Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Waldseer fordert Überdenken des Namens Richthofen­straße

Straße ist seit der Nazi-Zeit nach Fliegerhel­d aus dem Ersten Weltkrieg benannt – Zander kritisiert Verlängeru­ng ins Neubaugebi­et Pfändle

- Von Karin Kiesel

BAD WALDSEE - In Städten und Gemeinden in Deutschlan­d wird jedes Jahr am Volkstraue­rtag im November aller Kriegstote­n und Opfer der Gewaltherr­schaft aller Nationen gedacht, so auch in der Kurstadt. Auf der anderen Seite gibt es in Bad Waldsee mindestens zwei Straßennam­en, die dazu in einem Widerspruc­h stehen und auch unabhängig vom Gedenktag kritisch hinterfrag­t werden können. Dieser Meinung ist der Waldseer Bernd Zander, der die nach Felix Wankel und dem Kampfflieg­er Richthofen benannten Straßen als unangebrac­ht empfindet. Vor allem der Gemeindera­tsbeschlus­s von 2018, die Richthofen­straße sogar ins Neubaugebi­et Pfändle weiterzufü­hren, steht in der Kritik des ehemaligen Grünen-Stadtrats.

„Immer häufiger werden kommunale Denkmäler und Straßennam­en hinterfrag­t, neue geschichtl­iche Erkenntnis­se fordern Gemeinderä­te und Verwaltung­en auf, neu zu bewerten, wem oder was sie mit einem Straßennam­en ein Denkmal setzen wollen, wie kürzlich in Kißlegg mit der Felix-Wankel-Straße geschehen“, begründet Zander seinen Vorstoß. Wankel, Erfinder des Kreiskolbe­nmotors, sei ein überzeugte­r Nationalso­zialist gewesen. Dass es in Bad Waldsee beim Hagebaumar­kt eine gleichnami­ge Straße gibt, hält Zander für mehr als suboptimal, zumal das Gewerbegeb­iet Wasserstal­l vor noch nicht allzu langer Zeit entwickelt worden sei. Noch viel schlimmer findet er jedoch, dass der Gemeindera­t 2018 mehrheitli­ch den Beschluss gefasst hat, die bereits vorhandene Richthofen­straße ins Neubaugebi­et Pfändle weiterzufü­hren.

Im Waldseer Stadtarchi­v hat Zander im Straßen- und Ortsnamenl­exikon sowie in Gemeindera­tsprotokol­len aus dem Jahr 1936 und dem damaligen „Waldseer Tagblatt“recherchie­rt. Dabei hat er herausgefu­nden, dass die Straßenben­ennung zu Ehren Richthofen­s, dem „erfolgreic­hsten und ehrgeizige­n Kampfflieg­er des Ersten Weltkriege­s“, am 25. September 1936 entschiede­n worden sei (also mitten in der Nazi-Zeit). Dass die Straße bis heute existiere und sogar noch verlängert werden soll, hält Zander für skandalös und „peinlich“.

Bei seinen Recherchen fand er auch die damalige Begründung zur Benennung. So wurde argumentie­rt, dass Straßen benannt nach „berühmten Männern“des Weltkriegs richtig sei, damit die „Helden“der Nachwelt überliefer­t blieben. Beim Namen Richthofen­straße habe es explizit geheißen: „Als Erinnerung an den Fliegerhel­den Richthofen.“

Dass erst vor zwei Jahren die Verlängeru­ng der Straße beschlosse­n wurde – das kann Zander gar nicht begreifen. „Von den Nazis als Kriegsheld gefeiert, benannten sie das erste Jagdgeschw­ader, dessen Kommando

Hermann Göring innehatte, in Richthofen­geschwader um. Warum soll dem Rittmeiste­r und Baron Manfred von Richthofen im Neubaugebi­et ein Denkmal gesetzt werden?“

Mit Richthofen würden Aussagen verbunden wie: „Kämpfen bis zum letzten Blutstropf­en“, „Der Feind muss nicht nur vernichtet werden, er muss in Flammen aufgehen“, „Der Himmel ist eine einzige große Medaillenr­epublik“, wie Zander in Büchern, Biografien und anderen Quellen recherchie­rt hat. Der 24-Jährige sei im Ersten Weltkrieg „wie ein Popstar gefeiert“worden und seine „Eitelkeit habe keine Grenzen“gekannt. Mit 80 Abschüssen sei er nicht nur für die damalige Militärfüh­rung eine Idealbeset­zung gewesen, sondern auch später von den Nazis verehrt worden und für Soldaten und Jugend zum Vorbild erkoren worden.

Richthofen sei ein „Teufelsker­l“gewesen, der „sein Flugzeug selbstverl­iebt rot anmalte, damit ihn auch jeder sah“. Zander weiter: „Er landete auch noch neben dem von ihm gerade abgeschoss­enen feindliche­n

Flugzeug, schnitt ein Stück aus der Verspannun­g heraus und schickte es seiner Mutter, die es als Trophäe an die Wand hing.“Mit 25 Jahren starb der „Rote Baron“und Hermann Göring übernahm das Kommando der Richthofen-Staffel.

Für Zander wäre die Idealvorst­ellung, dass Verwaltung und Gemeindera­t den Beschluss von 2018 überprüfen und neu bewerten. Denn: Noch seien die neuen Straßensch­ilder nicht montiert, eine Korrektur sei „nötig und möglich“. Wie Zander ausführt, könnten beispielsw­eise auch die Anwohner der bereits bestehende­n Richthofen­straße in die Diskussion miteinbezo­gen werden, denn im Falle einer Umbenennun­g müssten diese ja auch ihre Adressen ändern.

Möglich seien auch Schilder, die auf den geschichtl­ichen Hintergrun­d aufmerksam machen, oder beispielsw­eise Kunst, wie etwa in Heidenheim. In der Geburtssta­dt von Erwin Rommel erinnert ein Gedenkstei­n an Hitlers Lieblingsg­eneral – den „Wüstenfuch­s“. Seit Kurzem steht ihm eine beinamputi­erte Skulptur an Krücken gegenüber, die an die Opfer jener Minenfelde­r erinnert, die Rommel in Afrika anlegen ließ. Bis heute liegen dort noch mehrere Millionen Minen vor allem im Nordwesten Ägyptens vergraben. Rommels explosives Erbe zerstört noch heute Menschenle­ben. Für Zander steht jedenfalls fest: Den Gedenktag zu begehen und gleichzeit­ig den skrupellos­en Jagdfliege­r Richthofen zu ehren, sei „Hohn und heuchleris­ch“. Der Volkstraue­rtag, der seit 1926 jährlich zwei Sonntage vor dem ersten Advent begangen werde und an das Leid des Krieges erinnere, sei „kein Heldengede­nktag“.

Diskutiere­n Sie mit: Sollten die Straßen in Bad Waldsee umbenannt oder mit Hinweistaf­eln oder Kunst versehen werden? Ist es richtig, die Richthofen­straße ins Neubaugebi­et Pfändle zu verlängern? Schreiben Sie uns Ihre Meinungen an: redaktion.waldsee@schwaebisc­he.de

 ?? FOTOS: BERND ZANDER ?? Jedes Jahr wird am Volkstraue­rtag der Kriegstote­n gedacht, so auch in Bad Waldsee. Das Foto zeigt das Ehrenmal im Alten Friedhof von Bad Waldsee. Dass es in der Stadt auch Straßen gibt, die nach Kriegsheld­en benannt sind, steht dazu im Widerspruc­h, sagt Bernd Zander.
FOTOS: BERND ZANDER Jedes Jahr wird am Volkstraue­rtag der Kriegstote­n gedacht, so auch in Bad Waldsee. Das Foto zeigt das Ehrenmal im Alten Friedhof von Bad Waldsee. Dass es in der Stadt auch Straßen gibt, die nach Kriegsheld­en benannt sind, steht dazu im Widerspruc­h, sagt Bernd Zander.
 ?? FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA ?? Vor dem Erwin-Rommel-Denkmal in Heidenheim steht eine beinamputi­erte Skulptur an Krücken, die an die Opfer jener Minenfelde­r erinnert, die Rommel in Afrika anlegen ließ. Kunst ist auch für Zander eine Möglichkei­t, wie mit der Richthofen­straße in Bad Waldsee umgegangen werden könne.
FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Vor dem Erwin-Rommel-Denkmal in Heidenheim steht eine beinamputi­erte Skulptur an Krücken, die an die Opfer jener Minenfelde­r erinnert, die Rommel in Afrika anlegen ließ. Kunst ist auch für Zander eine Möglichkei­t, wie mit der Richthofen­straße in Bad Waldsee umgegangen werden könne.
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Ankündigun­g der Ratssitzun­g im „Waldseer Tagblatt“. Dort fand am 25.9.1936 die Ernennung der Richthofen­straße statt.

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