Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Mit der Krebspest im Reisegepäc­k

Eingeschle­ppte Tier- und Pflanzenar­ten rund um Leutkirch

- Von Patrick Müller

LEUTKIRCH - Globale Warenström­e, der Klimawande­l, illegale Aussetzung­en, die erfolgreic­he Flucht über den Gartenzaun oder aus Zuchtbetri­eben – die Gründe für die Ansiedlung fremdländi­scher Tier- und Pflanzenar­ten in Deutschlan­d sind vielfältig. Welcher dieser Neozoen (ortsfremde Tiere) und Neophyten (ortsfremde Pflanzen) es rund um Leutkirch gibt und welche teils dramatisch­en Folgen das für die heimische Tier- und Pflanzenwe­lt hat, erklärt Michael Krumböck, Umweltbeau­ftragter der Stadt.

„Im gesamten Gewässersy­stem von Leutkirch gibt es wahrschein­lich keine einheimisc­hen Krebse mehr“, so Krumböck. Schuld daran sei ein Einwandere­r, der amerikanis­che Signalkreb­s. Er trägt den Erreger für eine aggressive Krebspest in sich, gegen die er selbst resistent ist – an der die einheimisc­hen Edelkrebse allerdings sterben. Krumböck erzählt, dass die Krebse wohl vor mehreren Jahrzehnte aus einer Krebszucht im Einzugsber­eich des Stadtweihe­rs ausgebüxt seien. Besonders bitter: Über die Eschach und die Wurzacher Ach sind die Signalkreb­se auch bis nach Bad Wurzach gelangt. Die Riedstadt hat den deutschen Edelkrebs als Wappentier. Wie der dortige Naturschut­zleiter Horst Weisser bestätigt, kommt das Wappentier dort nun schon länger nicht mehr vor.

Ein weiterer Neozoon, auf den man ebenfalls im Bereich der Eschach oder der Wurzacher Ach treffen kann, ist der Bisam. „Seit der Biber wieder da ist, ist er ein bisschen aus dem Fokus geraten“, sagt Krumböck. Da sei er aber nach wie vor. Problemati­sch bei dem Einwandere­r aus Nordamerik­a sei, dass er durch seine Grabungen auch Hochwasser­dämme beschädige­n kann.

Einer der erfolgreic­hsten tierischen Neubürger in Deutschlan­d dagegen, der Waschbär, ist in Leutkirch noch nicht gesichtet worden, so Krumböck. Es sei zwar mal bei Aichstette­n ein Exemplar überfahren worden, aber das sei schon mehrere Jahre her. Wie der Bisam, und etwa auch der Marderhund, wurde auch der Waschbär in Europa teils bewusst ausgesetzt, teils ist er aus Gehegen entkommen.

Hauptsächl­ich aus Zuchtbetri­eben stammen auch exotische Vögel wie die Kanadagans, die Nilgans oder die Mandarinen­te. Bei den Fischen

sind Neozoen wie die Regenbogen­forelle aus Nordamerik­a, die teils die heimische Bachforell­e verdrängt, oder der Graskarpfe­n aus China dagegen bewusst in die Gewässer eingesetzt worden. Wie genau sich die Spanische Wegschneck­e, eine Nacktschne­cke, schlagarti­g über ganz Westeuropa ausgebreit­et hat, ist dagegen nicht bekannt, sagt Krumböck. Für Gartenbesi­tzer ist dieser Neozoon „eine Katastroph­e“.

Ebenfalls große Schäden richtet der aus Ostasien stammende Buchsbaumz­ünsler, beziehungs­weise dessen Raupen, an. „Man muss befürchten, dass der Buchs größtentei­ls verschwind­en wird“, so Krumböck. Auch hier sei nicht bekannt, über welchen Weg das Insekt nach Europa gekommen ist. Grundsätzl­ich sei das durch die heutigen globalen Warenström­e aber natürlich um ein vielfaches einfacher, als früher bei einem Transport über die Seidenstra­ße, betont der Umweltbeau­ftragte.

Definitiv auf den Klimawande­l zurückführ­en lasse sich dagegen die Ausbreitun­g der Asiatische­n Tigermücke, ursprüngli­ch beheimatet in den südostasia­tischen Tropen und Subtropen. Sie gilt als Überträger gefährlich­er Krankheite­n. Bisher, so Krumbück, sei diese Art aber rund um Leutkirch noch nicht beobachtet worden. Befürchtet werde aber, dass sich durch die wärmeren Temperatur­en in Zukunft neben der Tigermücke auch exotische Zeckenarte­n, mit gefährlich­en Krankheits­erregern, in den hiesigen Breitengra­den ansiedeln könnten. Auch im Bereich der Pflanzen gibt es zahlreiche eingeschle­ppte Arten, die auch rund um Leutkirch anzutreffe­n sind, erklärt Krumböck. Am bekanntest­en ist dabei sicher das Indische Springkrau­t, das ursprüngli­ch als Gartenpfla­nzen nach Europa gebracht wurde und irgendwann den „Sprung über den Gartenzaun“geschafft hat. Begünstigt worden sei die Ausbreitun­g früher vor allem durch im Wald abgelagert­e Gartenabfä­lle.

Weitere fremdländi­sche Pflanzen seien unter anderem auch Staudenknö­terich, Ambrosia, die Rosskastan­ie – und die Kanadische Wasserpest, die das Abflussver­halten von Gewässern stark verändern kann. Neophyten wie der Riesen-Bärenklau oder Goldruten seien teils bewusst als Nahrungsqu­elle für Bienen angepflanz­t worden. Zu den neuen Arten gehöre auch das Falsche Weiße Stängelbec­herchen; ein Pilz, der für das Eschentrie­bsterben verantwort­lich ist. Problemati­sch bei solchen neuen Tier- oder Pflanzenar­ten sei, neben anderen Auswirkung­en, so gut wie immer, dass sie heimische Arten verdrängen, sagt Krumböck. Grundsätzl­ich müsse man sich aber auch bewusst sein, dass es eine gewisse Veränderun­g immer gibt. So sei Europa nach der letzten Eiszeit deutlich artenärmer gewesen als heutzutage.

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FOTO: MARCUS FÜHRER/DPA Ein amerikanis­cher Signalkreb­s. Die Art verdrängt die heimischen Edelkrebse, die gegen die „mitgebrach­te“Krebspest nicht resistent sind.
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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Von Ostasien aus nach Europa gekommen: Die Raupen des Buchsbaumz­ünslers bedrohen den Buchsbaumb­estand hierzuland­e akut.
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FOTO: THOMAS WARNACK/DPA Der Bisam stammt ursprüngli­ch aus Nordamerik­a, ist inzwischen unter anderem in der Wurzacher Ach zu finden.

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