Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Landräte üben Kritik an Corona-Strategie
Kreise Tuttlingen und Schwarzwald-Baar wünschen sich klarere Ansagen der Landesregierung
TUTTLINGEN - Als einer der ersten Landkreise in Baden-Württemberg verschärft Tuttlingen die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Unter anderem treten am Samstag neue Kontaktbeschränkungen und eine erweiterte Maskenpflicht in Kraft. Landrat Stefan Bär übte am Freitag Kritik an der Landesregierung. Vieles gehe zu langsam.
So wird es in Tuttlingen zunächst keine nächtliche Ausgangssperre geben – auch weil bis Freitag ein offizieller Erlass dazu aus dem Sozialministerium fehlte, kritisierte Bär.
Das Land hatte am Donnerstag einheitliche Vorgaben für CoronaHotspots verkündet, Details wurden in einem am Freitag veröffentlichten Erlass geregelt. Unter anderem darf sich öffentlich und privat nur noch ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen, maximal fünf Personen. An Beerdigungen dürfen nur 50 Personen teilnehmen. Krankenhäuser und Pflegeheime dürfen nur nach Antigentest oder mit FFP2-Maske besucht werden. Ausgangsbeschränkungen sind vorgesehen. Zwischen 21 und 5 Uhr darf man das Haus nur mit triftigem Grund verlassen.
Diese Regeln betreffen Landkreise mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner. Diese Regelung soll laut Landesregierung gelten, wenn die Inzidenz von 200 an drei
Tagen in Folge überschritten wird. Zudem monierte Bär auch: Wenn das Land Baden-Württemberg weitgehende Maßnahmen wie nächtliche Ausgangsbesschränkungen vorgebe, müsse die Einhaltung auch überwacht werden. „Das ist auch eine Frage der Kontrolle. Es würde nur gehen, wenn zusätzliche Kräfte des Landes zum Kontrollieren abgestellt werden. Dazu haben wir noch nichts gehört“, so Bär.
Auch aus dem SchwarzwaldBaar-Kreis kamen kritische Töne. Dort gelten wie in Tuttlingen ab
Samstag strengere Regeln. „Wir wollten nicht länger warten, bis das Land tätig wird“, sagte der Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises, Sven Hinterseh (CDU) am Freitag zur Begründung der nun selbstständig erlassenen Maßnahmen. Zu landesweiten Regelungen, die am Donnerstag von der Regierung angekündigt wurden, sagte er, „ich hätte mir gewünscht, dass das schneller geht“.
Der Tuttlinger Landrat übte außerdem Kritik an der Kommunikation der Landesregierung. „Wir würden uns wünschen, Dinge nicht aus der Presse zu erfahren, sondern dass direkt mit uns kommuniziert würde“, sagte Bär.
Markus Jox, Pressesprecher des Sozialministeriums, wies diese Kritik am Freitag zurück. „Wir sprechen uns mit allen kommunalen Landesverbänden ab“, betont Jox auf Nachfrage. Gemeindetag, Städtetag und Landkreistag seien bei allen entscheidenden Fragen eingebunden. „Wir erwarten, dass das weitergegeben wird“, so Jox. Auch der Erlass zu den Hotspots werde erst mit den Landesverbänden abgestimmt, bevor er an die Presse gehe. Zudem: „Die Landkreise erhalten alle unsere Pressemitteilungen.“
Jox spielt den Ball zurück: „Der Landkreis hätte selbst schon vor Wochen etwas machen können.“Das Sozialministerium sei mit der Verordnung nur der Bitte der Landkreise nachgekommen, landesweite Regelungen zu treffen. So hat Mannheim bereits am Donnerstag eine Ausgangssperre für die Nachtstunden beschlossen.
Der Präsident des Gemeindetags, Roger Kehle, verteidigte die drastischen Einschränkungen in den Corona-Hotspots. Ihm sei bewusst, dass Ausgangsbeschränkungen ein heftiges Mittel seien, sagte Kehle. Nach schmerzlichen Überlegungen sei man jedoch im Corona-Lenkungskreis der Landesregierung zu dem Schluss gekommen, dass es keine andere Möglichkeit gebe.