Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Zeuge belastet 19-jährige Frau schwer
Prozessauftakt um illegal angebrachte Wahlkampfaufkleber der Partei „Die Linke“in Weingarten
WEINGARTEN - Die 19 Jahre alte Angeklagte, der die Ravensburger Staatsanwaltschaft vorwirft, im Frühjahr an mindestens 18 Orten in Weingarten illegal Wahlkampfaufkleber der Partei „Die Linke“angebracht zu haben, bestreitet die Tat. „Meine Angaben sind, dass ich das nicht gemacht habe“, sagte die junge Frau aus Weingarten zum Prozessauftakt am Dienstag vor dem Ravensburger Amtsgericht. Eigentlich war der Fall nur mit einem Sitzungstag angesetzt worden. Da sich im Laufe der Verhandlung jedoch herauskristallisierte, dass noch weitere wichtige Zeugen gehört werden müssen, wurde die Sitzung vertagt und kein Urteil gefällt. Allerdings wurde deutlich, dass die Freundschaft zwischen der Beschuldigten und dem Hauptzeugen wohl nicht mehr zu retten ist. Denn er belastete sie schwer.
So soll die 19-Jährige dem Zeugen in Anwesenheit von mehreren weiteren Freunden gesagt haben, dass sie die neongelben Wahlkampfaufkleber der Linken in Weingarten an Laternenmasten, Stromkästen und Bushaltestellen angebracht habe. Sie hätten zusammen mit der Angeklagten in deren Wohnung gesessen und einen gemütlichen Abend gehabt, so der Zeuge. Dabei sei ihm einer der besagten Aufkleber aufgefallen, die er zuvor schon im Weingartener Stadtgebiet gesehen habe. Also habe er das Thema angesprochen, woraufhin sie das Vergehen zugegeben habe. „Sie hat uns gesagt, dass sie die Aufkleber dorthin geklebt hat“, sagte der ebenfalls 19 Jahre alte Mann. Da die Gastgeberin aber sehr unzugänglich gewesen sei und grundsätzlich immer versuche, ihre Mitmenschen von ihren politischen Meinungen zu überzeugen, habe man dann aber relativ schnell das Thema gewechselt.
Doch auch dieses vermeintliche Gespräch bestreitet die Beschuldigte, weswegen in der kommenden Woche drei weitere Freunde sowie der Ex-Freund der 19-Jährigen gehört werden sollen. „Dieses Gespräch, von dem er erzählt hat, hat so nicht stattgefunden. Nicht ich bin zu sehr von meinen Ansichten überzeugt, sondern er von seiner konservativen Welt“, sagte die junge Frau aus Weingarten, die angab, politisch zum linken Spektrum zu gehören. Zuvor hatte sie einige Fragen von Richterin Julia Schute und Staatsanwältin Mona Düffert beantwortet, obwohl sie eigentlich nicht mehr sagen wollte als eingangs zitiert. Ohnehin schien es, dass die junge Frau, die ohne Anwalt erschienen war, mit der Situation überfordert war. „Ich bin das erste Mal bei Gericht. Ich weiß nicht, wie das läuft“, sagte die 19-Jährige. Dafür hatte sie eine Vermutung, warum der Hauptzeuge, mit dem sie seit sechs Jahren befreundet ist, sie so schwer belastet: „Er kam mit meiner Veränderung nicht zurecht, dass ich bei rechter Propaganda und Rassismus nicht mehr wegschaue“, sagte sie. Und: „Er war schon immer sehr eifersüchtig auf meinen Freund.“Das wiederum bestritt der Zeuge. Nur zu Beginn der Freundschaft habe er Gefühle für sie gehabt und politisch sei er weder engagiert noch interessiert.
Daher sei ihm die Schwere der Tat – der Schaden an Laternenmasten und Stromkästen soll sich laut städtischem Ordnungsamt und den Technischen Werken Schussental auf 22 500 Euro belaufen – erst durch einen Artikel in der „Schwäbischen Zeitung“bewusst geworden. Als ihn dann noch Freunde darin bestärkten, wendete er sich an die „Schwäbische
Zeitung“, die seine Kontaktdaten nach seiner Einwilligung an die Polizei weitergab.
Erst durch seine Zeugenaussage rückte die 19-Jährige in den Fokus der Ermittlungen, an denen wegen des politischen Aspektes auch der Staatsschutz der Kriminalpolizei beteiligt war. Da die Aussagen „sehr glaubhaft“gewesen seien, wie der zuständige Beamte vor Gericht erklärte, wurde ein Durchsuchungsbeschluss bei der Staatsanwaltschaft beantragt, der auch bewilligt wurde. Als die Ermittler frühmorgens vor der Tür der Angeklagten standen, öffnete diese nicht, sodass der Schlüsseldienst geholt werden musste.
In dieser Zeit habe man immer wieder Geräusche aus der Wohnung gehört, die junge Frau nach der Türöffnung aber im Bett angetroffen, erinnerte sich der Polizist. Bei der
Durchsuchung konnte dann ein entsprechender Aufkleber gefunden werden, der an einem Stuhl angebracht war. „Sie hat spontan gesagt, dass solche Aufkleber mal da waren“, sagte der Beamte, danach aber keine weiteren Angaben zur Herkunft oder dem Verbleib der Aufkleber gemacht. „Dann habe ich das falsch verstanden“, sagte die Beschuldigte auf Nachfrage von Richterin Schute.
Die 19-Jährige glaubt, dass der Aufkleber in ihrer Wohnung von Bekannten ihres damaligen Freundes stammen müssen. „Es tauchen immer wieder Sticker auf. Es gibt einen Platz, wo man die anbringen kann“, sagte sie. Tatsächlich wurden in der Wohnung einige bereits angebrachte Aufkleber gefunden, die eindeutig gegen Rassismus, Nazis und Kapitalismus wettern.
Doch nicht nur die Herkunft des Wahlkampfaufklebers in der Wohnung der Beschuldigten blieb unklar. Auch konnte nicht geklärt werden, woher die Aufkleber im Stadtgebiet ursprünglich stammen. Da konnte auch die Kreisvorsitzende der Linken, Jasmin Runge, nicht helfen. Sie hatte für ihre Partei Anzeige gegen Unbekannt erstattet, um nicht auf den Kosten für die Entfernung der Kleber sitzen zu bleiben.
Auch Runge war am Dienstag als Zeugin geladen und versicherte, dass die Ravensburger Linken diese Aufkleber – sie stammen wohl aus dem Bundestagswahlkampf 2017 – noch nie geordert oder verwendet hatten und sie die Angeklagte nicht kenne.
Ob die 19-Jährige nun verantwortlich für die Tat ist, konnte am Dienstag nicht abschließend geklärt werden. Letztlich steht aktuell Aussage gegen Aussage. Daher wird der Prozess am Mittwoch, 2. Dezember, mit der Vernehmung der weiteren Zeugen fortgeführt.