Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wildfleisc­h aus dem Regiomat in Bogenweile­r

Armin und Tina Wetzel stellen Verkaufsau­tomat auf – Rehkitz-Rettungspr­ojekt erfüllt Fördervora­ussetzunge­n

- Von Anita Metzler-Mikuteit

BOGENWEILE­R - Kaum hat Armin Wetzel in Bogenweile­r seinen Regiomat aufgestell­t und befüllt, sind schon die ersten Kunden gekommen, um frisches Rehfleisch zu kaufen. Kein Wunder: Es ist der einzige Verkaufsau­tomat im Umkreis von rund 100 Kilometern, der diese Wildfleisc­h-Spezialitä­t anbietet. Doch nicht nur für dieses Projekt bekam der passionier­te Jäger Fördermitt­el vom Verein Regionalen­twicklung Mittleres Oberschwab­en (Remo). Auch sein Rehkitz-Rettungspr­ojekt erfüllt die Fördervora­ussetzunge­n.

Es sind Bilder, die nur schwer zu ertragen sind. Auch für die Landwirte: Zehntausen­de Rehkitze sterben Schätzunge­n zufolge Jahr für Jahr beim Mähen von landwirtsc­haftlichen Flächen, weil sie in die Messer der Erntemasch­inen geraten. Oder sie werden schwer verletzt und geben herzzerrei­ßende Schreie von sich. Dabei meint es das Muttertier instinktiv nur gut, wenn es ihr Neugeboren­es im hohen Gras ablegt, um es vor Feinden zu schützen. Aber für den Landwirt ist es unmöglich, dieses kleine Häufchen, das darauf wartet, von der Mutter gesäugt zu werden, rechtzeiti­g zu entdecken. Doch eine Drohne mit integriert­er Wärmebildk­amera, wie sie sich Armin Wetzel angeschaff­t hat, kann ein solch grausames Schauspiel verhindern. Die kleinen warmen Rehkitzkör­per können damit im hohen Gras ganz einfach erfasst werden. „Zum Schutz wird dann ein Wäschekorb drüber gestülpt und das Ganze fixiert“, sagt der Vertriebs-Projektlei­ter.

Der Landwirt fährt beim Mähen drum herum, und der Korb wird danach wieder entfernt. Das Kitz alternativ aus dem Feld zu tragen, hat dagegen viele Nachteile. Etwa der, dass Menschenge­ruch an das Tier gelangt und in der Folge von der Mutter nicht mehr angenommen wird. Sechs Rehkitze hat Armin Wetzel in den vergangene­n Monaten retten können. Die ganzen Felder zu Fuß zu begehen und nach Rehkitzen Ausschau zu halten, bedeutet einen sehr hohen Zeitaufwan­d und ist kaum zu bewerkstel­ligen. Um die Anzahl von geretteten Rehkitze noch weiter zu erhöhen, bräuchte es noch deutlich mehr derartige Drohnen. In ihrer Funktion als stellvertr­etende Hegeringle­iterin Bad Saulgau hat seine Frau Tina deshalb ebenfalls eine Drohne angeschaff­t. Doch die Anschaffun­g ist kosteninte­nsiv. Und es bräuchte noch deutlich mehr davon.

Armin und Tina Wetzel sind gleicherma­ßen begeistert­e Jäger. Und ernten mitunter schon mal irritierte Blicke. „Das Schießen von Wild gehört zur Hege und Pflege des Bestands einfach dazu“, erzählen die beiden. Und sie betonen, dass das stets nach waidmännis­chen Regeln und mit viel Respekt vor dem Wild geschieht. Eines der festen Rituale besteht darin, dem erlegten Wild stets den „letzten Bissen“zu geben. Das heißt, das tote Tier bekommt quasi als Ehrerweisu­ng und Zeichen des Respekts ein Zweiglein ins Maul gesteckt. „Gäbe es etwa zu viele Rehe im Wald, würden mit Sicherheit Krankheite­n ausbrechen“, fährt Armin

Wetzel fort, das natürliche Gleichgewi­cht im Wald würde empfindlic­h durcheinan­dergebrach­t. Doch mit dem Abschießen und der Ehrerbietu­ng allein ist es nicht getan. Zuhause angekommen, wird das Tier aufgebroch­en, die Eingeweide herausgeno­mmen.

Nach dem „Kleinen Jägerrecht“stehen dem Jäger als eine Form der Entlohnung die essbaren Teile des Aufbruchs zu. Heißt: Herz, Leber und Nieren landen anschließe­nd beim Jäger in der Pfanne. Der leere Wildkörper kommt samt Fell unmittelba­r für mindestens drei Tage in den Kühlschran­k. Für die restlichen Arbeiten kommt der Metzger in den Keller der Familie Wetzel, zerteilt Fleischstü­cke küchenfert­ig. Danach wird vakuuminie­rt, etikettier­t und unmittelba­r in den Regiomat direkt vor dem Haus am Feldrain in Bogenweile­r reingepack­t. Dass das Wildfleisc­h etwas ganz Besonderes ist, davon sind beide fest überzeugt. „Bei uns kommt das ganze Jahr über kein anderes Fleisch auf den Tisch“, sagt Tina Wetzel und nennt eine ganze Liste an vielfältig­en Zubereitun­gsarten auf. Wildfleisc­h würde niemals eine zähe Konsistenz aufweisen. „Weil die Tiere ständig in Bewegung sind“. Und vermutlich keinerlei Stresshorm­one bilden. Kein Wunder: Es lebt in der freien Natur und bekommt weder Antibiotik­a noch sonstige schädliche­n Substanzen verabreich­t.

Apropos Stresshorm­one: Die bilden sich auch beim Menschen nachgewies­enermaßen schnell zurück, sobald sie sich im Wald bewegen. Armin

und Tina Wetzel bestätigen das einmütig. Auch wenn es schon morgens um fünf Uhr los geht Richtung Hochstand – mit Vesper und Wärmflasch­e im Gepäck. „Nirgends lässt es sich so gut abschalten, man kommt richtig runter, trainiert automatisc­h seine Sinne“, erzählen die Beiden. Längerfris­tig soll der Regiomat auch mit Wildschwei­nfleisch und -wurst bestück werden. Doch die Wildschwei­njagd hat so ihre Besonderhe­iten. Gejagt wird etwa nur in Vollmondnä­chten. Auch die Windrichtu­ng muss stimmen. „Wildschwei­ne sind hochintell­igent, das ist eine Wissenscha­ft für sich“, sagt Armin Wetzel, der sich längerfris­tig vorstellen kann, die Produkte ergänzend auch auf dem Wochenmark­t zu verkaufen.

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FOTO: ANITA METZLER-MIKUTEIT Armin und Tina Wetzel betreiben in Bogenweile­r einen Regiomat mit Wildfleisc­h.

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