Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Der Tropfen auf den sehr heißen Stein
Mehr als 40 000 Euro gingen bereits in den Libanon – Weiteres Geld soll noch fließen
AMTZELL - Nur wenige können 2020 von einem wahrlich erfolgreichen Jahr sprechen. Das Libanon-Projekt der Allgäuer Gemeinden Heimenkirch, Gestratz, Hergatz, Opfenbach, Amtzell und Kißlegg gehört aber in diese Kategorie. Gerade einmal drei Jahre alt ist das Projekt, das die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden aus der Region mit etwa gleich großen im Libanon im Blick hat. Vor allem die dramatische Explosion in Beirut im August brachte noch einmal eine neue Seite der Beziehungen zum Vorschein.
Herbst, 2017: Es war Heimenkirchs Bürgermeister Markus Reichart, der die Idee von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller aufgriff und weitere Gleichgesinnte suchte. Entwicklungshilfe „von unten“sollte geleistet werden, sozusagen auf dem „kleinen Dienstweg“und partnerschaftlich zwischen Menschen verschiedener Kulturen. Um Wissenstransfer soll es gehen, um den Aufbau öffentlicher Einrichtungen. Paul Locherer, Amtzells Bürgermeister a.D., inzwischen Vorsitzender des Vereins FüreinanderMiteinander, ist sofort Feuer und Flamme und erklärt sich mit dem Segen von Bürgermeister Clemens Moll und dem Amtzeller Gemeinderat bereit, die Koordination zu übernehmen. Amtzell wird die Gemeinde Rachiine zugeordnet – eine Gemeinde mit einem gravierenden Müllproblem. Dies soll mit finanzieller Unterstützung des Bundes und dem Ziel, Dünger und Energie zu gewinnen, angegangen werden. Wären da nicht die verworrenen politischen Verhältnisse im Libanon, die auch das Volk auf die Straße treiben. „Wir werden dennoch etwas hinbekommen“, sagt Locherer, dem die Koordinatoren Christian Renn aus Hergatz und Klaus Karl aus Kißlegg zur Seite stehen.
Für die eigentlich angedachte Biogasanlage werden weitere Vorbereitungen getroffen. „Sie können wir aufgrund der noch fehlenden Genehmigung und Zollabfertigung aber noch nicht bauen“, sagt Locherer. Rachiine, eine Gemeinde mit 4000 Einwohnern und rund 500 syrischen Flüchtlingen, erhält seit zwei Jahren keinerlei Gelder oder Zuwendungen der Regierung. Wäre dies in Deutschland so, wären die allermeisten Kommunen laut Einschätzung Locherers sofort pleite. „Es herrscht dort eine Bürokratie und ein Staatsversagen, wie wir uns das nicht vorstellen können“, meint Locherer, der das Leuchtturmprojekt dennoch anvisiert – wenn aber derzeit auch in einer vorerst abgespeckteren Form: „Was geht, ist eine Kompostieranlage mit Grünmüll-, beziehungsweise Bioabfallvergärung.“Dazu gehört dann auch eine hundertprozentige Mülltrennung und -erfassung und die Erschaffung eines Wertstoffhofes. Auch dies ist wichtig für den nächsten Schritt zur Biogasanlage, deren Realisierung Locherer derzeit mit „50:50“einschätzt. Das Geld des Bundes jedenfalls steht bereit.
2020 kamen für die Gemeinde Amtzell (und alle anderen Gemeinden)
noch weitere Aufgaben hinzu. Zum einen benötigten in Covid-19Zeiten auch Bürger aus Rachiine und die aufgenommenen Flüchtlinge Unterstützung in Form von Lebensmittelpaketen. Zum anderen explodierte Anfang August im Hafen der Hauptstadt Beirut ein Lagerraum für Feuerwerkskörper, deren Explosion wiederum daneben tonnenweise gelagertes Ammoniumnitrat zur Explosion brachte. Mit diesen beiden Punkten ist aus dem kommunalen Know-how-Transfer, bedingt auch durch die Staatskrise, eine echte Nothilfe geworden. Rachiine weist derzeit 38 aktive Corona-Fälle auf. In Beirut standen binnen Sekunden und ohne Vorwarnung rund 300 000
Menschen auf der Straße. Schon in früheren Jahren hatte der Zusammenschluss der Allgäuer Gemeinden Kontakt zum bayrischen Kabarettisten Christian Springer, der mit seinem Verein Orienthelfer auch im Libanon aktiv ist. Über ihn entstand sehr schnell eine Brücke nach Beirut.
Die Gemeinden des interkommunalen Libanonausschusses spendeten, aber auch private Geldgeber zeigten sich großzügig. 9000 Euro kamen aus Heimenkirch, Hergatz und Gestratz, 5000 Euro vom LionsClub Wangen-Isny, 10 000 Euro von der Firma Grunwald. Der Gemeinde Amtzell war nach einer Strafanzeige gegen Bürgermeister Moll zunächst die Hände gebunden, doch dann gaben 107 Privatspender alles. „Gemeinsam mit dem Geld der Helfenbringt-Freude-Aktion 2019 und Vereinsmitteln konnten wir 13 000 Euro zuschießen“, freut sich Locherer. Hinzu kommen Mittel, die direkt an die Orienthelfer geflossen sind. Springer spricht in seiner Weihnachtsbotschaft von „mehr als 40 000 Euro“, die für Essen, Kleidung, rund 10 000 Decken, aber auch Behausungen, zusammengekommen sind: „Das ist der Hammer! Das Allgäu ist spitze!“Springer dankt für die „Solidarität für Humanität“.
„Unsere Hilfen sind wirklich nur ein Tropfen auf einen sehr heißen Stein. Aber es sind Hilfen, die bei der notleidenden Bevölkerung direkt ankommen“, sagt Paul Locherer: „Und sie sind ein Zeichen, dass wir die Menschen im Libanon mit ihren Problemen und Nöten nicht alleine lassen.“Ein Beitrag für Völkerverständigung und Frieden? Locherer: „So kann man das nennen. Und schon deshalb lohnen sich der Einsatz und die Mühen allemal.“
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