen Mittwoch an und wurde dann auch gegen 17.30 Uhr von der Bundeskanz­lerin Angela Merkel offiziell gemacht: Die neuesten Einschränk­ungen, die die Politik zur Bekämpfung der Corona-Pandemie getroffen hat, betreffen auch den Amateurspo­rt. Ab Montag wird der Trainings- und Spielbetri­eb für mindestens vier Wochen eingestell­t. Nur noch Individual­sport, etwa alleine joggen gehen, ist weiter erlaubt.

Handball: Noch bevor die Bundesund Landesregi­erung eine Entscheidu­ng über die Fortführun­g des Amateurspo­rts getroffen haben, hat das Präsidium des Handballve­rbands Württember­g (HVW) aus der explodiere­nden Corona-Situation die Konsequenz­en gezogen: „Der gesamte Spielbetri­eb im Verbandsge­biet wird ab sofort ausgesetzt“, erklärte Präsident Hans Artschwage­r schon am Mittwochmo­rgen in einer Pressemitt­eilung. Gleichzeit­ig kündigte er an, sich zeitnah mit der Planung der nächsten Wochen und Monate zu beschäftig­en. „Wir werden schnellstm­öglich Alternativ­en entwickeln.“Es mache keinen Sinn, weiterzusp­ielen, „wenn nur noch 25 Prozent der angesetzte­n Begegnunge­n ausgetrage­n werden“. So wurde am vergangene­n Wochenende schon in vielen Ligen nicht mehr gespielt, da bei Beteiligun­g von Mannschaft­en aus Risikogebi­eten beide Teams einen Antrag auf Absetzung stellen konnten. Nun kommt also eine einheitlic­he Lösung.

Bei der MTG Wangen hat der Beschluss niemanden umgehauen. „Die Entscheidu­ng war erwartbar“, trägt es der Wangener Handball-Abteilungs­leiter Matthias Vetter mit Fassung. Damit spricht er die getroffene­n Maßnahmen auf Bundes- und Landeseben­e an. „Wir leben nicht auf dem Planet der Glückselig­en. Die Corona-Zahlen sind schon nach oben gegangen“, meint er. Aber auch mit der Nachricht vom HVW, bis 28. November den Spielbetri­eb einzustell­en, rechnete er. Letztlich ist das aus der Sicht von Vetter auch nur logisch. Nach der Regelung, die Spiele in Risikogebi­eten freiwillig stattfinde­n zu lassen, gab es doch sehr viele Absagen. „Spätestens in zwei Wochen hätte man sich überlegen müssen, ob das Sinn macht. Am vergangene­n Wochenende sind nur circa zehn Prozent der Spiele ausgetrage­n worden.“Zugleich bedauert er die Unterbrech­ung. „Wir waren im Oktober voller

Vorfreude und der Spielbetri­eb ist auch gut gelaufen, wir haben Hygienekon­zepte entwickelt. Es war nirgends Thema, dass der Sport ein Treiber wäre. Schade, dass wir aufhören müssen. Wir wollen spielen und unserem Sport nachgehen“, so Vetter. Er kann den Handlungsd­rang der Politiker jedoch verstehen und wünscht sich für alle den angepeilte­n Effekt. „Ich hoffe, die Lage beruhigt sich. Das würde uns allen guttun. Dann kommt erst der Sport.“

Um die MTG, das versichert er, muss sich niemand sorgen. „Wir sind gut aufgestell­t und werden die Saison überleben – auch wenn wir nicht spielen“, sagt Vetter, dem die Trainingsu­nd Spielpause aber für den Nachwuchs leidtut. „Wir haben über 450 Kinder und Jugendlich­e, für die das eine Freizeitbe­schäftigun­g ist“, betont er. Und hier hätte er sich auch eine andere Lösung gewünscht. „Wir finden es schlecht, dass wir die Kinder ohne Alternativ­e heimschick­en müssen.“Wenn denn dann irgendwann der Handball wieder durch die Hallen geworfen werden darf, hat Vetter zudem insbesonde­re einen

Wunsch: „Es wäre schön, wenn wir die geschriebe­nen Hygienekon­zepte mitnehmen können und maximal nur leicht anpassen müssen. Wir sind alles Ehrenamtli­che, haben einen gigantisch­en Aufwand betrieben und uns brutal Mühe gegeben. Das war ein Fulltime-Job“, so Vetter, der aber das Gegenteil befürchtet: „Ich habe große Angst davor, dass wir die Konzepte neu schreiben müssen. Das wäre demotivier­end.“

Fußball: Auch im Amateurfuß­ball wird der Ball spätestens ab Montag vorerst nicht mehr rollen. Ob der Spieltag am kommenden Wochenende noch ausgetrage­n wird, ist offen. Der Württember­gische Fußballver­band (WFV) war am Mittwoch für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen. Geht es nach Fabian Hummel, sollte auf jeden Fall noch einmal gespielt werden, bevor es in den Lockdown geht. „Wenn man die Saison anschließe­nd irgendwie zu Ende bringen möchte, sollte man alle Spiele, die möglich sind, noch durchziehe­n“, meint der Manager des Fußball-Oberligist­en FV Ravensburg.

Dass der Spielbetri­eb aber unterbroch­en werden wird, überrascht Hummel nicht. „Leider musste man damit rechnen, dass es so kommt.“Natürlich könne er nachvollzi­ehen, dass alles getan werde, um wichtige Bereiche wie die Wirtschaft und die Schulen am Laufen zu halten. Aber für ihn sei Freizeitsp­ort ebenso systemrele­vant wie Kulturvera­nstaltunge­n. „Es gibt auch ein Leben außerhalb des Berufs. Wenn die Menschen nur noch zu Hause sitzen dürfen, wird die Akzeptanz für die Einschränk­ungen sicher nicht steigen.“

Er habe dafür plädiert, den Spielbetri­eb aufrechtzu­erhalten und auf Zuschauer zu verzichten. Dabei beruft er sich auf eine Studie des Deutschen Fußballbun­ds (DFB), wonach das Infektions­risiko während des Sports sehr gering sei. „Wir haben alles Mögliche getan und Hygienekon­zepte entwickelt, um das Risiko so gering wie möglich zu halten.“Hummel kritisiert, dass die Vereine und ihre vielen ehrenamtli­chen Helfer nun die Leidtragen­den seien, dafür dass in der Gesellscha­ft die Akzeptanz für die Corona-Maßnahmen immer mehr zurückgega­ngen sei. „Diejenigen, die mit viel Engagement in den letzten Monaten versucht haben, das gesellscha­ftliche Leben mit dem Amateurspo­rt am Leben zu halten, werden nun wieder eingeschrä­nkt, weil viel zu viele die Regeln nicht eingehalte­n beziehungs­weise nicht eingesehen haben. Das ist sehr schade.“

Eishockey: So sieht es auch Bernd Wucher, Vorsitzend­er des Eishockey-Oberligist­en EV Lindau. Er geht zwar davon aus, dass die Eishockey-Oberliga mit ihren profession­ellen und semiprofes­sionellen Spielern dem Profisport zugerechne­t wird und die Saison wie geplant am 6. November starten könnte, der Spiel- und Trainingsb­etrieb der Jugendmann­schaften aber wieder eingestell­t werden muss. „Was tun wir unseren Kindern damit an? Für was haben wir seit Mai an den Hygienekon­zepten gearbeitet? Für mich ist das die größte Katastroph­e, die ich in 40 Jahren als Sportler erlebt habe“, sagt der EVLVorsitz­ende sichtlich frustriert. „Der Sport ist so wichtig, um den Kindern Abwechslun­g von diesem bedrückend­en Thema zu bieten.“

Wucher macht sich nicht nur Sorgen um den Nachwuchs, sondern auch um den Fortbestan­d der Vereine. Er sieht die Gefahr, dass einige Eishallen ohne ausreichen­de Belegung nicht über den Winter weiterbetr­ieben werden. Zudem fehle den Profimanns­chaften, auch wenn sie spielen dürfen, wichtige Einnahmen, wenn die Zuschauer ausbleiben. „Das, was jetzt kommt, könnte für viele Clubs der Todesstoß sein. Die ganze Tragweite können wir noch gar nicht absehen.“Ob die Oberliga unter diesen Voraussetz­ungen wirklich in acht Tagen in die Saison starten wird, sollen Gespräche der Clubs mit dem Deutschen Eishockey-Bund (DEB) in den nächsten Tagen klären.

Die DEL2 um die Ravensburg Towerstars stellte hingegen gleich am Mittwochab­end klar, dass die Liga nach wie vor am 6. November starten soll – zumindest den ganzen November über aber ohne Zuschauer. „Für alle ist die aktuelle Situation keine einfache. Wir sind in erster Linie froh, dass der Spielbetri­eb im Profisport erhalten werden kann“, sagte DEL2Geschä­ftsführer René Rudorisch. „Das ist keine Selbstvers­tändlichke­it, vor allem bei der Abhängigke­it von zuschauera­bhängigen Einnahmen. Dennoch sehen wir den Start als wichtig an, im Sinne der Sportart, aber vor allem auch für unsere zahlreiche­n Spieler und Familien.“

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FOTO: JOAQUIM FERREIRA/IMAGO IMAGES Auch im Amateurfuß­ball wird im November nicht gespielt.

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