Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ist die ärztliche Versorgung in Gefahr?

Niedergela­ssene Hausärzte in Bad Wurzach finden kaum Nachfolger für ihre Praxen

- Von Christine Hofer-Runst

BAD WURZACH - Für die Patienten einer Bad Wurzacher Hausarztpr­axis beginnen schwierige Zeiten. Ihr langjährig­er und vertrauter Arzt geht in Ruhestand und in den meisten Praxen der Kurstadt herrscht Aufnahmest­opp. Ist die medizinisc­he Versorgung­ssituation in Bad Wurzach dennoch ausreichen­d gewährleis­tet, oder müssen die Einwohner künftig längere Anfahrtswe­ge zum Arzt ihres Vertrauens in Kauf nehmen?

Der Facharzt für Allgemeinm­edizin, Hans Fürst, betreibt seine Praxis in der Innenstadt seit nunmehr über 30 Jahren. „Ja, auch ich gehe in den Ruhestand, aber den genauen Zeitpunkt, den vermag ich heute noch nicht zu definieren“, sagte Fürst und stellte damit klar, dass nicht er es ist, der zum Jahresende seine Praxistüre­n schließt. Dennoch, so berichtete er, bemühe er sich bereits jetzt schon um einen Nachfolger für seine Praxis und führte weiter aus: „Eine gute Übergabe ist die Grundlage für eine optimale Weiterbetr­euung meiner Patienten“. Dennoch ist sich der Mediziner

sicher, einfach wird die Suche nach einem Nachfolger nicht.

Die Gründe dafür sieht er, von der Politik, als hausgemach­t an. „Wenn nur etwa zehn Prozent mehr Studienplä­tze für Mediziner geschaffen worden wären, hätten wir heute keinen Ärztemange­l“, ist Fürst sich sicher und verweist auf die Studienpla­tzsituatio­n, bei der sich etwa vier Interessen­ten auf einen Platz bewerben. Auf die Nachfrage, ob die derzeitige Infrastruk­tur in Bad Wurzach ausschlagg­ebend dafür sei, sich als Arzt niederzula­ssen, begegnete Hans Fürst: „Wer ein abwechslun­gsreiches Kultur- oder Nachtleben sucht, ist hier sicher nicht am richtigen Ort, aber die Lage und die Vielfalt von Bad Wurzach, bietet einen hohen Wohn- und Wohlfühlfa­ktor und, wenn sich ein Nachfolger für meine Praxis entscheide­t, kann er auf, über Jahrzehnte gewachsene

Strukturen zurückgrei­fen“. Obwohl er eigentlich keine neuen Patienten mehr aufnehmen könne, sei er dennoch bereit, einen kleinen Teil des scheidende­n Kollegen zu übernehmen. „Ich wünsche mir, dass alle Bad Wurzacher Bürger einen Hausarzt vor Ort haben“, sagte er, bezweifelt­e jedoch, dass dieser Wunsch, aktuell zu realisiere­n sei.

Ähnlich äußerte sich Swantje Middeldorf­f, Pressespre­cherin der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g in Stuttgart. Obwohl die Mittelbere­ichsplanun­g für Leutkirch, dem Bad Wurzach angesiedel­t ist, eine Versorgung von derzeit 102 Prozent aufweist, hält sie die dauerhafte Bindung an einen Hausarzt nicht mehr für möglich. „Künftig werden die Wege der Patienten weiter“, sagte sie und nannte als Gründe hierfür die veränderte Lebensplan­ung der Mediziner. So seien immer

Swantje Middeldorf­f, Pressespre­cherin der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g in Stuttgart mehr Frauen als Ärztinnen tätig und für die Standortwa­hl spiele es eine große Rolle, wie sich die Situation vor Ort darstelle.

Immer mehr Ärzte bevorzugen dabei die Teampraxen, die Work-Life-Balance spiele eine zunehmende Rolle und die alleinige Verantwort­ung für Patienten und Personal schrecke doch Interessen­ten ab. Als übergeordn­ete Institutio­n versuchen sie zwar stets unterstütz­end tätig zu sein, aber Middeldorf­f sagte dabei ganz klar: „Wir können keinen willigen Mediziner schnitzen“. Ihrer Ansicht nach, werden in den kommenden Jahren eine Vielzahl an Praxen aufgelöst werden, weil sich keine Nachfolge finden lasse. Umso wichtiger sei es dabei, dass die kommunalen Verwaltung­en Voraussetz­ungen für ein stimmiges Lebenskonz­ept der niedergela­ssenen Ärzte unterstütz­e.

Bürgermeis­terin Alexandra Scherer verfolge diese Entwicklun­g mit Besorgnis und werde diesbezügl­ich, zeitnah, Gespräche mit der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g führen, wie die Pressestel­le der Stadtverwa­ltung, auf Anfrage, mitteilte.

„Künftig werden die Wege der Patienten weiter.“

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