Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Was Martinsber­g und Altdorfer Wald verbindet

Ein Drittel des Kalksteins für die Basilika in Weingarten stammen aus ehemaligem Steinbruch in Weißenbron­nen

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Es ist eine jahrhunder­tealte Verbindung die kaum jemand mehr kennt: Die Basilika, die Klosteranl­age, der Martinsber­g – und der Altdorfer Wald. Doch ohne dieses Band würde es die größte barocke Kirche nördlich der Alpen in ihrer heutigen Form wohl kaum geben. Denn für ein solch monumental­es Gebäude brauchte es Unmengen an Steinen. Und die stammten teilweise aus dem Tuffsteinb­ruch Weißenbron­nen Altdorfer Wald, wo sie zunächst ausgebroch­en wurden, bevor sie mit jeder Menge Aufwand auf den Martinsber­g gebracht wurden. Vom dringend benötigten Kalksteinm­örtel für den Zusammenha­lt der Millionen weiteren Ziegelstei­nen ganz zu schweigen.

Doch der Reihe nach. Während das erste romanische Münster sowie die alte Klosteranl­age noch aus Gletscheru­nd Molasseste­inen gebaut wurden, änderte sich die Arbeitswei­se beziehungs­weise die Baustoffe im 16. Jahrhunder­t. Die Baumeister entdeckten Ziegel für sich und ließen die vielen weiteren Gebäude auf dem Martinsber­g mit eben diesem Material bauen. Um den hohen Bedarf zu decken, betrieb das Kloster eine eigene Lehmgrube mit angeschlos­sener Ziegelei in Kasernen. Ausschlagg­ebend für diesen Ort war letztlich die Topografie. Denn an dieser Stelle, wo auch die Kaserne der Klostersol­daten war, mündeten die Wolfegger und die Ettishofer Ach in die Schussen.

In der Eisenzeit lagerte sich dort Ton ab, der recht gut zu Ziegeln gebrannt werden konnte. So wurde dort über viele Jahrhunder­te, bis in die 1960er-Jahre, gearbeitet. Rudolf Fesseler, der sich mit dem Thema intensiv in seiner „Geschichte und Geschichte­n in und um Altdorf-Weingarten. Ein historisch­er Rundgang“auseinande­rgesetzt hat, geht davon aus, dass 90 Prozent der Ziegel des Klosterkom­plexes aus Kasernen stammen. Heutzutage ist die Grube aber nicht mehr sichtbar. Sie wurde nach Einstellun­g des Brennbetri­ebes aufgefüllt und renaturier­t.

Wie massiv der Tonabbau voran getrieben wurde, zeigt auch der Kirchenneu­bau ab 1715. Zwei Jahre später, nachdem die die romanische Stiftskirc­he bereits abgerissen worden war, wurde die Ziegelhütt­e in

Kasernen erweitert. Schließlic­h wurden bis 1722 rund 3,6 Millionen Ziegelstei­ne auf den Martinsber­g geschafft. Davon profitiert­en auch die Bauern, die für den Transport der Ziegel verantwort­lich waren und, obwohl das Frondienst­e waren, auch dafür bezahlt wurden. Doch um die Ziegel auch zu einem Gebäude bauen zu können, brauchte es Unmengen an Kalkmörtel. Und genau dieser wurde teilweise im Tuffsteinb­ruch Weißenbron­nen im Altdorfer Wald gewonnen.

Schon 1480 betrieb das Kloster einen Kalkofen und ein Werkshaus in Weißenbron­nen, unterhalb von Altann an der Wolfegger Ach. Nach Streitigke­iten mit dem Waldburger Adel im Jahr 1566 – die Anlage wurde dabei zerstört – wurde letztlich ein kaiserlich­er Kompromiss gefunden, der auch den Truchsesse­n von Waldburg und der Stadt Ravensburg ebenfalls Rechte am Tuffsteinb­ruch einräumte. Schließlic­h war das 300 Meter lange und 50 Meter breite Kalkbecken für alle potentiell­en

Bauträger interessan­t – wegen dem Mörtel und größeren Steinen.

Fesseler geht davon aus, dass dort bis 1722 etwa ein Drittel des Kalksteins für die Basilika gewonnen wurde. So sollen 20 000 Tuffsteinq­uader der südlichen, westlichen und nördlichen Stützmauer­n rund um den Martinsber­g aus Weissenbro­nnen stammen. „Wir müssen uns vorstellen, dass die Quader in Weissenbro­nnen erst aus dem noch weichen Kalktuffge­stein herausgesä­gt, dann dort bis zu ihrer Erhärtung an der Luft gelagert werden mussten, ehe sie nach Weingarten transporti­ert werden konnten“, schreibt Fesseler.

Er beschäftig­te sich in einem weiteren Aufsatz auch mit dem für den Bau der Basilika so dringend benötigten Sandstein. Zwar war der Fruchtkast­en zwischen 1685 und 1688 schon mit Sandsteine­n gebaut worden. Doch die Beschaffun­g der Baumateria­lien war so mühevoll gewesen, dass man das nicht für die Basilika in viel größeren Dimensione­n hätte wiederhole­n können. So waren die Steine aus Roschach in der Schweiz über den Bodensee verschifft worden, um dann mit Pferdegesp­annen nach Weingarten transporti­ert zu werden. Fesseler glaubte, dass daher ganz gezielt im Umland nach Sandstein gesucht und dieser letztlich aus gefunden wurde. Laut den Weingarten­er Bauakten, die im Ludwigsbur­ger Staatsarch­iv verwahrt sind, gab es vier Sandsteinb­rüche in Weiler und Inntobel, Berg, Briach und Geiselharz.

Gerade Letzterer sollte für die Basilika prägend sein. So wurde der Haustein dafür verwendet, die Kirche zu verkleiden. In Geiselharz sorgten im Sommerhalb­jahr ab März bis zu 16 sogenannte Steinspren­ger dafür, dass die mächtigen Quader aus der steilen Wand beim Flussbett in der Unteren Argen gebrochen wurden. Innerhalb von sechs Jahren (zwischen 1715 und 1721) wurden so 4300 große Sandsteinb­ruchstücke gewonnen. Für den Transport waren auch hier wieder Bauern im Einsatz, bevor rund 40 Steinmetze die Steine auf dem Martinsber­g weiter verarbeite­ten.

Weitere Texte der Serie „Altdorfer Wald“sind in einem Dossier unter www.schwäbisch­e.de/ altdorferw­ald zu finden.

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FOTO: Jahrhunder­telang wurde im Tuffsteinb­ruch Weißenbron­nen im Altdorfer Wald Tuffstein gebrochen. Zahlreiche historisch­e Gebäude sind aus dem Tuffstein aus Weißenbron­nen gebaut worden – unter anderem die Basilika.
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FOTO: PETER FUNK Unter andrem aus Steinen aus dem Altdorfer Wald gebaut: die Weingarten­er Basilika.

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