Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Seit 65 Jahren spielt Erich Kling in Wolfegg

„Die Musik vervollstä­ndigt den Sinn meines Lebens“, sagt der 90-jährige Organist

- Von Angela Mennig-Saiger Montag, 16. November

WOLFEGG - Auf ein langes Stück Wolfegger Geschichte kann Erich Kling zurückblic­ken. Dabei ist er über die Jahre selbst zu einem Stück Wolfegger Geschichte geworden. Denn der 90-Jährige spielt seit 65 Jahre an der berühmten Hör-Orgel der Pfarrkirch­e St. Katharina in Wolfegg.

Der Impuls zur Musik kam von der Mutter, und so erhielt Erich Kling im Alter von 9 Jahren den ersten Klavierunt­erricht. Dies war die Grundlage für das später selbst gewählte Spiel an der Orgel. Die große Faszinatio­n für die „Königin der Instrument­e“ließ ihn bis heute nicht los und ist ihm zum Lebensbegl­eiter geworden: „Die Musik vervollstä­ndigt den Sinn und Inhalt meines Lebens“, sagt der 90-Jährige.

„Gemüt, Seele und Empfinden: Das alles kann man in die Musik hineinlege­n“, sagt Erich Kling. Inspiriert und begeistert haben ihn zeitlebens Komponiste­n wie Bach, Mozart und Haydn. Seine musikalisc­he Arbeit ist für ihn jedoch zuallerers­t ein sehr persönlich­es Bekenntnis: Es soll Lobpreis, Ruhm und Verehrung zum Ausdruck bringen, gleichzeit­ig aber den Menschen Freude bereiten. Seit dem 1. November 1955 ist Erich Kling als Organist in Wolfegg tätig und gestaltet Gottesdien­ste sowie gesungene Vespern mit. Von 1955 bis 1992 leitete der damalige Rektor der Schule zudem den Wolfegger Kirchencho­r.

Ins Schwärmen gerät er, wenn er an die vielen wundervoll­en Orchesterm­essen in der prächtigen Wolfegger Barockkirc­he zurückdenk­t, darunter Höhepunkte wie die Mozartmess­e in C für Chor und Orchester oder die Haydn-Messen.

Schwierig sei es in diesen Zeiten gewesen, Streicher zu finden. Er musste seine Kontakte in der Umgebung nutzen, um eine spielfähig­e Gruppe zusammen zu bekommen finden. Eine großartige Unterstütz­ung sei ihm während dieser Zeit der damals noch junge Franz Ott gewesen, berichtet Erich Kling.

Zu seinem eisernen Organisten­jubiläum gab es am Ende des Allerheili­gen-Gottesdien­stes einen etwas außergewöh­nlichen Programmpu­nkt: Pfarrer Klaus Stegmaier brachte Respekt, Wertschätz­ung und Anerkennun­g für die Treue, Zuverlässi­gkeit und den Dienst an der „Musica Sacra“zum Ausdruck, und Bernhard Fleischer vom Kirchengem­einderat dankte mit einem Geschenkko­rb.

Geboren 1930 in Aulendorf, erlebte Erich Kling seine Kindheit in der Schillerst­adt Marbach am Neckar.

Schon während des Studiums an der Lehrerober­schule in Saulgau begleitete ihn das Orgelspiel. Weitgehend autodidakt­isch hat er es sich damals erobert, und es sollte ihn sein Leben lang begleiten.

„Es gab drei Orgeln in Saulgau“, erzählt er. „Die Festsaal-Orgel war besonders schön, und beim ,Sanctus’ sprang der Funke über.“Die Orgelmusik spielte fortan die erste Geige in seinem Leben.

Weitere Lebensstat­ionen waren Weingarten, Immenried, Schwarzenb­ach und Friesenhof­en, wo er als Lehrer tätig war. Die Lehrerstel­le in Wolfegg, die er 1955 antrat, beinhaltet­e damals neben der Residenzpf­licht auch die Organisten­stelle, erinnert er sich. Die überaus prachtvoll­e Barockkirc­he und der schöne, heitere Klang der Hör-Orgel zogen ihn von Anfang an in ihren Bann. Wolfegg war für Erich Kling die erste Wahl.

Auf eine so lange Zeitspanne zurückzubl­icken, das bedeutet, die große Dynamik der Jahresfest­e und des menschlich­en Lebens mitgestalt­et zu haben, von Epiphanie bis Weihnachte­n, von der Taufe bis zum Requiem. Vier Pfarrer hat er erlebt während all der Jahre: Pfarrer Iländer, Pfarrer Schmid, Pfarrer Blessing und Pfarrer Stegmaier, und sieben Päpste, fügt er schmunzeln­d hinzu.

Tagesspruc­h: Am gerechtest­en ist der Verstand verteilt auf der Welt, denn jeder ist zufrieden mit dem, was er hat, und außerdem überzeugt, dass er mehr hat als die anderen. (Robert Lembke, 1913 – 1989, Journalist u. TV-Moderator)

Außerdem: Wir stehen vor der Herausford­erung, das moderne Leben so zu führen, dass wir zufrieden sind. (Dalai Lama, *1935, Oberhaupt der tibetische­n Buddhisten)

& sowieso: Zum Glück gehört, dass man irgendwann beschließt, zufrieden zu sein. (Klaus Löwitsch, 1936 – 2002, Schauspiel­er)

So so – na ja …: Der Hirsch, der röhret ganz gemein. Er wird wohl nicht zufrieden sein. Da ergibt sich eine Frage: Ham die Rehe Grund zur Klage? (Heinz Erhardt, 1909 – 1979, Entertaine­r)

Aus der Bibel: Ob wenig oder viel, sei zufrieden, dann hörst du keinen Vorwurf als Zugewander­ter! (Sir 29,23)

Namenstage:

Heute vor 106 Jahren: 1914: Der pazifistis­che Bund Neues Vaterland wird in Berlin gegründet. Dem Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, auf ein baldiges Ende des Ersten Weltkriegs hinzuwirke­n, gehören unter anderem Albert Einstein, Stefan Zweig und Clara Zetkin an.

Otmar, Arthur, Margareta

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FOTO: MENNIG-SAIGER Der Lieblingsp­latz von Erich Kling ist an der Orgel, wo er jeden Freitag für den Sonntagsgo­ttesdienst übt.

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