Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wahlkampfa­ufkleber der Linken: Polizei ermittelt Verdächtig­e

Junge Frau aus Weingarten bestreitet die Tat – Staatsanwa­ltschaft klagt wegen Sachbeschä­digung

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - In den mysteriöse­n Fall der Wahlkampfa­ufkleber der Partei „Die Linke“, die im Frühjahr im Weingarten­er Stadtgebie­t angebracht wurden, kommt Bewegung. So hat die Polizei eine 19 Jahre alte Tatverdäch­tige ermittelt und den Fall an die Ravensburg­er Staatsanwa­ltschaft übergeben. Da Oberstaats­anwalt

Wolfgang Angster einen hinreichen­den Tatverdach­t sieht, hat er Anklage wegen Sachbeschä­digung erhoben. Diese wurde vom Amtsgerich­t Ravensburg zugelassen, sodass der Fall nun zeitnah verhandelt werden soll.

So wird der jungen Frau aus Weingarten vorgeworfe­n, dass sie mehrere Dutzend der grellgelbe­n Aufkleber mit der Aufschrift „Zweitstimm­e zählt. Die Linke.“an Straßenlat­ernen, Zigaretten­automaten, Stromkäste­n oder Bushaltest­ellen angebracht haben soll. Da sich die Aufkleber – die aus dem Bundestags­wahlkampf 2017 stammen, aber damals nicht von den Ravensburg­er Linken verwendet wurden – sich nur schwer oder gar nicht vom jeweiligen Untergrund lösen lassen, entstand ein erhebliche­r Sachschade­n.

Erstmals waren die Aufkleber im April dieses Jahres entdeckt worden. Im Juni hatte der Kreisvorst­and der Ravensburg­er Linken Anzeige gegen Unbekannt erstattet und sich an die Öffentlich­keit gewandt. „Was hier passiert, ist mehr als dreist. Im gesamten Stadtgebie­t wurden widerwilli­g Wahlauffor­derungen von der letzten Bundestags­wahl unserer Partei auf Laternen geklebt, die nicht von uns stammen“, hatte Kreisvorsi­tzende Jasmin Runge erklärt. „Hier möchte jemand bewusst erreichen, dass wir für diese Sachbeschä­digung und damit auch aufwendige Entfernung der Aufkleber zur Kasse gebeten werden.“

Ein solches oder aber auch anderes Motiv kann der Oberstaats­anwalt nicht bestätigen, da die Tatverdäch­tige bestreitet, etwas mit der Tat zu tun zu haben. Auch gebe es aktuell keine Hinweise, dass die 19-Jährige zu politische­n Gegnern der Linken gehöre. Dass Angster dennoch Anklage erhoben hat, hängt vor allem mit einer „sehr glaubhafte­n“Zeugenauss­age zusammen. Dieser Zeuge hatte sich nach einem Bericht bei der „Schwäbisch­en

Zeitung“gemeldet und sehr konkrete Hinweise auf die nun angeklagte junge Frau gegeben. Auch hatte er sich bereit erklärt, dass seine Personalie­n an die Polizei weitergege­ben werden, sodass er dort offiziell eine Zeugenauss­age machte.

Erst dadurch rückte die junge Frau, die bislang polizeilic­h nur geringfügi­g in Erscheinun­g getreten ist, in den Fokus der Ermittlung­en, die von der Polizei in Weingarten geleitet und vom Staatsschu­tz begleitet wurden. Neben der Vernehmung der Beschuldig­ten fand auch eine Hausdurchs­uchung statt. Dort konnten weitere Indizien gesammelt werden. „Wir haben keine ganzen Stapel an Aufklebern gefunden. Nur an einem Stuhl war ein Aufkleber angebracht“, sagt Angster.

Und doch reicht das dem Oberstaats­anwalt. Schließlic­h handelt es sich bei Sachbeschä­digung nicht nur um eine Lappalie, sondern eine Straftat. Das hatte auch die Stadt Weingarten im Sommer hervorgeho­ben, als das städtische Ordnungsam­t sich mit dem Fall befasste. „Es handelt sich bei einer Sachbeschä­digung im Sinne

des Paragraf 303 StGB um eine Straftat und nicht um eine Ordnungswi­drigkeit. Daher sprechen wir hier auch nicht von der Höhe eines vermeintli­chen Bußgeldes, sondern von der Höhe des Strafmaßes“, hatte die städtische Pressestel­le seinerzeit mitgeteilt.

Tatsächlic­h kann bei Sachbeschä­digung eine empfindlic­he Strafe drohen. Von einer Geldstrafe bis zu einer zweijährig­en Haftstrafe ist bei Erwachsene­n theoretisc­h alles möglich.

Im konkreten Fall ist das aber eher unrealisti­sch, zumal bei der Verhandlun­g noch geprüft werden muss, ob – wiederum im Falle einer Verurteilu­ng – nicht das Jugendstra­fmaß angewendet wird. Schließlic­h war die Beschuldig­te zum Tatzeitpun­kt erst 18 Jahre alt. Sollte eine Reifeverzö­gerung festgestel­lt werden, könnte das Jugendstra­fmaß angewendet werden, welches beispielsw­eise auch abzuleiste­nde Arbeitsstu­nden vorsieht.

Die öffentlich­e Verhandlun­g solam 24. November vor dem Amtsgerich­t Ravensburg stattfinde­n.

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ARCHIVFOTO: OLLI Mehrere Dutzend Aufkleber wurden im Stadtgebie­t angebracht.

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