Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ist die ärztliche Versorgung in Gefahr?
Niedergelassene Hausärzte in Bad Wurzach finden kaum Nachfolger für ihre Praxen
BAD WURZACH - Für die Patienten einer Bad Wurzacher Hausarztpraxis beginnen schwierige Zeiten. Ihr langjähriger und vertrauter Arzt geht in Ruhestand und in den meisten Praxen der Kurstadt herrscht Aufnahmestopp. Ist die medizinische Versorgungssituation in Bad Wurzach dennoch ausreichend gewährleistet, oder müssen die Einwohner künftig längere Anfahrtswege zum Arzt ihres Vertrauens in Kauf nehmen?
Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Hans Fürst, betreibt seine Praxis in der Innenstadt seit nunmehr über 30 Jahren. „Ja, auch ich gehe in den Ruhestand, aber den genauen Zeitpunkt, den vermag ich heute noch nicht zu definieren“, sagte Fürst und stellte damit klar, dass nicht er es ist, der zum Jahresende seine Praxistüren schließt. Dennoch, so berichtete er, bemühe er sich bereits jetzt schon um einen Nachfolger für seine Praxis und führte weiter aus: „Eine gute Übergabe ist die Grundlage für eine optimale Weiterbetreuung meiner Patienten“. Dennoch ist sich der Mediziner
sicher, einfach wird die Suche nach einem Nachfolger nicht.
Die Gründe dafür sieht er, von der Politik, als hausgemacht an. „Wenn nur etwa zehn Prozent mehr Studienplätze für Mediziner geschaffen worden wären, hätten wir heute keinen Ärztemangel“, ist Fürst sich sicher und verweist auf die Studienplatzsituation, bei der sich etwa vier Interessenten auf einen Platz bewerben. Auf die Nachfrage, ob die derzeitige Infrastruktur in Bad Wurzach ausschlaggebend dafür sei, sich als Arzt niederzulassen, begegnete Hans Fürst: „Wer ein abwechslungsreiches Kultur- oder Nachtleben sucht, ist hier sicher nicht am richtigen Ort, aber die Lage und die Vielfalt von Bad Wurzach, bietet einen hohen Wohn- und Wohlfühlfaktor und, wenn sich ein Nachfolger für meine Praxis entscheidet, kann er auf, über Jahrzehnte gewachsene
Strukturen zurückgreifen“. Obwohl er eigentlich keine neuen Patienten mehr aufnehmen könne, sei er dennoch bereit, einen kleinen Teil des scheidenden Kollegen zu übernehmen. „Ich wünsche mir, dass alle Bad Wurzacher Bürger einen Hausarzt vor Ort haben“, sagte er, bezweifelte jedoch, dass dieser Wunsch, aktuell zu realisieren sei.
Ähnlich äußerte sich Swantje Middeldorff, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart. Obwohl die Mittelbereichsplanung für Leutkirch, dem Bad Wurzach angesiedelt ist, eine Versorgung von derzeit 102 Prozent aufweist, hält sie die dauerhafte Bindung an einen Hausarzt nicht mehr für möglich. „Künftig werden die Wege der Patienten weiter“, sagte sie und nannte als Gründe hierfür die veränderte Lebensplanung der Mediziner. So seien immer
Swantje Middeldorff, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart mehr Frauen als Ärztinnen tätig und für die Standortwahl spiele es eine große Rolle, wie sich die Situation vor Ort darstelle.
Immer mehr Ärzte bevorzugen dabei die Teampraxen, die Work-Life-Balance spiele eine zunehmende Rolle und die alleinige Verantwortung für Patienten und Personal schrecke doch Interessenten ab. Als übergeordnete Institution versuchen sie zwar stets unterstützend tätig zu sein, aber Middeldorff sagte dabei ganz klar: „Wir können keinen willigen Mediziner schnitzen“. Ihrer Ansicht nach, werden in den kommenden Jahren eine Vielzahl an Praxen aufgelöst werden, weil sich keine Nachfolge finden lasse. Umso wichtiger sei es dabei, dass die kommunalen Verwaltungen Voraussetzungen für ein stimmiges Lebenskonzept der niedergelassenen Ärzte unterstütze.
Bürgermeisterin Alexandra Scherer verfolge diese Entwicklung mit Besorgnis und werde diesbezüglich, zeitnah, Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung führen, wie die Pressestelle der Stadtverwaltung, auf Anfrage, mitteilte.
„Künftig werden die Wege der Patienten weiter.“