Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Gemeinsam gegen Terror
EU-Innenminister einigen sich auf engere Vernetzung
BRÜSSEL - Mit zweistündiger Verspätung starteten die EU-Innenminister am Freitag ihre Videokonferenz. Grund dafür waren die Gedenkfeiern anlässlich des fünften Jahrestages der Pariser Terroranschläge kurz zuvor. Man sei heute deutlich besser gegen derartige Terrorattacken gerüstet, betonte die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson. Der Informationsaustausch müsse noch besser werden, verlangte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) als amtierender Ratspräsident. Er sagte aber auch: „Wenn Europa bei der Gefahrenabwehr zusammenarbeitet, sind wir eine Supermacht.“
Ursprünglich hatten sich die Minister ausschließlich mit dem Vorschlag der Kommission befassen wollen, die Migrationsströme in Europa neu zu ordnen, die Lasten gerechter zu verteilen und die Außengrenzen besser zu sichern. Nach den islamistisch motivierten Anschlägen in einem Pariser Vorort Mitte Oktober und in Wien vor wenigen Tagen drängten die betroffenen Regierungen aber auf eine gemeinsame politische Erklärung. Noch kurz vor Beginn des Innenministertreffens wurde um einzelne Formulierungen gerungen.
In der von Frankreich und Österreich vorgeschlagenen Version wird unter der Überschrift „Religionsfreiheit, Islam, Kampf gegen den Islamismus“vor der Instrumentalisierung des Glaubens für terroristische Zwecke gewarnt. In der am Freitag verabschiedeten Fassung fehlt der Bezug auf Islam und Islamismus. Das Kapitel heißt jetzt schlicht „Religionsfreiheit“. Teilnehmer der Konferenz hatten davor gewarnt, einzelne Religionen zu stigmatisieren und eine Verbindung zwischen muslimischem Glauben und Hassattacken herzustellen. Auch ein Kapitel zum Thema „Sozialer Zusammenhalt“war hoch umstritten. Einige Minister kritisierten, dass damit auf unsachliche Weise eine Verbindung zwischen Migration und Terrorismus unterstellt werde.
Seehofer stelle klar : „Wir kämpfen nicht gegen eine Religion, sondern gegen fanatischen Extremismus jeder Art.“Der Schutz der Außengrenzen der EU sei dafür eine wichtige Voraussetzung. Das erwarteten die Bürger zu Recht vom Staat. „Die EU muss an den Außengrenzen für Sicherheit sorgen und – ohne dass ich beides vermischen möchte – auch dort entscheiden, wer nach Europa darf“, zog Seehofer noch einmal vorsichtig die umstrittene Verbindungslinie zwischen Terrorismus und Migration.
Ähnlich strittig ist das Thema Kommunikationsüberwachung und Hasspropaganda im Netz. Auf die Frage, ob er den staatlichen Zugriff auf Messenger-Dienste befürworte, sagte Seehofer: „Ich bin dafür, dass wir alle nachrichtendienstlichen Möglichkeiten nutzen, die uns in der Theorie zur Verfügung stehen. Datenschutz kann nicht dazu führen, dass man sich keine Gedanken mehr macht, wie man einer sehr gefährlichen Klientel auf die Spur kommt.“Patrick Beyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei, warnte, man müsse unterscheiden zwischen Abhören und Sicherheit. Er fürchtet eine Zunahme von Hackerangriffen und massenhaftem Ausspähen durch ausländische Geheimdienste, wenn man die sichere Verschlüsselung opfere, „um abhören zu können“.
Auch die Forderung, Soziale Medien künftig zu verpflichten, Hassinhalte innerhalb einer Stunde aus dem Netz zu nehmen, stößt bei EU-Abgeordneten auf Widerstand. Seehofer appellierte am Freitag erneut ans Europaparlament, die Verhandlungen über ein entsprechendes Gesetz zwischen Rat, Parlament und Kommission nicht länger zu blockieren. Politiker aus dem linken, grünen und liberalen Lager warnen vor den zu diesem Zweck eingesetzten „Upload-Filtern“. Sie suchen Beiträge nach Schlüsselwörtern ab und sperren die Treffer automatisch – das sei Zensur, sagen Kritiker. Innenkommissarin Ylva Johansson hält entgegen, dass es täglich Tausende neue Posts gebe, in denen erklärt werde, wie man Bomben basteln kann oder bei Anschlagsplänen seine Identität verschleiert. Noch in diesem Jahr, unter deutscher Ratspräsidentschaft, soll das Gesetz gegen Hasspropaganda im Netz verabschiedet werden.