Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Wir wollen das Lachen und die Erinnerungen rausholen“
Zunftmeister Roland Haag und Fasnetssprecher Sven Hillebrecht sprechen über eine noch nie dagewesene Fasnet 2021
BAD WALDSEE - Corona hat die fünfte Jahreszeit ausgebremst und zu einer Absage sämtlicher Fasnetsveranstaltungen geführt. Doch die Waldseer Narren würden keiner Narrenhochburg angehören, würden sie sich davon die Freude an Kreativität und bunten Ideen nehmen lassen. Wolfgang Heyer hat sich mit Zunftmeister Roland Haag und Fasnetssprecher Sven Hillebrecht über eine noch nie dagewesene Fasnet 2021 unterhalten.
Herr Haag, Herr Hillebrecht, wie hart hat Corona Ihr Fasnetsherz getroffen?
Haag: Unser Fasnetsherz hat es schon stark getroffen. Die Situation ist für einen Narr nicht einfach. Auf der anderen Seite ist es ein Chance runterzukommen und etwas auszuprobieren.
Hillebrecht: Das Fasnetsherz hat geblutet als wir der Tatsache entgegenblicken mussten, alle Veranstaltungen abzusagen. Aber gleichzeitig war klar, dass wir die Waldseer Fasnet nicht aufgeben und kreativ sein
werden.
Welche Alternativen zum ursprünglichen Programm haben Sie sich einfallen lassen?
Hillebrecht: Wir werden die Waldseer Narrentruhe öffnen. Ab dem Dreikönigstag wird jeden Tag bis zum Aschermittwoch ein Stück Fasnet lebendig gemacht. Das kann über Anekdoten, Bilder, Videos und Aufrufen zu Aktionen sein. Die Narren sollen uns beispielsweise mal Fotos von ihren Häsern zuschicken oder mal den Weihnachtsbaum zum Narrenbaum machen. Zu sehen gibt es das alles dann auf unserer Homepage und in den sozialen Netzwerken. Wir wollen die Fasnet im Herzen beleben. Haag: Unter anderem werden längst vergessene Erinnerungen aus früheren Zeiten gezeigt. So kann jeder die Geschichten zu Hause zeigen, miterleben und nacherzählen und die Fasnet so am Leben halten.
Kann diese, ich nenne es jetzt mal Online-Fasnet, ein adäquater Ersatz für die gestrichenen Fasnetsbälle und Narrensprüngen sein?
Haag: Das kann natürlich kein Ersatz sein. Die Fasnet 2021 wird eine ganz andere Fasnet wie wir sie in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Aber über die Narrentruhe wollen wir die Herzen der Menschen berühren. Hillebrecht: Das soll auch kein Ersatz und keine Online-Fasnet werden, sondern Brauchtumspflege.
Zu welcher Tageszeit wird die Narrentruhe geöffnet?
Hillebrecht: Jeden Abend zwischen 18 und 20 Uhr wird die Narrentruhe geöffnet. An manchen Tagen, wie zum Beispiel am Gumpigen, wird die Truhe auch mehrmals geöffnet.
Orden werden in diesem Jahr aber nicht verliehen, oder?
Hillebrecht: Doch. Die Narren, die sich an den Aktionen beteiligen und beispielsweise ein Bild einsenden, können mit einem speziell für diesen Anlass hergestellten Orden belohnt werden - praktisch als Dankeschön.
Gibt es neben den Online-Angeboten auch Aktionen in der Stadt?
Haag: Wir wollen den Wächsebrauch vom 1. Februar bis zum Gumpigen am 11. Februar in die Stadt bringen. Die Idee ist, dass jedes Kind, das bei einem Bäcker oder Metzger einen Fasnetsspruch aufsagt, einen Wecken oder eine Wurst bekommt. Da sind wir gerade in Gesprächen und es sieht ganz gut aus. Außerdem wollen wir die Stadt zur Fasnetszeit dekorieren und einen Narrenbaum stellen – oder mehrere (lacht).
So mancher Fasnetsskeptiker sieht es als unbedeutend an, wenn die Fasnet eine Saison lang ausfallen sollte. Warum ist es Ihnen so wichtig, den Waldseer Narren trotz Corona närrische Unterhaltung anzubieten?
Haag: Bei der Fasnet geht es nicht nur um Unterhaltung, es geht um Brauchtum. Die letzten sechs Tage vor Aschermittwoch soll nochmal so richtig gefeiert werden, bevor es in die Fastenzeit geht. Das gehört fest zum Jahreskalender dazu. Hillebrecht: Zur aktuellen
Zeit erscheint doch vieles trübe und trist. Da kann so ein positiver Impuls in dieser Zeit sicher nicht schaden und das Herz mit Freude erfüllen. Mit der Narrentruhe können wir uns täglich auf etwas freuen und etwas Wärmendes erleben.
Haag: Ja, wir wollen das Lachen und die Erinnerungen rausholen.
Wie ungewöhnlich wird die Fasnet 2021?
Haag: Ich lasse mich überraschen.
Der Urlaub am Fasnetsmittwoch und am Gumpigen ist eingeplant und wir werden sehen, wie es läuft, ohne miteinander zu schunkeln und zu küssen.
Hillebrecht: Anders wäre es schöner, logisch. Aber im Kern bleibt die Fasnet die gleiche und das wollen wir pflegen. Wir wollen die Leute zu Hause zum Narr werden lassen und machen jetzt das Beste aus der Situation.
Beenden Sie bitte diesen Satz: „Das Coronavirus und die Krise bestimmen die derzeitige Situation...
Hillebrecht: ...aber, wenn wir alle zusammenhalten und uns gegenseitig Wärme spenden, schaffen wir das.
Haag: ...aber, wenn wir uns gemeinsam an die geltenden Richtlinien halten und die Dinge mit dem Herzen begehen, wird es für uns alle weitergehen.