Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Vom Zauber der Rauhnächte
Zur Zeit zwischen den Jahren finden sich viele Mythen, Bräuche und Aberglaube
AULENDORF - Die Zeit zwischen den Jahren wird vielerorts Rauhnächte, Rauchnächte oder die „heiligen Zwölf“genannt. Seit jeher gelten die zwölf Nächte und elf Tage zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag als heilige Zeit. Die Nächte stehen symbolisch für die zwölf Monate im neuen Jahr. Sie sollen jeweils die Ereignisse im zugeordneten Monat vorhersagen, deshalb lauten sie auch „Losnächte“(von Losen = vorhersagen). SZ-Mitarbeiterin Claudia Buchmüller kann sich noch gut an ihre Kindheit erinnern, hatte doch ihre Mutter in dieser Zeit sorgfältig die Wetterlage und alle weiteren Vorkommnisse, einschließlich Träumen, in einem besonderen Büchlein notiert. Für die SZ hat sie sich auf Spurensuche zu dieser besonderen Zeit zwischen den Jahren begeben.
Die Rauhnächte entstanden wohl, als im Laufe der Menschheit die Zeit vom Mondkalender zum Sonnenkalender umgestellt wurde. Der Mondkalender hatte nur 354 Tage, der Sonnenkalender 365, so blieben zwölf Nächte übrig. Einem Mythos zufolge sind an diesen Tagen die Kräfte der Natur außer Kraft gesetzt und die Tore zu einer anderen Welt stehen offen. Doch sowohl beim Zeitraum der Rauhnächte, der in manchen Gegenden Europas bereits am Andreastag, 30. November, andernorts am 21. Dezember, dem Tag des heiligen
Thomas (gleichzeitig Wintersonnenwende) oder erst an Heiligabend beginnt, als auch bei der Bezeichnung dieser Zeit bestehen regionale Unterschiede. Eines haben alle gemeinsam – die Zeit der Stille, des Abschiednehmens vom alten und der Vorschau auf das kommende Jahr. Auffallend ist zudem die Verbindung zwischen germanischen Ursprüngen und dem christlichen Glauben.
Damit einher gingen unzählige Bräuche und Rituale. Manche, wie das Perchtenlaufen in Bayern, bei dem sich junge Burschen als gruselige Gestalten verkleiden, um den Winter zu vertreiben, haben die Zeit überdauert. Viele Bräuche sind verbunden mit dem allzu menschlichen Wunsch, zu wissen, was das kommende Jahr bringen mag. Da gibt es etwa den Brauch des Pantoffelwerfens
am Andreastag (auch Schutzheiliger der Liebenden und des Ehestandes), bei dem ein unverheiratetes Mädchen einen Pantoffel hinter sich wirft und je nachdem, wie dieser landet, sind ihre Aussichten, ob sie im kommenden Jahr heiraten wird. Auch die Bauern haben den Andreastag zur Vorausschau genutzt, lautet doch eine Wetterweisheit „Andreasschnee tut Korn und Weizen weh“. Auf den Dörfern wurde darüber hinaus die gesamte Zeit gerne zur Wetterprognose für das kommende Jahr genutzt.
Ein weiteres beliebtes Ritual, dem auch die Namensgebung Rauh- oder Rauchnächte zugeschrieben wird, ist das Räuchern, welches auf der ganzen Welt praktiziert wird. Besonders auf dem Land gehörte das Weih-, Schutz- und Reinigungsräuchern zum Alltag. Der Hofälteste ging mit einer Räucherpfanne voll bestimmter Kräuter durch Haus und Stall, gefolgt von der betenden Familie und der Mutter, welche mit Weihwasser abschließend den Segen gab. Somit wurde das Haus gereinigt von allem „Alten“und auf das neue Jahr vorbereitet. Das Räuchern selbst erfreut sich heute wieder großer Beliebtheit, wie die vielseitige Literatur, die es zu diesem Thema gibt, beweist.
Viele Überlieferungen stecken aber auch voller Aberglaube, wie Berichte von sprechenden Tieren, dem Verbot von Wäscheaufhängen im Freien, da diese ansonsten zum Leichentuch werde. Weiter wurde vor Dämonen, die sich herumtreiben, gewarnt. Dagegen sind Aufschriebe von Träumen in diesen Nächten mehr als harmlos. Über ein weiteres Ritual berichtet die Aulendorferin Manuela Sczech, die schon einmal an einem Tagesseminar über Rauhnächte teilgenommen hat. „Das war echt spannend“, erzählt sie rückblickend. Damals hätte sie dann 13 Wünsche notiert und diese Notizen einzeln verbrannt, wobei hier wieder die zwölf Monate zugrunde gelegt wurden und der 13. Wunsch das globale Jahresthema betraf. Heuer sei sie beruflich zu sehr eingespannt, man könne sich ja nicht nur schnell hinsetzen und was formulieren. „Das sollte schon gut durchdacht sein“sagt sie. Womit wir wieder beim Innehalten, Loslassen und Vorausschauen angekommen wären.