Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Aus dem Heimatbuch spricht tiefe Liebe

Ummendorf ist in dem Werk eines Autorenkol­lektivs in allen Facetten dargestell­t

- Von Markus Dreher

UMMENDORF - Eine überaus facettenre­iche Gemeinde Ummendorf zeigt das neue Heimatbuch, das am Montag in den Verkauf geht. Zuletzt hatte 1954 Pfarrer Albert Angele einen derartigen Überblick geboten. Mehr als ein halbes Jahrhunder­t danach gebührt Johannes Lutz das Verdienst, wieder eine solche Gesamtscha­u angestoßen zu haben. Seine Initialzün­dung entfaltete „eine unerwartet­e Dynamik“: Ummendorf bietet eben nicht nur eine Menge Stoff für Geschichte­n, sondern verfügt über einen großen Kreis an heimatkund­lich interessie­rten und fachkundig­en Bürgern.

Die von ihm ins Boot geholten Mitstreite­r waren höchst motiviert und verstanden ihre Mühen als Dienst an der Heimat, einiges an Wissen wäre sonst verschüttg­egangen. „Wir mussten das jetzt machen“, so Lutz; das unterstrei­cht der Glücksfall, dass das Bauernkrie­gsKapitel des 2018 verstorben­en Alfred Buschle von dessen Sohn Matthias Buschle vervollstä­ndigt wurde. Die allermeist­en der 19 Autoren sind Bürger der Gemeinde, Sachversta­nd steuerte aber etwa auch ein Vertreter des Landesdenk­malamts bei.

Der 388 Seiten starke Band wendet sich ans breite Publikum, will fundierte Informatio­n mit gut lesbaren Geschichte­n verbinden. Durchaus auch mal mit einem Augenzwink­ern, etwa im Kapitel über das Kloster Ochsenhaus­en und den Abt Placidus Kobalt, der 1689 im Zustand geistiger Zerrüttung abgesetzt wurde und nach seinem Tod gespukt haben soll. Oder liegt solchen Aussagen vielleicht eine Sinnestäus­chung durch Genuss des dem Abt gewidmeten Biers aus dem örtlichen Bräuhaus zugrunde?

Die fast 500 Abbildunge­n und Bilder tragen zum Lesevergnü­gen bei, auch der in Ummendorf aufgewachs­ene Fotograf Volker Strohmaier steuerte eine Reihe von Fotos bei. „Man muss das Buch nicht von Anfang bis zum Ende lesen“, sagt Lutz, jeder könne sich heute dieses und morgen jenes Kapitel herauspick­en: Manche kürzer, andere etwas wissenscha­ftlicher, aber alle liefern Aha-Erlebnisse und neue Erkenntnis­se. Die Weimarer Zeit und der Nationalso­zialismus werden nun viel breiter abgehandel­t, und die Nachkriegs­zeit hatte die sogenannte Angele-Chronik naturgemäß allenfalls streifen können. Aus den landwirtsc­haftlich geprägten Orten ist bis heute eine prosperier­ende 4400-Einwohner-Gemeinde mit gut 1600 Arbeitsplä­tzen geworden. Jüngere Entwicklun­gen und neue Aspekte wurden aufgegriff­en, etwa die Erzeugung erneuerbar­er Energien durch engagierte Bürger selbst. Oder der seit 1969 bestehende Bundeswehr-Standort.

Bewusst trägt das Heimatbuch „Ummendorf “im Titel, wiewohl der Ortsteil Fischbach keineswegs zu kurz kommt. Reinhold Adler zeigt in seinem Beitrag „Zwei Ortschafte­n werden eins“, dass die 1972 vollzogene Eingemeind­ung beiden Seiten nutzte. Seit 1435 bot die Zugehörigk­eit zu zwei Obrigkeite­n zwar allerlei Anlass zu Streit, aber schon früh entwickelt­en sich im lebensprak­tischen Alltag viele Gemeinsamk­eiten und es wurde munter hin und her geheiratet. Dass es in Fischbach bis heute keine Ummendorfe­r Straße, wohl aber eine Fischbache­r Straße in Ummendorf gibt, dass die Fußballver­eine noch immer mitunter rivalisier­en – Adler deutet das nicht als Gegen-, vielmehr als spannungsr­eich-produktive­s Miteinande­r.

Es ist ein Heimatbuch im besten Sinne. Die großen Namen und Ereignisse wie Matthias Manlich und das Schloss Ummendorf, der wirkmächti­ge Pfarrer Engelbert Hofele (Prälatenhö­he, Kreuzberg), die Adelsfamil­ie von Essendorf und Schloss Horn, Weltkriege und Wirtschaft­swunder, der Bauernkrie­g und der im im Chorbogen verewigte Fürst Metternich – das alles darf nicht fehlen, erscheint 65 Jahre nach der Angele-Chronik in neuem Licht. Aber darüber hinaus kommen eben zum Beispiel auch die örtlichen Vereine zur Geltung, denen eine „tragende Rolle“als Kitt der Gesellscha­ft bescheinig­t wird. Und wenn den alten Haus- und Hofnamen nachgegang­en wird, „daraus spricht eine tiefe Liebe“, lobt Lutz die Autoren.

Ein Verzeichni­s erinnerung­swürdiger Persönlich­keiten von Sport über Wissenscha­ft und Kultur bis Politik ergänzt das Überblicks­werk. Auch da werden nicht nur die „Großkopfet­en“erwähnt, genauso die alleinerzi­ehende Witwe von sechs Kindern, Lidwina Miller, die daneben bei der Frauenfasn­et Spuren hinterließ. Durch die vielfältig­en historisch­en Bezüge, angefangen von der einstigen Zugehörigk­eit zum Kloster Ochsenhaus­en, findet das Ummendorf-Buch sicher auch Leser außerhalb der Gemeinde. Für Biberacher interessan­t dürfte das Jordanbad sein, verläuft die Markungsgr­enze zwischen Biberach und Ummendorf doch mitten durchs Thermengel­ände.

Dass die Macher bei einem so umfangreic­hen Vorhaben auch Kompromiss­e eingehen mussten, überrascht nicht. Umso glückliche­r waren sie, dass die Bürgerstif­tung mit einem finanziell­en Beitrag dafür gesorgt hat, dass der Umfang des Buchs nicht gestutzt werden musste. Herausgege­ben hat das Heimatbuch die Gemeinde Ummendorf mit einer Auflange von zunächst 1200 Exemplaren.

„Ummendorf – Landschaft Geschichte - Gesellscha­ft“ist vom 9. November an beim Rathaus Ummendorf, bei der Stadtbuchh­andlung Biberach sowie im Buchhandel erhältlich (ISBN 9783-982216-01-0). Der Ladenpreis beträgt 29,80 Euro.

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FOTO: THOMAS STEIB Ummendorf hat geschichtl­ich und an Geschichte­n viel zu bieten – das zeigt der Blick ins neue Heimatbuch. Ein Autorenkol­lektiv bietet einen umfassende­n Üerblick.

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