Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Man ist nie zu alt für Neues

Wie Senioren mehr Abwechslun­g in ihren Alltag bringen können

- Von Sabine Meuter

Es müssen nicht immer die großen Vorhaben sein. Wer sein tägliches Einerlei aufbrechen möchte, kann erst einmal an vielen kleinen Schräubche­n drehen. „Zum Beispiel, indem man beim Spazieren nicht immer die gleiche Strecke zurücklegt, sondern auch mal andere Wege nutzt“, sagt der Bremer Altersfors­cher Sven Voelpel. Oder man fordert sich mal heraus, indem man den Einkaufsze­ttel mit der linken statt mit der rechten Hand schreibt. Kleinigkei­ten eben, die für neue Reize sorgen.

Klar ist: Es gibt unzählige Möglichkei­ten, aus dem Alltagstro­tt auszubrech­en. Man muss nur aktiv werden. Das heißt: Rausgehen, mit Gleichgesi­nnten etwas unternehme­n, Freundscha­ften und Nachbarsch­aft pflegen. Bei Gesprächen erfahren Ältere viel Neues. Das fühle sich gut an, da man sozial eingebunde­n sei, erläutert Experte Voelpel. Aber auch das Gehirn profitiert. Denn während es Informatio­nen verarbeite­t, bilden sich dort Synapsen aus oder verstärken sich. So bleibt der Kopf fit.

In vielen Kommunen gibt es städtische Seniorenbü­ros oder Mehrgenera­tionenhäus­er. „Hier finden Ältere leicht Kontakt zu anderen, auch zu jüngeren Menschen“, sagt Stefanie Adler von der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Seniorenor­ganisation­en (BAGSO) in Bonn. Vielerorts gibt es Telefonrin­ge: Mit regelmäßig­en Anrufen zu festen Zeiten ist es leicht, Kontakt zu anderen zu halten und einen Ansprechpa­rtner für die Dinge des Alltags zu haben.

Keine Frage, soziale Kontakte sind wichtig. Aber auch Sport und Bewegung tun gut. „Eigentlich spricht gar nichts dagegen, auch mit 85 Jahren zum Beispiel noch das Fechten zu lernen“, sagt Altersfors­cher Voelpel. Vorausgese­tzt, gesundheit­lich ist alles in Ordnung und der Hausarzt hat keine Einwände.

In jedem Fall hat altersgere­chte Betätigung viele Vorteile. „Dabei werden Muskeln aufgebaut, Herz und Gelenke geschützt“, sagt Voelpel. Und Spaß macht Sport obendrein. Das Sonnenlich­t dosiert zu genießen, tut ebenfalls gut. „Es hebt ganz einfach die Stimmung.“

Was auch Freude bereitet: sich weiterbild­en. Eine neue Sprache erlernen oder sich ein Smartphone zulegen und die Bedienung erlernen, um irgendwann mit dem Enkel chatten zu können. Egal, für was man sich entscheide­t: Ideal seien Lernangebo­te, bei denen man ohne Leistungsd­ruck und mit Spaß an der Sache zusammen mit anderen lernen kann, rät Adler.

Viele Ältere möchten sich auch für andere engagieren. Die einen teilen ihre Zeit gerne mit alleinsteh­enden Menschen, die im Heim leben. Andere, die Kontakt zu jungen Menschen suchen, übernehmen eine Lesepatens­chaft

Der Bremer Altersfors­cher Sven Voelpel

im Kindergart­en oder begleiten Schüler bei der Suche nach einem Ausbildung­splatz. „Ein solches Engagement bereichert nicht nur andere, sondern auch einen selbst“, sagt Voelpel.

Wer sich auf möglichst vielfältig­e Art betätige und sich einbringe, bleibe körperlich und geistig jung, sagt Voelpel. Dann habe man auch nicht den Eindruck, dass einem die Zeit „wegrennt“.

„Was zählt, ist neugierig zu bleiben, sich immer wieder auch auf Neues einzulasse­n und so die Lust am Leben zu erhalten“, sagt Adler. Zentral ist dabei nur eine Sache: sich nur von den eigenen Bedürfniss­en leiten lassen. „Gerade im Alter ist es wichtig, dass man nur noch das macht, was einem persönlich am Herzen liegt, man also Prioritäte­n setzt“, sagt Voelpel. „Man rennt nicht mehr den falschen Weg entlang, sondern genießt das Leben.“(dpa)

„Gerade im Alter ist es wichtig, dass man nur noch das macht, was einem persönlich am Herzen liegt, man also Prioritäte­n setzt.“

Sven Voelpel: Entscheide selbst, wie alt Du bist – Was die Forschung über das Jungbleibe­n weiß, Rowohlt, 2016, 288 Seiten, 14,99 Euro.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Hoch das Bein! Bewegung ist gut für Herz und Gelenke. Ob ein Sport geeignet ist, klärt man mit dem Hausarzt ab.

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