Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Mit der Krebspest im Reisegepäck
Eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten rund um Leutkirch
LEUTKIRCH - Globale Warenströme, der Klimawandel, illegale Aussetzungen, die erfolgreiche Flucht über den Gartenzaun oder aus Zuchtbetrieben – die Gründe für die Ansiedlung fremdländischer Tier- und Pflanzenarten in Deutschland sind vielfältig. Welcher dieser Neozoen (ortsfremde Tiere) und Neophyten (ortsfremde Pflanzen) es rund um Leutkirch gibt und welche teils dramatischen Folgen das für die heimische Tier- und Pflanzenwelt hat, erklärt Michael Krumböck, Umweltbeauftragter der Stadt.
„Im gesamten Gewässersystem von Leutkirch gibt es wahrscheinlich keine einheimischen Krebse mehr“, so Krumböck. Schuld daran sei ein Einwanderer, der amerikanische Signalkrebs. Er trägt den Erreger für eine aggressive Krebspest in sich, gegen die er selbst resistent ist – an der die einheimischen Edelkrebse allerdings sterben. Krumböck erzählt, dass die Krebse wohl vor mehreren Jahrzehnte aus einer Krebszucht im Einzugsbereich des Stadtweihers ausgebüxt seien. Besonders bitter: Über die Eschach und die Wurzacher Ach sind die Signalkrebse auch bis nach Bad Wurzach gelangt. Die Riedstadt hat den deutschen Edelkrebs als Wappentier. Wie der dortige Naturschutzleiter Horst Weisser bestätigt, kommt das Wappentier dort nun schon länger nicht mehr vor.
Ein weiterer Neozoon, auf den man ebenfalls im Bereich der Eschach oder der Wurzacher Ach treffen kann, ist der Bisam. „Seit der Biber wieder da ist, ist er ein bisschen aus dem Fokus geraten“, sagt Krumböck. Da sei er aber nach wie vor. Problematisch bei dem Einwanderer aus Nordamerika sei, dass er durch seine Grabungen auch Hochwasserdämme beschädigen kann.
Einer der erfolgreichsten tierischen Neubürger in Deutschland dagegen, der Waschbär, ist in Leutkirch noch nicht gesichtet worden, so Krumböck. Es sei zwar mal bei Aichstetten ein Exemplar überfahren worden, aber das sei schon mehrere Jahre her. Wie der Bisam, und etwa auch der Marderhund, wurde auch der Waschbär in Europa teils bewusst ausgesetzt, teils ist er aus Gehegen entkommen.
Hauptsächlich aus Zuchtbetrieben stammen auch exotische Vögel wie die Kanadagans, die Nilgans oder die Mandarinente. Bei den Fischen
sind Neozoen wie die Regenbogenforelle aus Nordamerika, die teils die heimische Bachforelle verdrängt, oder der Graskarpfen aus China dagegen bewusst in die Gewässer eingesetzt worden. Wie genau sich die Spanische Wegschnecke, eine Nacktschnecke, schlagartig über ganz Westeuropa ausgebreitet hat, ist dagegen nicht bekannt, sagt Krumböck. Für Gartenbesitzer ist dieser Neozoon „eine Katastrophe“.
Ebenfalls große Schäden richtet der aus Ostasien stammende Buchsbaumzünsler, beziehungsweise dessen Raupen, an. „Man muss befürchten, dass der Buchs größtenteils verschwinden wird“, so Krumböck. Auch hier sei nicht bekannt, über welchen Weg das Insekt nach Europa gekommen ist. Grundsätzlich sei das durch die heutigen globalen Warenströme aber natürlich um ein vielfaches einfacher, als früher bei einem Transport über die Seidenstraße, betont der Umweltbeauftragte.
Definitiv auf den Klimawandel zurückführen lasse sich dagegen die Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke, ursprünglich beheimatet in den südostasiatischen Tropen und Subtropen. Sie gilt als Überträger gefährlicher Krankheiten. Bisher, so Krumbück, sei diese Art aber rund um Leutkirch noch nicht beobachtet worden. Befürchtet werde aber, dass sich durch die wärmeren Temperaturen in Zukunft neben der Tigermücke auch exotische Zeckenarten, mit gefährlichen Krankheitserregern, in den hiesigen Breitengraden ansiedeln könnten. Auch im Bereich der Pflanzen gibt es zahlreiche eingeschleppte Arten, die auch rund um Leutkirch anzutreffen sind, erklärt Krumböck. Am bekanntesten ist dabei sicher das Indische Springkraut, das ursprünglich als Gartenpflanzen nach Europa gebracht wurde und irgendwann den „Sprung über den Gartenzaun“geschafft hat. Begünstigt worden sei die Ausbreitung früher vor allem durch im Wald abgelagerte Gartenabfälle.
Weitere fremdländische Pflanzen seien unter anderem auch Staudenknöterich, Ambrosia, die Rosskastanie – und die Kanadische Wasserpest, die das Abflussverhalten von Gewässern stark verändern kann. Neophyten wie der Riesen-Bärenklau oder Goldruten seien teils bewusst als Nahrungsquelle für Bienen angepflanzt worden. Zu den neuen Arten gehöre auch das Falsche Weiße Stängelbecherchen; ein Pilz, der für das Eschentriebsterben verantwortlich ist. Problematisch bei solchen neuen Tier- oder Pflanzenarten sei, neben anderen Auswirkungen, so gut wie immer, dass sie heimische Arten verdrängen, sagt Krumböck. Grundsätzlich müsse man sich aber auch bewusst sein, dass es eine gewisse Veränderung immer gibt. So sei Europa nach der letzten Eiszeit deutlich artenärmer gewesen als heutzutage.