Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Späte Regelung schafft noch keine Klarheit
Gesetzesänderung: Das bedeutet die 20-Jahres-Frist für die Aulendorfer Wasserbetroffenen
AULENDORF - Wie lange darf eine Stadtverwaltung von ihren Bürgerinnen und Bürgern rückwirkend einen einmaligen Beitrag für den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung sowie die Abwasserkanäle einfordern? Um diese Frage wird in Aulendorf seit einigen Jahren gestritten. Jüngst hat nun der Landtag eine Gesetzesänderung beschlossen und damit die Frage im Prinzip beantwortet: Nach 20 Jahren ist Schluss. Doch gilt das auch für die noch offenen Fälle der Aulendorfer Wasserbetroffenen?
Wer ein Baugrundstück kauft, der erhält einen Anschluss ans Wassersystem der Stadt. Dafür wird einmalig ein sogenannter Wasserversorgungsbeitrag fällig – jedenfalls dann, wenn die Stadt das in einer entsprechenden Satzung geregelt hat und einen Beitragsbescheid zustellt. Das ist in Aulendorf lange Zeit versäumt worden. Dann wollte die Stadtverwaltung es nachholen und stieß auf Widerstand: betroffene Bürgerinnen und Bürger wehrten sich gegen die teilweise bereits vor mehreren Jahrzehnten entstandene Beitragsschuld.
Zuletzt verschickte die Stadt 2016 rückwirkende Bescheide, für Fälle zum Großteil von Anfang der 1990erJahre. Damals in der in Baden-Württemberg mittlerweile üblichen Manier
für bis zu 30 Jahre zurückliegende Fälle. Eine klare gesetzliche Regelung gab es dazu allerdings nicht. Mit der jüngst beschlossenen Änderung des Kommunalabgabengesetzes hat sich das geändert. Der Landtag hat ihr am 2. Dezember zugestimmt und damit auch Paragraf 20, Absatz 5 eingefügt: „Die Festsetzung eines Beitrags oder einer sonstigen Abgabe zum Vorteilsausgleich ist ohne Rücksicht auf die Entstehung der Abgabenschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig.“
Gegen die insgesamt 22 Bescheide von 2016 legte ein Großteil der Betroffenen Widerspruch ein. Stand heute wird ein Fall, für dessen Grundstück die Anschlussmöglichkeit wie mittlerweile wohl feststeht spätestens zum 1. Juli 1995 entstanden ist, als Musterverfahren geführt – stellvertretend für 15 weitere Fälle, deren Verfahren deshalb derzeit ruhen. In erster Instanz kassierte das Verwaltungsgericht Sigmaringen den Bescheid für das Grundstück, von dem es damals noch hieß, es sei 1993 oder 1996 angeschlossen worden. Seit nun mehr als eineinhalb Jahren kommt das Berufungsverfahren am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württembergs nicht vom Fleck. Insgesamt geht es um 215 000 Euro an Beiträgen, wobei die Beitragshöhe in den einzelnen Fällen zwischen 2800 und 32 000 Euro variiert.
Die Aulendorfer Wasserbetroffenen werden auch von Dietrich Kuntz beraten, der zwar kein Anwalt, aber aus eigener Erfahrung seit vielen Jahren mit dem Thema rückwirkend erhobene Wasserversorgungsbeiträge in Baden-Württemberg beschäftigt. Bislang, sagt er, habe es gar keine Begrenzung geben, von da her sei die Gesetzesänderung gut. „Für den Musterfall in Aulendorf ist es auch hilfreich, denn der liegt nun außerhalb der 20-jährigen Verjährungsfrist und müsste damit hinfällig sein.“Auch die anderen noch offenen Fälle liegen nach Auskunft der Stadt – mit einer Ausnahme – außerhalb der neuen Frist. Kuntz erwartet nun, dass der Verwaltungsgerichtshof den Beitragsbescheid aufhebt oder die Aulendorfer Stadtverwaltung von sich aus die Bescheide zurück nimmt.
Dass letzteres kein Automatismus ist, wird klar, wenn man Aulendorfs Bürgermeister Matthias Burth zur neuen Gesetzeslage befragt. „Wir haben uns noch keine abschließende Meinung dazu gebildet“, sagt Burth, „wenn das Gesetz verkündet wird, werden wir uns dem Thema annehmen und sehr zeitnah einen Vorschlag in die Gremien einbringen.“Allerdings müsse man sich genau ansehen, ob alle Fälle darunter fallen würden, denn es werde wohl eine Übergangsregelung geben. Noch sei ihm unklar, was mit Fällen geschehe, für die es – wie in Aulendorf – bereits Bescheide gebe, die aber noch nicht vollzogen seien.
Auch in einem weiteren Punkt gehen die Einschätzungen auseinander:
Kuntz hält grundsätzlich auch die 20-Jahres-Frist für zu lange. „Zehn Jahre wären als Höchstfrist angebracht“, findet er und sieht eine Entscheidung einseitig zu Gunsten der Behörden. Die Aufbewahrungsfrist für Unterlagen, etwa steuerliche, seien ja auch nur zehn Jahre. Burth indes sagt, er halte die 20 Jahre rückwirkende Erhebung von Beiträgen für angemessen. „Ja, weil ja auch jemandem eine Vorteilslage entstanden ist. Diesen Vorteil hat derjenige und das weiß er auch.“20 Jahre zurück wisse man, was auf seinem Grundstück geschehen sei.
Nichtsdestotrotz hätte auch Burth sich eine frühere Entscheidung gewünscht. „Da gehen einem schon mehrere Gedanken durch den Kopf“, sagt er zur nun festgelegten 20-Jahres-Frist, „die Regelung hätte das Land schon früher treffen können, dann hätte für uns und für andere Kommunen viel früher eine Rechtsklarheit bestanden. Es ist bedauerlich, dass die Regelung so spät kommt.“