Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ins Ausland trotz Corona

Junge Leute können auch in der Pandemie als Freiwillig­e aktiv sein

- Von Jana-Sophie Brüntjen

Eigentlich wollte sie gar nicht nach Rumänien. Sie wollte nach Äthiopien, einmal in dem Land leben, in dem sie bislang nur Verwandte besucht hatte. Die Corona-Pandemie aber nahm Saba Gebreyesus die Chance, für ihr Freiwillig­enjahr nach Afrika zu reisen. Als dann das Angebot kam, für ein Jahr am Goethe-Institut in Bukarest zu arbeiten, nahm sie es sofort an und reiste Mitte Oktober hin. „Corona hat schon so viel verbaut“, sagt die Studentin der Sprechwiss­enschaft aus Halle an der Saale. Ihre letzte Möglichkei­t für ein Freiwillig­enjahr habe sie sich nicht entgehen lassen wollen.

Gebreyesus ist 26 Jahre alt. Älter dürfen Teilnehmen­de am Freiwillig­endienst „kulturweit“, der ihren Auslandsau­fenthalt organisier­t hat, nicht sein. „Kulturweit“wurde von der Deutschen Unesco-Kommission und dem Auswärtige­n Amt gegründet und vermittelt junge Menschen an Kultur- und Bildungsei­nrichtunge­n in Entwicklun­gsländern, in Osteuropa und in GUS-Staaten – zumindest in normalen Zeiten.

„Aktuell senden wir die Freiwillig­en nur in EU-Länder in Osteuropa“, sagt die Leiterin des Dienstes, Anna

Veigel. Die Wege seien so kürzer, im Notfall könnten die jungen Frauen und Männer auf dem Landweg heimfahren. Zudem sei die Auswahl der Stellen sehr streng: „Wir schauen uns die Situation vor Ort genau an und achten besonders darauf, dass es eine ausreichen­de Gesundheit­sversorgun­g gibt“, sagt sie. Visa-Beschränku­ngen dürfe es nicht geben. Es seien Entscheidu­ngen von einem Tag auf den nächsten. „Es kann sein, dass wir jemanden übermorgen zurückhole­n“, sagt sie. Oberste Priorität hätten immer Sicherheit und Gesundheit der Freiwillig­en.

Ähnlich handhaben es die Verantwort­lichen von „weltwärts“, dem Freiwillig­endienst des Bundesentw­icklungsmi­nisteriums, wie Sprecherin Adelheid Schultze sagt. Seit dem 1. November könnten junge Menschen in Länder ausreisen, für die es keine Reisewarnu­ng oder Einreisebe­schränkung­en gibt, in denen ein Zugang zu einem nicht überlastet­en Gesundheit­ssystem besteht, zumutbare Quarantäne­bedingunge­n gelten und zu denen Flüge verfügbar sind. Das Programm sei seit Beginn der Pandemie nie vollständi­g ausgesetzt gewesen, sagt Schultze. Zudem sei es möglich, dass die jungen Menschen ihren Dienst vor der Ausreise in Deutschlan­d beginnen und dann im Ausland fortsetzen.

Solche Erfahrunge­n hat auch „kulturweit“-Leiterin Veigel gemacht. Als die Freiwillig­en im Frühjahr nach Deutschlan­d zurückgeho­lt wurden, hätten danach viele im Homeoffice weitergear­beitet, sagt sie. Der Mehrwert des Programms bleibe gleich, schließlic­h laufe auch der Betrieb bei den Partnerorg­anisatione­n weiter. Allerdings gehe es bei dem Dienst „vor allem ums Miterleben und Mitarbeite­n“

– und diese Erfahrunge­n machten die Freiwillig­en vor Ort intensiver.

Voraussetz­ung sei, dass die jungen Menschen die Regeln in den Gastländer­n „akribisch einhalten“, betont Veigel. In Rumänien gebe es inzwischen sehr strenge Corona-Maßnahmen, sagt Studentin Gebreyesus. Masken müssten überall außerhalb der Wohnung getragen werden, die Innenberei­che von Bars, Kneipen und Cafés seien geschlosse­n. Vieler ihrer Kolleginne­n und Kollegen arbeiteten vorwiegend im Homeoffice, die anderen lerne sie nur nach und nach kennen. Trotzdem möchte sie bleiben. Nach Halle würde sie nur zurückgehe­n, „wenn hier ein richtiger Lockdown wäre“, sagt Gebreyesus. Bis dahin verhalte sie sich so verantwort­ungsvoll wie möglich.

Unter diesen Umständen hält es Anna Veigel für vertretbar, Freiwillig­e zu entsenden. Es sei auch während einer Pandemie wichtig, sich über Grenzen hinweg auszutausc­hen und internatio­nale Netzwerke aufzubauen. „Diese Aufgabe fällt trotz Corona nicht weg.“(epd)

Internet: www.kulturweit.de www.weltwaerts.de

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA In Zeiten von Corona kann man den Freiwillig­endienst notfalls in Deutschlan­d beginnen und dann im Ausland fortsetzen.

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