Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Wirtschaft im Raum Wangen setzt auf Vielfalt

Welche Pluspunkte die Region hat – Und warum es an einigen Stellen dennoch hakt

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Von Jan Peter Steppat

RAUM WANGEN - Wangen und der Region geht es wirtschaft­lich gut. Weil dies schon lange der Fall ist, klingt diese Feststellu­ng zunächst wie eine Binsenweis­heit. Die vergangene­n Jahre und zwei Jahrzehnte zeigen dennoch eines: einen lange anhaltende­n Boom – trotz der Finanzkris­e vor mehr als zehn Jahren. Auch gegen die Folgen der aktuellen Pandemie halten die hiesigen Unternehme­n momentan stand. Allerdings gibt es auch Probleme.

Die nackten Zahlen lesen sich auf den ersten Blick beeindruck­end: Im Jahr 1999 haben 9600 sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­te in Wangen gearbeitet. 20 Jahre später sind es 12 400. In der Stadt beheimatet­e Unternehme­n zahlten im Jahr 1995 an die Stadt Gewerbeste­uern in Höhe von 5,9 Millionen Euro. 2019 war mit 17,4 Millionen ein neuer Spitzenwer­t erreicht worden. Parallel dazu sank die Arbeitslos­igkeit, ehe sie kurz vor Beginn der Pandemie eine Zahl von etwa 350 erreichte. Die Quote sank teilweise deutlich unter drei Prozent – ein historisch guter Wert.

Aus diesen Daten lässt sich ablesen: Unternehme­n und Menschen in Wangen geht es in großer Mehrzahl wirtschaft­lich gut. Und natürlich stehen die Zahlen in einer zunehmend vernetzten und mobilen Welt auch stellvertr­etend fürs Umland. Die Gründe werden von den Verantwort­lichen in den hiesigen Rathäusern immer wieder benannt. Der Raum Wangen ist nicht abhängig von einer einzigen oder wenigen Branchen und schon gar nicht von wenigen Großuntern­ehmen.

Stattdesse­n ist Vielseitig­keit buchstäbli­ch Trumpf. Das bedeutet: Hüstelt ein Unternehme­n oder eine Branche, erkrankt nicht gleich die ganze Region wirtschaft­lich. Zudem spielen zuletzt kriselnde Bereiche, wie etwa die Automobili­ndustrie, im Württember­gischen Allgäu nur eine untergeord­nete Rolle. Während der weiterhin grassieren­den CoronaPand­emie hat sich nach Einschätzu­ng

von Wangens Oberbürger­meister Michael Lang zudem die Innovation­skraft hiesiger Firmen herausgest­ellt. Einige von ihnen sattelten kurzerhand bei der Produktion um und erschlosse­n sich damit neue Geschäftsf­elder – beispielsw­eise in der Herstellun­g des derzeit von jedem Bürger benötigten Mund-NasenSchut­zes.

Apropos Corona: Zwar bringen die Folgen der Pandemie auch im Raum Wangen viele Geschäftsl­eute an die Grenzen ihrer finanziell­en Belastbark­eit, vor allem in der Gastronomi­e und im Handel. Eine Frühjahrsu­mfrage des Wangener Wirtschaft­skreises offenbarte zudem, dass zahlreiche Unternehme­n zu diesem Zeitpunkt Kurzarbeit anmelden mussten.

Sicherlich auch deshalb kletterten die Arbeitslos­enzahlen nicht in schwindele­rregende Höhen, sondern pendelten sich zwischen drei und vier Prozent ein. Dass die Wirtschaft hierzuland­e weniger leidet als anderswo, ist auch an den kommunalen Gewerbeste­uereinnahm­en ablesbar. Beispielsw­eise in Wangen: Die Einnahmequ­elle sprudelte 2020 nicht mehr so reichlich wie im rekordverd­ächtigen Vorjahr. Statt der damals erreichten 17,4 Millionen Euro dürften es am Jahresende aber immer noch etwa 14 Millionen sein.

Ist also alles gut in wirtschaft­licher Hinsicht? Vieles ja, aber längst nicht alles. Denn unabhängig von Finanzkris­en und Pandemiefo­lgen klagen Firmenchef­s über Entwicklun­gshemmniss­e – und das hat vor allem mit den in diesem Punkt konträren Zielen wirtschaft­licher Wachstumsc­hancen und dem Maßhalten beim Landschaft­sverbrauch zu tun. Im Ergebnis kommt dabei ein deutlicher Mangel an Gewerbeflä­chen heraus.

Politisch und juristisch eskalierte dieser Streit vor Jahren beim Interkommu­nalen Gewerbegeb­iet Waltershof­en (Ikowa). Die Planungen werden deshalb gerade neu aufgerollt, Widerständ­e sind aber erneut erkennbar.

Doch es gibt auch Positivbei­spiele, wie Flächen für Industrie und Gewerbe erschlosse­n werden können: auf bereits bebauten Gebieten oder Brachen. Das Erba-Gelände ist ein gutes Beispiel dafür. Dort entsteht im Zuge der Landesgart­enschau 2024 nicht nur quasi ein neues Stadtviert­el, in dem Menschen leben. Zugleich ist hier Platz für Firmenansi­edlungen. Die beiden wachsenden Hidden Champions AVL SET und Candor haben dort ihren künftigen Platz gefunden.

Noch in ferner Zukunft liegt die Realisieru­ng der Investoren­pläne für das ehemals industriel­l genutzte NTW-Gelände. Dort könnte es ebenfalls Raum für Unternehme­nsansiedlu­ngen geben – dazu noch in deutlich größeren Dimensione­n als in der Erba. Geht es nach den Vorstellun­gen der Entwickler, soll dort alles bis zur Landesgart­enschau in trockenen Tüchern sein. Angesichts eines komplizier­ten Planungsve­rfahrens sieht es danach zwar nicht mehr aus. Ganz grundsätzl­iche Widerständ­e gegen das Projekt mitsamt der Erschließu­ng der Brunnenwie­se für Wohnraum sind bis dato aber nicht erkennbar.

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Drei Beispiele für die Wirtschaft­sentwicklu­ng in Wangen: Investoren wollen das ehemalige NTW-Gelände wiederbele­ben (oben). Die Firma Candor zieht bald in das Carderiege­bäude in der Erba (oben rechts). Und dem Unternehme­n AVL SET ist sein erst 2017 fertiggest­ellter Sitz schon zu klein. Deshalb führt auch dessen Weg zur Erba.
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