Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bierhoff glaubt weiter an Löw
FRANKFURT (SID) - Oliver Bierhoff machte eine klare Ansage. „Ich bin nicht Joachim Löws Anwalt“, sagte der DFB-Direktor energisch – doch er hätte sich durchaus eine Robe überstreifen können. Bierhoff hielt eine halbstündige, leidenschaftliche Verteidigungsrede für den Bundestrainer. „Im absoluten Ausnahmejahr 2020 konnte der Trainer gar keine Entwicklung vorantreiben“, sagte er im Plädoyer zur Entlastung Löws, der trotz des 0:6-Debakels in Spanien im Amt bleiben darf: „Die Bewertung eines Bundestrainers kann nicht an einem Spiel hängen.“Der DFB-Direktor schaltete sich in der Videokonferenz durch ein Dutzend Grafiken und Schaubilder, dann sagte er: „Ich mache meinen Frieden damit, dass 2020 nur die Ergebnisse gestimmt haben, aber nicht die Entwicklung der Mannschaft.“
Mangels Zeit und gemeinsamem Training, durch viele Absagen und Corona-Fälle sei Löw nach einem Jahr des Umbruchs und der Weiterentwicklung derzeit mehr Verwalter als Wandler: „Es ist ein tolles Ergebnis, das er unter diesen Umständen und Schwierigkeiten erreicht hat.“Damit band Bierhoff auch seine Zukunft noch mehr an die des Bundestrainers.
Bierhoff hatte der Verbandsspitze des DFB am Freitag seine Einschätzung der letzten zwei Jahre präsentiert. Fazit: 2019 wurde entwickelt, vorangetrieben. 2020 wurde verwaltet, irgendwie durchgehalten. Alle Jahresziele jedoch seien erreicht worden: „Die EM-Qualifikation, der Klassenerhalt in der Nations League, das Ziel, in der EM-Qualifikation ein Gruppenkopf zu werden“, zählte Bierhoff auf.
Wie sehr es im Verband rumort, war dem DFB-Direktor anzumerken. Präsident Fritz Keller und Löw, beide werden sich vor Weihnachten allen Fragen stellen, hätten durchaus „lauter miteinander diskutiert“. Bierhoff ärgerte sich zudem über Indiskretionen und Durchstechereien aus dem innersten Zirkel. Die neuesten Interna konnte Bierhoff im „Spiegel“lesen. Im Verband heiße es inzwischen, das Abschneiden der Nationalmannschaft bei der EM entscheide sowohl über Löws als auch über Kellers Zukunft.