Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Fehlersuche beim Schlachthof Biberach
Warum das Sichten der Videos so lange dauert und worüber sich der Geschäftsführer ärgert
BIBERACH - Seit mehr als einer Woche ist der Schlachthof Biberach inzwischen geschlossen. Öffnen soll er erst wieder, wenn die Vorwürfe wegen des Verstoßes gegen den Tierschutz aufgeklärt sind, teilten das Ministerium für Ländlichen Raum und das Landratsamt Biberach am Mittwoch vor einer Woche mit. Seither läuft die Überprüfung der Videoaufnahmen des Vereins „Soko Tierschutz“– sowohl bei den Behörden als auch beim Betreiber des Schlachthofs. Der sieht sich, zumindest in Teilen, zu Unrecht am Pranger.
Die vergangenen Tage seien schwierig gewesen, sagen Schlachthof-Geschäftsführer Michael Koch und Markus Eicher, der derzeit für die Kommunikation des Betriebs mit der Presse verantwortlich ist. „Wir sind seit einer Woche in einer Ausnahmesituation, weil wir uns schnellstmöglich zu Vorwürfen äußern sollen, zu denen wir uns im Moment aber nur schwer äußern können“, so Eicher.
Es geht dabei um die laut Eicher rund 200 Stunden Filmmaterial der „Soko Tierschutz“, auf deren Grundlage die Vorwürfe gegen den Schlachthof beruhen. Inzwischen sei das Material vom Landratsamt zur Verfügung gestellt worden, damit es auch vom Schlachthof auf Fehlverhalten überprüft werden kann. Das Sichten der Videobilder brauche aber Zeit und höchste Aufmerksamkeit. „Man muss da sehr genau hinschauen und man muss sich vor allem das gesamte Material bis zur letzten Sekunde anschauen“, so Eicher. Ansonsten lasse sich nämlich nicht mit Sicherheit sagen, ob es tatsächlich zu systematischen Verstößen gegen den Tierschutz gekommen sei oder ob einfach vereinzelt Fehler gemacht wurden. „Wir können diese Frage, Stand heute, noch nicht abschließend bewerten.“
Es sei zunächst auch darum gegangen, geeignete Experten zu finden, die das Videomaterial analysieren, sagt Michael Koch. Wenn mehrere Leute sich ein und dieselbe Szene zum Teil mehrfach anschauen und dann bewerten müssen, dann sei das ein unglaublicher Aufwand. Gründlichkeit gehe dabei vor Schnelligkeit. „Ich weiß nicht wie lange es dauern wird, deswegen kann ich im Moment auch nicht sagen, wann der Schlachthof wieder öffnen kann“, so Koch.
Parallel zur Sichtung der Videoaufnahmen habe man eine kleine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern des Schlachthofs, aber auch externen Fachleuten, gebildet, die den Schlachthof und die Abläufe darin überprüfen, um Verbesserungen vorzuschlagen und umzusetzen. Es gehe jetzt darum, einen Weg aus der momentanen Krise zu finden, so Eicher. „Wenn wir Fehler finden, dann werden diese abgestellt. Dafür stehen wir gerade“, so der Sprecher. Neben dem bereits angekündigten Installieren eigener Kameras sollen die Mitarbeiter sensibilisiert werden. „Bei Bedarf werden wir auch nachschulen oder umbesetzen.“
Gleichzeitig kündigt Eicher an, dass sich der Schlachthof gegen falsche Vorwürfe wehren will. „Wir sind derzeit noch vorsichtig mit konkreten Aussagen, aber wir haben den starken
Eindruck, dass hier – wenn überhaupt – einzelne Fehler über einen langen Zeitraum passiert sind“, so Eicher.
Erschüttert seien er und Koch über die Art der Vorverurteilung, die in den vergangenen Tagen stattgefunden habe – unter anderem auch gegenüber den Mitarbeitern der Metzgerei Koch, die nicht zum Unternehmen Schlachthof Biberach gehört, deren Geschäftsführer Michael Koch aber ebenfalls ist. So seien MetzgereiMitarbeiter oder sogar deren Kinder in der Schule verbal angegangen worden. Es habe auch anonyme Anrufe bei Mitarbeitern zu Hause gegeben, berichtet Eicher. „Ein ganzes Unternehmen und die Mitarbeiter, die seit Jahren dort arbeiten, werden so Opfer einer gesellschaftlichen Diskussion, in der es am Ende um die Frage ,Fleisch – ja oder nein?’ geht“, findet Eicher. Es habe in den Läden der Metzgerei aber auch viel Zuspruch gegeben, sagt Michael Koch. Aufgrund stark zurückgegangener Umsätze habe man aber am Freitag die Produktion aussetzen müssen.
Geärgert habe er sich in den vergangenen Tagen auch über manche Aussage aus der Politik, sagt der Geschäftsführer. „Ich halte das zum Teil für wilden Aktionismus, ohne dass man sich in der Praxis auskennt“, so Koch. „Herr Hauk und sein gesamter Stab dürfen gerne sofort hierher kommen und sich alles anschauen.“
Hinter den Schlachthof hätten sich auch die Landwirte gestellt, die ihre Tiere dorthin liefern, sagt Eicher. „Der letzte regionale Schlachthof, den es hier gibt, wird gerade kaputtgemacht, primär von Tierschützern, die illegal arbeiten und denen man mehr glaubt, als den Handwerkern und Metzgern vor Ort.“Die Landwirte bringen ihre Tiere derzeit nach Mengen (Kreis Sigmaringen), so Koch. Der dortige Schlachthof habe ihn dabei unterstützt, dass der Kreislauf vorerst weiter funktioniere. Die Metzgerei Koch nehme weiterhin wie zugesagt Fleisch ab und zahle den zugesagten Preis, der 15 bis 20 Prozent über der Notierung des derzeit niedrigen Schweinepreises sei, so Koch.