Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Der ganz große Johnson
Bis dato gab es ja nur den großen Johnson, das weltweit geschätzte Standardwerk in Sachen Wein. Auf gut 700 Seiten wird darin die Qualität von Rebsorten unter die Lupe genommen. Seit ein paar Tagen gibt es nun das Brexit-Handelsabkommen, mit 1246 Seiten quasi der ganz große Johnson. Stolz verkündete der britische Premier gleichen Namens, dass er alles komplett gelesen habe. Wie viele Sterne er dem Inhalt geben würde, sagte er lieber nicht. Wahrscheinlich hatte sich Boris Johnson das Regelwerk mit ein paar Gläschen seines Lieblingsweins
Tiganello schöngetrunken, als er nach Vollzug des britischen EU-Austritts pünktlich zum Jahreswechsel verlauten ließ: „Dies ist ein großartiger Moment für dieses Land.“
Für den alten Johnson, Boris’ Vater Stanley, ist das alles so haarsträubend wie die Frisur seines Sohnes. Er werde die französische Staatsbürgerschaft beantragen, kündigte er nun an. Seine Mutter sei in Frankreich geboren, seine Großmutter Französin, ihr Großvater Franzose. Er selbst wolle sich eine „persönliche Verbindung“zur Europäischen Union bewahren. „Ich werde immer Europäer sein, das steht fest.“Kein Wunder, war der 80-Jährige doch einst einer der ersten britischen Beamten in Brüssel und EU-Parlamentarier.
Dass Brexit-Boris angesichts dieser Ahnenreihe bald selbst inkognito in Paris auftaucht, um wieder einen EU-Pass zu erhalten? Eher nicht. Sein geliebter Tiganello, ein sündteurer Supertoskaner, dürfte jedoch auf der Insel künftig noch teurer werden. Denn irgendwo auf den 1246 Seiten steht gewiss auch etwas über Zölle und italienischen Wein. (jos)
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