Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Albrecht Krauss im Alter von 86 Jahren verstorben
Ravensburg trauert um den langjährigen Chef und Ehrenvorsitzenden der Rutenfestkommission
RAVENSBURG - Der langjährige Vorsitzende der Ravensburger Rutenfestkommission (RFK), Albrecht Krauss, ist am vergangenen Dienstag verstorben. Er wurde 86 Jahre alt. In fast einem Vierteljahrhundert als Chef der RFK hat er das Rutenfest, wie es die Ravensburger heute kennen, entscheidend mitgeprägt.
„Ich bin Ravensburger mit Leib und Seele und wollte meinen Beitrag für die Gesellschaft leisten“, sagte Albrecht Krauss vor acht Jahren in einem Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“: „Beim Rutenfest geht es darum, den Menschen – Kindern wie Erwachsenen – Freude zu bereiten. Außerdem ist es mir ein Anliegen, die Tradition zu pflegen und zu erhalten. Bei all dem ist die Hauptsache, dass die Kinder eine bleibende Erinnerung fürs Leben mitnehmen.“
Wenn man an Schicksal glaubt, dann waren es nicht nur Geschichtsbewusstsein und Heimatliebe, die Krauss antrieben, sondern auch die Tatsache, dass er am 26. Juni 1934 um 20 Uhr das Licht der Welt erblickte – auf den Tag und die Stunde genau 23 Jahre nach Gründung der Ravensburger Rutenfestkommission.
Der RFK trat der gebürtige Ravensburger 1959 bei. „61 Jahre war er unserem geliebten Rutenfest bis zu seinem Tod treu“, schreibt der heutige RFK-Vorsitzende, Dieter Graf, in seinem Nachruf auf den Verstorbenen. Über Jahre hinweg war Albrecht Krauss in vielen verschiedenen Funktionen in der ehrenamtlich tätigen Kommission engagiert. Graf: „Er hat das Rutenfest geprägt.“
Das passierte nicht zuletzt durch seine Arbeit als Vorsitzender der RFK. Dieses Amt übernahm Krauss 1975. Sieben Mal wurde er als Chef der Kommission wiedergewählt und blieb bis 1999 im Amt. Obgleich ihm die Tradition des Ravensburger Bürger-, Heimat- und Volksfestes stets am Herzen lag, zeigte er sich offen für Veränderungen. 2012 sagte er: „Die Welt verändert sich ständig, da muss auch so ein Fest im Wandel sein.“
Unter seinem Vorsitz führte die RFK 1969 den Frohen Auftakt am Rutensamstag auf dem Gespinstmarkt ein, der später auf den Marienplatz umzog. Die Darbietungen bei „Tanzen – Spielen – Musizieren“verlegte man vom Vorplatz der Kuppelnauschule in die Oberschwabenhalle und öffnete sie für alle Schülerinnen und Schüler. Auch beim Rutentheater gab es Veränderungen: Wechselten sich früher die Gymnasien, Haupt-, und Realschulen bei den Aufführungen ab, so machen inzwischen in jedem Jahr alle Schulen mit.
Nie einen Hehl machte Albrecht Krauss aus seiner Vorliebe für das Herzstück des Ravensburger Heimatfests, den Großen Festzug am Rutenmontag. Der wurde unter seiner Ägide stark ausgebaut und qualitativ aufgewertet. Die rund 80 Umzugswagen des Zuges seien, so sagte der Verstorbene einmal, „nicht nur Wagen, sondern Kunstwerke“. Erst durch den Umzug der RFK aus der alten Requisitenhalle in das neue Rutenfesthaus
in der Schützenstraße war der Raum da für weitere Festwagen, die detailverliebt von Ehrenamtlichen gebaut und ausgestattet wurden. Der Bau des Rutenfesthauses neben der Oberschwabenhalle, am 16. Mai 1992 eröffnet, war nicht zuletzt ein Verdienst von Albrecht Krauss, den über Jahre hinweg viele Menschen in Ravensburg den „Ruten-Krauss“nannten.
Gelernt hatte Krauss Verwaltungswirt an der Ausbildungsstätte in Haigerloch, die auch der badenwürttembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann besuchte. Doch sein beruflicher Weg verschlug ihn in die Welt der Geldinstitute. Unter dem langjährigen Chef der Kreissparkasse Ravensburg, Franz Janausch, war er Vorstandssekretär. Später, bis zu seinem Ruhestand, Leiter der Zweigstelle Waaghaus im Herzen der Stadt.
Der Träger der Ehrenmedaille der Stadt Ravensburg und des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland verbrachte seine ersten Lebensjahre in einem großen Haus, das heute in Ravensburg als WLZGebäude bekannt ist. Dieser inzwischen denkmalgeschützte Bau gilt als Retter der Türmestadt im Zweiten Weltkrieg. Weil der Vater von Albrecht, Valentin Krauss, als Leiter der Württembergischen Warenzentrale Ravensburg Herr über dieses Gebäude war. Und entgegen der Anweisung seiner Vorgesetzten während der Kriegsjahre den Speicher für Hilfspakte, die an alliierte Kriegsgefangene in ganz Süddeutschland gehen sollten, zur Verfügung stellte. Damit stand Ravensburg unter dem Schutz des Roten Kreuzes und entging vermutlich deshalb zerstörerischen Angriffen aus der Luft.
Vielleicht das Einzige, was Albrecht Krauss in Bezug auf das Ravensburger Rutenfest grämte, war die Tatsache, dass die von ihm 1980 geschriebene vierte Strophe des 1924 gedichteten Heimatliedes bei offiziellen Anlässen ignoriert wurde und sich auch in der Bürgerschaft niemals durchsetzte. Sie lautet: „Mein Ravensburg, mein Rutenfest / geliebt von uns auf’s allerhöchst / des Bürgers Stolz, der Jugend Freud / das Fest der frohen Herzlichkeit / Das schönste Feste im Schussental / Sei mir gegrüßt viel tausendmal“.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte der RFK-Ehrenvorsitzende im Ravensburger Bruderhaus. Allerdings nicht einsam. Er blieb, wenn auch in seiner Mobilität eingeschränkt, durch einen Rollator am gesellschaftlichen Leben beteiligt, ging gerne ins Café, besuchte die ehemaligen Kollegen in der Kreissparkasse. Und er freute sich schon aufs Altschützenjahr 2020, das wegen Corona leider ebenso ins Wasser fiel wie das gesamte Rutenfest. „Das Altenschießen in Ravensburg ist einmalig und wohl der schönste heitere Schießwettbewerb Deutschlands, wenn nicht gar der ganzen Welt", schwärmte Krauss vor 20 Jahren.
RFK-Chef Dieter Graf schreibt in seinem Nachruf: „Albrecht Krauss wird für immer in die Geschichte des Rutenfestes und der Stadt Ravensburg eingehen.“