Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Eine schnelle Kontaktverfolgung ist das A und O
Gesundheitsamtsleiter Michael Föll: „Haupttreiber der Pandemie sind private Treffen“
AULENDORF/KREIS RAVENSBURG Mit steigenden Corona-Fallzahlen wird auch eine zügige Kontaktverfolgung und eine konsequente Quarantäne der Infizierten sowie der Kontaktpersonen immer wichtiger, um eine völlig hemmungslose Ausbreitung von Sars-CoV-2 möglichst zu verhindern.
Daher arbeitet das Ravensburger Gesundheitsamt zusammen mit den Städten und Gemeinden im Landkreis Ravensburg derzeit wieder unter Hochdruck, auch fünf Bundeswehrsoldaten helfen ab Montag dabei mit.
Dass eine strenge Quarantänepflicht auch für Bürgermeister gilt, zeigte sich am Beispiel von Aulendorfs Rathauschef Matthias Burth, der als Kontaktperson der Kategorie 1 zugeordnet wurde und derzeit noch bis Sonntag von Zuhause aus arbeitet.
Welche Kategorien es gibt, wie lange die Quarantäne je nach Kategorie sein muss und ob sich Betroffene mit einem negativen Text freikaufen dürfen – das erläutert Michael Föll, Leiter des Gesundheitsamts am Ravensburger Landratsamt.
Kontaktperson Kategorie (höheres Infektionsrisiko):
Hier gilt eine 14-tägige Quarantänepflicht. Wie lange die häusliche Isolation konkret sein muss (genaues Datum), ist der schriftlichen Quarantäneverfügung zu entnehmen. Start und Ende der Quarantäne richten sich nach dem Zeitpunkt des Kontakts mit einer infizierten Person (und nicht beispielsweise daran, wann die Person oder ein Amt über den Kontakt informiert hat). Die Anordnung erfolgt durch die Ortspolizeibehörde der Stadt/Gemeinde oder vom Gesundheitsamt.
Häusliche Quarantäne bedeutet: Im Haus beziehungsweise der Wohnung bleiben, kein Einkaufen, keine Spaziergänge, kein Ausführen des Hundes, keinen Besuch empfangen. Zudem wird empfohlen, Abstand zu Familienmitgliedern einzuhalten. Das Haus zu verlassen ist erlaubt für Arztbesuche. Eine Pflicht, sich auf das Coronavirus testen zu lassen, gibt es nicht. Wichtig: Im Unterschied zu Reiserückkehrern aus Risikogebieten verkürzt ein negativer Text „unter keinen Umständen“die 14-tägige Quarantänezeit, erläutert der oberste Amtsarzt im Kreis Ravensburg.
Um in diese Kategorie eingestuft zu werden, muss eine von zwei Bedingungen erfüllt sein:
Direkter Kontakt mit einer corona-positiven Person. Direkt getroffen bedeutet: Ab zwei Tagen vor Symptombeginn (ohne Symptome zählt das Abstrichdatum) der infizierten Person mindestens 15 Minuten „face-toface“-Kontakt (weniger als 1,5 Meter
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Abstand). Meist treffe dies laut Föll auf Hausmitbewohner oder Arbeitskollegen zu (Stichwort Besprechungen ohne ausreichende Schutzmaßnahmen).
Mehr als 30 Minuten im selben Raum mit einer infizierten Person, sofern dieser schlecht belüftet wurde. Dies gilt nach Angaben von Föll auch dann, wenn der Abstand eingehalten wurde und alle im Raum eine Mundund Nasenbedeckung trugen.
Kontaktperson Kategorie 2 (geringeres Infektionsrisiko):
Empfohlen wird ebenfalls eine 14tägige Quarantäne, die jedoch nicht verpflichtend ist. Kontakte sollten minimiert werden und bei Symptomen zügig ein Arzt aufgesucht werden.
Um in diese Kategorie eingestuft zu werden, muss eine von zwei Bedingungen erfüllt sein:
Weniger als 15 Minuten Kontakt zu einer infizierten Person mit weniger als 1,5 Metern Abstand
Weniger als 30 Minuten im selben Raum mit einer infizierten Person
2. 1. 2.
Kontaktperson Kategorie 3 (nur bei medizinischem Personal):
Die Einstufung erfolgt durch spezielle Kriterien wie beispielsweise das Vorhandensein eines relevanten Risikos, jedoch bei ausreichender Schutzkleidung.
Wer positiv auf das Coronavirus getestet wurde oder eine Kontaktperson ist, bekommt einen Anruf vom Gesundheitsamt oder von einem Mitarbeiter der Ortspolizeibehörden der 39 Städte und Gemeinden im Landkreis Ravensburg. Auch die CoronaWarn-App informiert darüber, wenn ein Infektionsrisiko besteht. Vor allem, wenn der Hinweis „hohes Risiko“angezeigt wird, sollte man laut Föll nicht lange warten und zum Arzt gehen. „Es geht bei der Eindämmung der Pandemie und der Kontaktverfolgung um Schnelligkeit“, macht der Epidemiologe oder Ausschüsse
deutlich. Daher sei es zudem auch wichtig, dass die auf das Coronavirus positiv getesteten Menschen auch selbst zügig ihre Kontakte informieren. Im Idealfall laufe dies parallel.
Der Mediziner betont angesichts rasch steigender Fallzahlen, dass das regelmäßige Lüften immer wichtiger werde. Daher wurde die AHA-Formel (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) um die Buchstaben L für Lüften sowie um ein weiteres A für die CoronaWarn-App erweitert (AHALA). „Die Alltagsmaske ist ein sinnvolles Instrument, um die Gesamtzahl der Fälle
zu reduzieren. Im Zusammenspiel mit Abstand und regelmäßigem Lüften wirken die Mund- und Nasenbedeckungen am besten.“Positivbeispiel seien Schulen, da in den Klassenzimmern alle 20 Minuten für mindestens drei Minuten quergelüftet werde (Fenster und Türen auf).
Um weitere Infektionen komplett zu vermeiden, wäre aus rein epidemiologischer Sicht laut Föll ein Lockdown (also eine richtige Ausgangssperre für alle Menschen) für vier Wochen notwendig. Wenn kein Mensch mehr das Haus verlasse, gebe es keine Infektionen mehr. Dies ist aber aus menschlicher, wirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Sicht schwierig, wie der Mediziner unumwunden sagt. „Man muss ja auch noch das Leben aufrechterhalten.“So müsse sorgfältig entschieden werden, was sinnvoll und zumutbar sei und was eben nicht. Die weitere Entwicklung der Pandemie im Landkreis hänge auch sehr vom Einzelnen ab und ob sich jeder an die Regeln halte und vernünftige Entscheidungen treffe, was Kontakte mit anderen Menschen betrifft.
Fest steht nach Angaben des obersten Amtsarztes im Kreis: „Haupttreiber der Pandemie sind private Treffen.“Daher findet Föll die am Mittwoch beschlossenen Maßnahmen im Grundsatz für richtig, obgleich auch andere Einschränkungen hätten getroffen werden können. Das beschlossene Paket sei quasi eine Möglichkeit, andere Optionen seien auch denkbar gewesen. Also beispielsweise Restaurants geöffnet lassen, dafür Schulen schließen. Dies sei aber eine politische Entscheidung, die Föll nicht bewerten will. Wichtig sei, dass überhaupt Einschränkungen beschlossen wurden. Föll nennt das den „notwendigen Versuch der Quadratur des Kreises“, um mit ausreichenden Kontaktbeschränkungen die „Welle zu brechen und gleichzeitig noch gesellschaftliche Belange zu berücksichtigen“.