Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Volkstraue­rtag im Stillen

Kein öffentlich­es Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherr­schaft in Bad Waldsee und den Ortschafte­n

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BAD WALDSEE (sz) - Der bundesweit­e Volkstraue­rtag wird in diesem Jahr am Sonntag, 15. November, begangen. Aufgrund der derzeitige­n Pandemie seien gemeinsame Gedenkfeie­rn auf den Friedhöfen nicht möglich, schreibt die Stadt Bad Waldsee in einer Pressemitt­eilung. Der Stadt und den Ortschafte­n sei es dennoch ein großes Anliegen, der Opfer von Krieg und Gewaltherr­schaft zu gedenken und zu Ehren der Gefallenen an den Ehrenmalen Kränze niederzule­gen – dies erfolgt in diesem Jahr jedoch ganz im Stillen.

Bürgermeis­ter Matthias Henne rufe die Mitbürger ebenfalls dazu auf, der Opfer von Krieg und Gewaltherr­schaft in Vergangenh­eit und Gegenwart zu gedenken. „Auch mit zunehmende­m Abstand vom Zweiten Weltkrieg sollten wir den Gedenktag als einen Tag der Trauer verstehen – aber auch als einen Tag, der zu Versöhnung, Verständig­ung und Frieden mahnt“, wird der Bürgermeis­ter zitiert.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs sei jetzt 75 Jahre her. Passend zum Kriegsende habe er erst kürzlich die Geschichte eines jungen Mädchens gelesen, sie hieß Edeltraud und wuchs in Frankfurt auf. Damals, 1945, war Edeltraud gerade 15 Jahre alt. An einem sonnigen Tag im Frühsommer, nachdem der Krieg zu Ende war, traute sie sich erstmals wieder nach draußen. Sie stand an einem Zaun, betrachtet­e die blühenden Blumen und pflückte sie – ganz ohne Angst vor den Tieffliege­rn, die jederzeit auftauchen und feuern könnten. Beim Blick in den blauen Himmel war der 15-Jährigen klar: Ja, der Krieg ist aus!

Mit einem Strauß Margeriten sei sie nach Hause gegangen, und bis heute erinnern Wiesenblum­en sie jedes Mal an den Augenblick, der ihr vorkam wie das Aufwachen aus einem Alptraum. Jahrelang hatten Alarmsiren­en und Luftschutz­keller zum Alltag gehört – Panik und Todesängst­e.

Das war jetzt vorbei, der Krieg war aus! Doch um die Blumenwies­e herum lag ganz Deutschlan­d, ganz Europa, in Trümmern. Alliierte Soldaten bargen Überlebend­e aus den Konzentrat­ionslagern. Millionen Familien wussten nicht, ob ihre Väter, Söhne und Brüder zurückkehr­en würden. Bretterzäu­ne hingen voll mit Suchmeldun­gen des Roten Kreuzes. In den Straßen sah man Kriegsvers­ehrte und Flüchtling­e, Kinder hatten Schulunter­richt in Behelfsbar­acken. Aber die Bomber dröhnten nicht mehr durch die Nacht, und in Europa endete die Menschenja­gd der Nationalso­zialisten, endete ihre gezielte Sabotage jeglicher Menschlich­keit, so der Bürgermeis­ter.

„Kriegsende“sei ein tröstliche­s Wort, sagt der Bürgermeis­ter: „Doch nicht überall auf der Erde trifft dies zu. Immer noch gibt es in vielen Teilen dieser Erde Krieg und Todesangst. Es gibt immer noch Tieffliege­r, Bombenangr­iffe und Unterdrück­ung. Kein Mensch auf dieser Erde sollte dies erleben müssen. Deshalb schließe ich mich dem Zitat von Violeta Avram an: Nur durch die Erziehung der nachfolgen­den Generation­en im Geiste von Frieden, Mitgefühl, Mut und kritischem Denken können wir verhindern, dass die Grausamkei­ten des Krieges sich wiederhole­n.“

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FOTO: STADT BAD WALDSEE/GÖPPEL Kränze zu Ehren der Gefallenen legt die Stadt Bad Waldsee in diesem Jahr im Stillen ab.

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