Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Das lebenswerte Zentrum Oberschwabens
Gesunde Wirtschaft, florierender Handel: Aber ein paar Probleme gibt es in Ravensburg dennoch
RAVENSBURG - Ravensburg ist einzigartig. Das weiß niemand besser als die Ravensburger selbst. Ihr Lokalpatriotismus ist äußerst ausgeprägt. Weder konservativ noch reaktionär ist er, sondern eher liebevoll zu nennen. Wenn auch ziemlich selbstbewusst. Ravensburg vergleicht sich nicht mit Ulm oder Konstanz, sondern, wenn es sein muss, eher mit München.
Wenn ein Ravensburger einen Spitzenjob in Stuttgart ergattert, dann heißt es nicht selten vonseiten anderer Einheimischer: Das tut mir leid. Denn auf Dauer weg will hier niemand. Spätestens nach dem Ende des Studiums oder Berufserfahrungen andernorts kehren viele Ravensburger wieder zurück, wenn es denn möglich ist. Und natürlich zum Rutenfest, das einmal im Jahr und immer zu Beginn der Sommerferien gefeiert wird – wenn nicht gerade Corona dazwischenkommt – reisen (fast) alle wieder an, die im Moment im Exil leben müssen.
Ravensburg ist halt einfach etwas Besonderes. Eine ehemalige Freie Reichsstadt mit einem starken Bürgersinn,
Kloster Weißenau eine prachtvolle Anlage für Besucher zu bieten, ein Theater mit eigenem Ensemble kann die Stadt ebenso vorweisen. Es gibt neben zahlreichen Kirchen eine Moschee mit Minarett und ein buddhistisches Zentrum. Weltoffen war die Stadt der Händler schon immer.
Manche Probleme hat Ravensburg aber bisher dennoch nicht gelöst. Obwohl wirtschaftlich und kulturell gesegnet, kommt die Lokalpolitik bei anstehenden Herausforderungen wie dem Klimawandel nur langsam und mühsam voran. An Verkehrskonzepten wird seit Jahren ohne durchschlagenden Erfolg gearbeitet. Radfahrer müssen an manchen Stellen Nahtoderfahrungen machen. Und die Altstadt wird im Sommer immer noch heißer, weil die warme Luft nicht abfließen kann. Die beliebten Hanglagen sind massiv zugebaut, was dem Stadtklima nicht guttut. Auch an dieser Stelle fehlen noch nachhaltige politische Beschlüsse, um die lebenswerteste Stadt Oberschwabens auch in Zukunft lebenswert sein zu lassen. Und um das zu erhalten, was Ravensburg ausmacht: seine Einzigartigkeit.