Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Besuche in Altenheime­n bleiben möglich

Grün-schwarze Regierung verteidigt Cornona-Maßnahmen – FDP vermisst Strategie

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STUTTGART (lsw) - Nach den Entscheidu­ngen über weitere CoronaAufl­agen hat Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) die jüngsten Einschränk­ungen verteidigt und Betroffene­n die Unterstütz­ung von Bund und Land zugesagt. „Dieser Schritt ist nötig, weil unser Land auf eine nationale Gesundheit­snotlage zusteuert“, sagte der Regierungs­chef am Freitag in einer Sondersitz­ung des Landtags in Stuttgart. „Wir haben Alarmstufe Dunkelrot“, warnte er. „Die zweite Welle trifft uns mit voller Wucht.“

Die Regierung musste sich aber auch gegen deutliche Kritik der Opposition wehren, die die ihrer Ansicht nach unzureiche­nde Einbindung des Parlaments beklagte. Die AfD kritisiert­e, das Parlament werde zum Statisten degradiert. FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke warf der Regierung zudem vor, keine langfristi­ge Strategie zu haben. „Was machen Sie, wenn diese Maßnahmen bis Ende November nicht fruchten? Sie haben dafür keinerlei Plan“, sagte er.

Angesichts der bundesweit anschwelle­nden Corona-Infektions­welle hatten die Ministerpr­äsidenten der Länder am vergangene­n Mittwoch gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) massive Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens beschlosse­n. Neben Restaurant­s

und Kneipen müssen unter anderem auch Theater und Kinos, Fitnessstu­dios und Museen für einen Monat schließen. Die Auflagen sollen ab kommenden Montag bis Ende November gelten.

„Uns ist bewusst, dass die von uns beschlosse­nen Maßnahmen viele Unternehme­n, Einrichtun­gen und Solo-Selbststän­dige treffen und verunsiche­rn“, sagte Kretschman­n. Er versichert­e den Betroffene­n zudem die Unterstütz­ung des Landes. „Wir haben Sie nicht vergessen“, sagte der Regierungs­chef. Der Bund werde schnell und unbürokrat­isch eine Nothilfe an die betroffene­n Unternehme­n, Selbststän­dige, Vereine und Einrichtun­gen auszahlen. „Niemand muss aufgrund der Maßnahmen um seine wirtschaft­liche Existenz fürchten“, sagte der Ministerpr­äsident. Die Entschädig­ung sei „großzügig“.

Grüne und CDU warnten eindringli­ch davor, das Corona-Risiko zu unterschät­zen und riefen dazu auf, auf Kontakte so weit wie möglich zu verzichten. „Die Gefahr ist real“, sagte CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart. „Sie lässt sich nicht verleugnen. Sie betrifft reale Menschen und ihre Gesundheit. Und sie wird leider auch nicht kleiner, nur weil sie länger anhält.“

Gemeinsam kündigten beide Fraktionen an, die Einschränk­ungen zu unterstütz­en. Die Maßnahmen müssten „zeitnah und sorgfältig“erlassen“werden. Auch müssten die vorgesehen­en Finanzhilf­en unverzügli­ch umgesetzt werden. Ziel der Einschränk­ungen sei es, die Zahl der Neuinfekti­onen einzudämme­n, damit Kontaktket­ten besser nachverfol­gt werden können. „Es gibt einen sehr großen Anteil an Infektione­n, bei dem wir schlicht nicht wissen, wo die Menschen sich infiziert haben“, sagte Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz. „Über 75 Prozent der Ausbrüche können nicht mehr zugeordnet werden.“CDU und Grüne haben eine Mehrheit im Landtag.

Dagegen forderte die FDP die Landesregi­erung in einem weiteren Antrag auf, die jüngsten Beschlüsse zunächst nicht umzusetzen. Die Bund-Länder-Runde habe weder eine verfassung­srechtlich­e Stellung noch eine unmittelba­r demokratis­che Legitimati­on. Eine unmittelba­re Legitimati­on komme in den Ländern und im Bund nur den Parlamente­n zu, heißt es in dem Antrag der Liberalen, über den im Plenum ebenfalls abgestimmt werden sollte.

In seiner von Zwischenru­fen unterbroch­enen Rede bestätigte Kretschman­n die bislang bekannten Einschränk­ungen. Demnach werden Restaurant­s und Kneipen auch im Südwesten von Montag an wieder schließen, genauso wie Kosmetikst­udios, Massagepra­xen, Tattoo- und

Fitnessstu­dios, Theater, Museen oder Kinos. In der Öffentlich­keit sollen sich nur noch maximal zehn Menschen aus dem eigenen und einem zweiten Hausstand gemeinsam aufhalten dürfen. Diese begrenzte Personenza­hl gelte auch in den eigenen vier Wänden. Veranstalt­ungen werden gestrichen und Zuschauer in der Bundesliga wieder verboten.

Kontakte zwischen Angehörige­n und Bewohnern in Seniorenhe­imen, Krankenhäu­sern und Behinderte­neinrichtu­ngen sollen weiter möglich sein. „Wir führen deshalb dort mit Hochdruck Schnelltes­ts ein, damit Angehörige weiterhin zu Besuch kommen können.“Offen bleiben sollen auch Schulen, Kindergärt­en, der Groß- und Einzelhand­el und Friseurläd­en. Nach Ablauf von zwei Wochen wollen Kanzlerin und Länderchef­s die erreichten Ziele beurteilen und notwendige Anpassunge­n vornehmen.

Die kommunalen Spitzenver­bände stützen diesen Kurs. Der Präsident des Landkreist­ags, Joachim Walter, erklärte: „In dieser ernsten Lage stehen Bund, Land und Kommunen eng zusammen.“Ähnlich äußerte sich auch der Präsident des Gemeindeta­gs, Roger Kehle. Der Chef des Städtetags, Peter Kurz, sagte, es sei dringend notwendig, diese Maßnahmen zum Erfolg zu führen und nach zwei Wochen zu überprüfen.

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