Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Was Martinsberg und Altdorfer Wald verbindet
Ein Drittel des Kalksteins für die Basilika in Weingarten stammen aus ehemaligem Steinbruch in Weißenbronnen
WEINGARTEN - Es ist eine jahrhundertealte Verbindung die kaum jemand mehr kennt: Die Basilika, die Klosteranlage, der Martinsberg – und der Altdorfer Wald. Doch ohne dieses Band würde es die größte barocke Kirche nördlich der Alpen in ihrer heutigen Form wohl kaum geben. Denn für ein solch monumentales Gebäude brauchte es Unmengen an Steinen. Und die stammten teilweise aus dem Tuffsteinbruch Weißenbronnen Altdorfer Wald, wo sie zunächst ausgebrochen wurden, bevor sie mit jeder Menge Aufwand auf den Martinsberg gebracht wurden. Vom dringend benötigten Kalksteinmörtel für den Zusammenhalt der Millionen weiteren Ziegelsteinen ganz zu schweigen.
Doch der Reihe nach. Während das erste romanische Münster sowie die alte Klosteranlage noch aus Gletscherund Molassesteinen gebaut wurden, änderte sich die Arbeitsweise beziehungsweise die Baustoffe im 16. Jahrhundert. Die Baumeister entdeckten Ziegel für sich und ließen die vielen weiteren Gebäude auf dem Martinsberg mit eben diesem Material bauen. Um den hohen Bedarf zu decken, betrieb das Kloster eine eigene Lehmgrube mit angeschlossener Ziegelei in Kasernen. Ausschlaggebend für diesen Ort war letztlich die Topografie. Denn an dieser Stelle, wo auch die Kaserne der Klostersoldaten war, mündeten die Wolfegger und die Ettishofer Ach in die Schussen.
In der Eisenzeit lagerte sich dort Ton ab, der recht gut zu Ziegeln gebrannt werden konnte. So wurde dort über viele Jahrhunderte, bis in die 1960er-Jahre, gearbeitet. Rudolf Fesseler, der sich mit dem Thema intensiv in seiner „Geschichte und Geschichten in und um Altdorf-Weingarten. Ein historischer Rundgang“auseinandergesetzt hat, geht davon aus, dass 90 Prozent der Ziegel des Klosterkomplexes aus Kasernen stammen. Heutzutage ist die Grube aber nicht mehr sichtbar. Sie wurde nach Einstellung des Brennbetriebes aufgefüllt und renaturiert.
Wie massiv der Tonabbau voran getrieben wurde, zeigt auch der Kirchenneubau ab 1715. Zwei Jahre später, nachdem die die romanische Stiftskirche bereits abgerissen worden war, wurde die Ziegelhütte in
Kasernen erweitert. Schließlich wurden bis 1722 rund 3,6 Millionen Ziegelsteine auf den Martinsberg geschafft. Davon profitierten auch die Bauern, die für den Transport der Ziegel verantwortlich waren und, obwohl das Frondienste waren, auch dafür bezahlt wurden. Doch um die Ziegel auch zu einem Gebäude bauen zu können, brauchte es Unmengen an Kalkmörtel. Und genau dieser wurde teilweise im Tuffsteinbruch Weißenbronnen im Altdorfer Wald gewonnen.
Schon 1480 betrieb das Kloster einen Kalkofen und ein Werkshaus in Weißenbronnen, unterhalb von Altann an der Wolfegger Ach. Nach Streitigkeiten mit dem Waldburger Adel im Jahr 1566 – die Anlage wurde dabei zerstört – wurde letztlich ein kaiserlicher Kompromiss gefunden, der auch den Truchsessen von Waldburg und der Stadt Ravensburg ebenfalls Rechte am Tuffsteinbruch einräumte. Schließlich war das 300 Meter lange und 50 Meter breite Kalkbecken für alle potentiellen
Bauträger interessant – wegen dem Mörtel und größeren Steinen.
Fesseler geht davon aus, dass dort bis 1722 etwa ein Drittel des Kalksteins für die Basilika gewonnen wurde. So sollen 20 000 Tuffsteinquader der südlichen, westlichen und nördlichen Stützmauern rund um den Martinsberg aus Weissenbronnen stammen. „Wir müssen uns vorstellen, dass die Quader in Weissenbronnen erst aus dem noch weichen Kalktuffgestein herausgesägt, dann dort bis zu ihrer Erhärtung an der Luft gelagert werden mussten, ehe sie nach Weingarten transportiert werden konnten“, schreibt Fesseler.
Er beschäftigte sich in einem weiteren Aufsatz auch mit dem für den Bau der Basilika so dringend benötigten Sandstein. Zwar war der Fruchtkasten zwischen 1685 und 1688 schon mit Sandsteinen gebaut worden. Doch die Beschaffung der Baumaterialien war so mühevoll gewesen, dass man das nicht für die Basilika in viel größeren Dimensionen hätte wiederholen können. So waren die Steine aus Roschach in der Schweiz über den Bodensee verschifft worden, um dann mit Pferdegespannen nach Weingarten transportiert zu werden. Fesseler glaubte, dass daher ganz gezielt im Umland nach Sandstein gesucht und dieser letztlich aus gefunden wurde. Laut den Weingartener Bauakten, die im Ludwigsburger Staatsarchiv verwahrt sind, gab es vier Sandsteinbrüche in Weiler und Inntobel, Berg, Briach und Geiselharz.
Gerade Letzterer sollte für die Basilika prägend sein. So wurde der Haustein dafür verwendet, die Kirche zu verkleiden. In Geiselharz sorgten im Sommerhalbjahr ab März bis zu 16 sogenannte Steinsprenger dafür, dass die mächtigen Quader aus der steilen Wand beim Flussbett in der Unteren Argen gebrochen wurden. Innerhalb von sechs Jahren (zwischen 1715 und 1721) wurden so 4300 große Sandsteinbruchstücke gewonnen. Für den Transport waren auch hier wieder Bauern im Einsatz, bevor rund 40 Steinmetze die Steine auf dem Martinsberg weiter verarbeiteten.
Weitere Texte der Serie „Altdorfer Wald“sind in einem Dossier unter www.schwäbische.de/ altdorferwald zu finden.