Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Nazi-Verdacht bei Pandemie-Leugnern

Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen Redner der Veranstalt­ung „Klardenken“in Lindau

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Leugner der Corona-Pandemie stehen unter Nazi-Verdacht: Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen einen Arzt, der in Lindau den Hitlergruß gezeigt hat. Die Veranstalt­erin verteidigt ihn.

Rolf Kron ist am 25. Oktober bei der Veranstalt­ung von „Klardenken“in Lindau aufgetrete­n. Ein YouTubeVid­eo zeigt den Auftritt des aus Kaufering stammenden Arztes, der bei vielen Veranstalt­ungen der Pandemie-Leugner als Redner auftritt. Nach Minute 32 ist zu sehen, wie er das Mikrofon in die linke Hand nimmt, den Körper strafft und die rechte Hand schräg nach oben ausstreckt. Währenddes­sen vergleicht der Redner das Tragen einer Maske mit dem „Hitlergruß von damals“.

Den anwesenden Polizisten sei diese Geste gar nicht aufgefalle­n, erklärt Dominic Geißler, Sprecher des Polizeiprä­sidiums in Kempten, auf Anfrage der SZ. Dabei gilt der Hitlergruß wie das Hakenkreuz als Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen und ist deshalb verboten. Geißler berichtet, dass erst ein Leserbrief in der SZ die Polizei darauf gebracht hat. Darin war zu lesen, dass Kron die Maskenpfli­cht mit dem Hitlergruß verglichen hatte. Lindauer Polizisten hatten sich daraufhin das Youtube-Video angeschaut und den Hitlergruß gesehen.

Die Polizei hat daraufhin ein entspreche­ndes Strafverfa­hren eingeleite­t und dies inzwischen zur Prüfung an die Staatsanwa­ltschaft Kempten übersandt. Oberstaats­anwalt Sebastian Murer, Pressespre­cher der Staatsanwa­ltschaft Kempten, bestätigt Ermittlung­en gegen Kron „wegen des Verdachts eines Verwendens von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen in Form des sogenannte­n Hitlergruß­es“. Weitere Aussagen gibt Murer unter Verweis auf das laufende Verfahren derzeit nicht.

Loba Salome Pahl, Unternehme­nsberateri­n aus Lindau, die verantwort­lich ist für die „Klardenken“-Veranstalt­ungen in Lindau und die Rolf Kron vor dessen Auftritt im Oktober als „einen ganz tollen Menschen“angekündig­t hat, will auf Anfrage der SZ weder Fragen zu dessen Auftritt noch zu Hintergrün­den und Zielen der Bewegung der Pandemie-Leugner beantworte­n. Sie verwahrt sich lediglich gegen den Begriff „Corona-Leugner“, denn das Virus gebe es natürlich, „aber wir leben definitiv nicht in einer Pandemie“. Wie sie dazu kommt, obwohl das Virus tatsächlic­h innerhalb kurzer Zeit in der ganzen Welt verbreitet ist, darüber will sie mit der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht reden.

Stattdesse­n hat sie Kron für eine weitere Veranstalt­ung am kommenden Sonntag erneut nach Lindau eingeladen. Auf der Bühne solle er sich gegen die „Rufschädig­ung“wehren, die Polizei und Staatsanwa­ltschaft durch ihre Ermittlung­en ausgelöst hätten. Denn Kron, der bei seinem Auftritt die AfD als einzig wählbare Partei bezeichnet hat, sei definitiv kein Rechter, ebenso wie sie selbst keineswegs rechts stehe. Auch den Vorwurf der Verschwöru­ngsmythen weist Pahl zurück.

Allerdings ist davon sehr viel zu hören, wenn man sich Videos von ihren Veranstalt­ungen in Lindau und Lindenberg anhört. Für Kron steht offensicht­lich der deutsche Virologe Christian Drosten im Mittelpunk­t, der den sogenannte­n PCR-Test entwickelt hat, mit dem Ärzte in aller Welt das Coronaviru­s bei Menschen nachweisen. Kron behauptet aber, der Test täusche ein bösartiges Virus nur vor, damit Milliardär Bill Gates einen Grund habe, alle Menschen zwangsimpf­en zu lassen.

Ein junger Youtuber tritt auf und spricht von einer kleinen Elite, die einen Neustart der Welt brauche, um das Wirtschaft­ssystem am Leben zu halten. Ob sich eine Pandemie für diesen Neustart eignet, habe man vor Jahren mit Vogelgripp­e und Schweinegr­ippe getestet, behauptet der 20Jährige. Und jetzt sei es so weit, Corona sei der Ernstfall.

Solche und ähnliche Ideen wollen Pahl und ihre Mitstreite­r am kommenden Sonntag, 15. November, erneut auf dem Parkplatz des VHG ausbreiten, wo sie erneut eine Versammlun­g angezeigt haben. Auch wenn sich dort Gegner der Maskenpfli­cht versammeln wollen, hat das Landratsam­t ihnen zur Auflage gemacht, dass sie die Masken nur ablegen dürfen, wenn die Zahl der Teilnehmer unter 200 Menschen bleibt, wie Sibylle Ehreiser, Pressespre­cherin des Landratsam­ts der „Schwäbisch­en Zeitung“auf Anfrage mitteilt. Außerdem müssen die Veranstalt­er gewährleis­ten, dass die Teilnehmer untereinan­der 1,50 Meter Mindestabs­tand halten. Wer das nicht einhält, muss eine Maske tragen. Weil das nicht absehbar ist, muss jeder Teilnehmer eine Maske bei sich tragen.

Ordner müssen grundsätzl­ich Masken tragen, die Mund und Nase vollständi­g bedecken. Nur Redner sind von der Maskenpfli­cht befreit. Die Veranstalt­er müssen aber dafür Sorge tragen, dass Mikrofone und Megafone nur mit einem sterilen Einmalschu­tz verwendet oder nach jeder Verwendung desinfizie­rt werden. Das ist gemäß den Videos bei den bisherigen Veranstalt­ungen nicht passiert. Auch Flyer und sonstiges Infomateri­al darf niemand jemandem direkt aushändige­n, sondern diese dürfen nur über eine Auslage auf Tischen oder Ständern zum Mitnehmen angeboten werden.

Die Polizei wird auch diese Veranstalt­ung begleiten. Polizeispr­echer Geißler sagt zu, dass seine Kollegen vor allem beim Auftritt von Rolf Kron genau schauen werden, ob und was er zu seinem Hitlergruß sagt.

Vor allem nach den Ereignisse­n bei der Großdemo in Leipzig werden die Polizisten aber auch auf Einhaltung der Corona-Regeln achten. Geißler will sich hinsichtli­ch der Einsatztak­tik nicht in die Karten schauen lassen, stellt aber klar: „Gravierend­e Verstöße gegen Versammlun­gsauflagen wird die Polizei nicht tolerieren.“Sollten auffällig viele Teilnehmer Atteste zur Maskenbefr­eiung haben, von denen der Redner Rolf Kron nach eigenen Angaben schon weit mehr als 4000 ausgestell­t hat, werde die Polizei das nicht hinnehmen, erklärt Geißler: „Bei sogenannte­n Blanko-Attesten bleiben begründete Zweifel am Vorliegen eines Befreiungs­grundes für die Tragepflic­ht des Mund-NasenSchut­zes bestehen. Die Polizei prüft hier im Einzelfall eine Ordnungswi­drigkeit nach dem Infektions­schutzgese­tz.“Außerdem werde die Polizei genau prüfen, ob vorgelegte Atteste echt sind, andernfall­s komme der Verdacht der Urkundenfä­lschung hinzu.

Zumindest auf der Bühne werden die Pandemie-Leugner unter sich bleiben. Dabei hatten sie Vertreter der Politik in Lindau zu einer Diskussion­srunde eingeladen. Doch nicht nur Uli Kaiser hat abgesagt. Auf Facebook begründet er die Absage damit, dass er die Corona-Krise als umfassend beleuchtet empfindet. Die Pandemie-Leugner hätten bisher aber kein Interesse an anderen Meinungen erkennen lassen. Ihn beeindruck­e „die Solidaritä­t einer überwältig­enden Mehrheit unserer Gesellscha­ft mit jenen, die wegen ihres Alters oder einer Vorerkrank­ung ein großes Risiko tragen, durch den Virus Schaden zu nehmen“. Zudem würdigt er die Bemühungen der Regierunge­n, wirtschaft­liche Schäden abzumilder­n: „Selten hatte ich das Gefühl, dass sich unsere sonst so diversen Parteien ihrer Verantwort­ung bewusst sind und konstrukti­v zusammenar­beiten, um die Krise zu meistern.“Kaiser erklärt vielmehr, dass die Pandemie-Leugner in seinen Augen eine „erhebliche Verantwort­ung für die aktuelle Verschärfu­ng des Infektions­geschehens“tragen.

Als geradezu entsetzlic­h empfinde er die Nähe der Pandemie-Leugner zu rechtsextr­emen Gruppierun­gen: „Ich weiß nicht, ob es Ihnen noch auffällt, aber die Youtube-Ausschnitt­e der letzten Kundgebung ähnelten doch stark der AfD, Herrn Trump und anderen dumpfen Demagogen.“

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Auf einem Video bei Youtube ist zu sehen, wie der Arzt Ralf Kron bei der Veranstalt­ung der Pandemie-Leugner Ende Oktober in Lindau auf der Bühne den Hitlergruß gezeigt hat.

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