Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Handwerkskammer will Auszahlung für Betriebe übernehmen
Corona-Krise: Überbrückungshilfen kommen immer noch zu wenig im Handwerk an
KREIS RAVENSBURG (sz) - Seit Mitte Juli können Handwerksbetriebe nicht rückzahlbare Überbrückungshilfen des Bundes in Anspruch nehmen, wenn sie erhebliche Umsatzeinbußen infolge der Corona-Krise hatten. Das Bundesprogramm ist bis zum Jahresende verlängert, wie die Handswerkkammer Ulm mitteilt. Zugleich übt sie Kritik an der Praxis der staatlichen Unterstützung.
Der Bedarf der Betriebe für diese Unterstützung über die Soforthilfe hinaus ist ungebrochen. Bei den Betrieben käme die Betroffenheit zeitlich zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Rund 25 Milliarden Euro habe die Bundesregierung zur Unterstützung kleiner und mittlerer Betriebe eingeplant.
Die Handwerkskammer Ulm kritisiert, dass bislang offenbar erst rund 1,5 Milliarden Euro an Hilfsgeldern an die bedürftigen Betriebe geflossen sind. Die beschlossenen Unterstützungen kommen also faktisch nicht in dem angedachten Umfang an. „Die Situation in den Betrieben ist zu prekär, als dass wir bei der politischen Theorie bleiben können. Wir brauchen ankommende Hilfen in echt“, sagt Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm.
Die Gründe für die schleppende Auszahlung seien hohe bürokratische und inhaltliche Hürden bei der Antragstellung und Auszahlung. Anders als bei den Soforthilfeanträgen können die Förderanträge nicht von den Betriebsinhabern selbst und über die Handwerkskammer gestellt werden, sondern müssen unter anderem von einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer
beantragt werden. Die Anträge werden rein digital verarbeitet.
Im Frühjahr hatte die Handwerkskammer Ulm die Bearbeitung der Soforthilfeanträge selbst organisiert. Insgesamt seien damals über 55 Millionen Euro zu rund 5500 regionalen Handwerksbetrieben geflossen – davon jeweils 21 Prozent aus dem Landkreis Ravensburg und dem Ostalbkreis, 15 Prozent aus dem Bodenseekreis, 13 Prozent aus dem Alb-DonauKreis, jeweils elf Prozent aus der Stadt Ulm und dem Landkreis Biberach und acht Prozent aus dem Landkreis Heidenheim. Die Kammer hatte damals die eingegangenen Anträge in der Regel innerhalb von vier Tagen nach vollständigem Eingang fertig bearbeitet und zur Auszahlung an die L-Bank geleitet. „Das würden wir besser hinbekommen“, ist sich Mehlich sicher.
Die Handwerkskammer Ulm fordert, die Förderbedingungen für die Überbrückungshilfen zeitnah nachzubessern – und zwar bürokratieärmer und schneller. Denn besonders die kleinen und mittelständischen Unternehmen würden benachteiligt. Das dürfe nicht dazu führen, dass die betroffenen Betriebe diese wichtigen Unterstützungsleistungen nicht beantragen oder erhalten würden. Unbegleitet verschlimmere sich ihre Situation. In einem Schreiben der Handwerkskammer Ulm an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und die baden-württembergische Wirtschafts- und Arbeitsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut hatte die Kammer kürzlich erneut ihre Mithilfe bei der Bearbeitung und Auszahlung der Überbrückungshilfen an die regionalen Betriebe angeboten.