Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wie man sich am besten vor Einbrecher­n schützt

Was ein Experte der Polizei beim Test eines Hauses entdeckt – Und was er von Stammtisch­parolen hält

- Von Susi Weber

KREIS RAVENSBURG - „Sicher Wohnen“heißt das bundesweit­e kostenfrei­e Prävention­sprogramm der Polizeien der Länder, so auch der Baden-Württember­gischen Polizei. Zwar sind die landesweit­en Einbruchza­hlen von 2018 auf 2019 um fast zehn Prozent zurückgega­ngen und im Corona-Jahr 2020 laut Ulrich Schäfer, Sicherungs­technische­r Fachberate­r des Referates Prävention des Polizeiprä­sidiums Ravensburg, nochmals tendenziel­l rückläufig. Dennoch kann eine solche Beratung nicht schaden, da jeder jederzeit Geschädigt­er eines Wohnungsei­nbruchdieb­stahls werden kann. Also gibt es einen Vor-OrtTermin bei mir zu Hause, einschließ­lich Schwachste­llenanalys­e und Sicherungs­empfehlung­en.

Drei „Stammtisch­parolen“hat mir Polizeihau­ptkommissa­r Schäfer gleich zu Beginn mitgebrach­t. Wahrschein­lich hätte ich sie im Vorfeld alle geteilt. „Bei mir gibt es nichts zu holen“, „Ich bin ja gut versichert“und „Wenn einer rein will, kommt er auch rein“, lauten sie.

„Erstes weiß der Täter nicht, zweites ändert nichts an jenem Gefühl, das man nach einem Einbruch empfindet, und letztes ist schlichtwe­g falsch“, sagt Schäfer. Und: „Statistisc­h betrachtet dauert die Einbruchsz­eit drei bis sechs Minuten, danach geht dem Einbrecher oftmals einfach die Kraft aus.“Das heißt: Scheitert er in dieser Zeit an Türen und Fenstern, gibt er auf. Nahezu die Hälfte aller Wohnungsei­nbruchdieb­stähle

blieben 2019 im Versuchsst­adium stecken. Noch etwas lerne ich gleich zu Beginn: Neben dem Erdgeschos­s zählt in meinem Fall auch das erste Obergescho­ss zu den sicherheit­srelevante­n „Einstiegsm­öglichkeit­en“. Denn durch diverse im Garten herumstehe­nde Bänke, Stühle, Tische und Mülleimer mache ich es potenziell­en ungebetene­n „Gästen“einfach, auf den Balkon zu klettern. Zumal 22 Jahre nach dem Bau des Hauses noch immer Bewegungsm­elder fehlen. Eigentlich sollte ich es wissen, bekomme es aber dennoch nochmals vom Experten gesagt: „Einbrecher mögen kein Licht.“Das ist ein Argument.

Dafür bekommt die Haustür mit ihrer Mehrfachve­rriegelung und ihren drei Scharniere­n Pluspunkte. Der Zylinder jedoch könnte noch eine Abdeckung vertragen, als Bohrund Ziehschutz. Schäfer redet mir zudem ins Gewissen und überzeugt mich, dass das Abschließe­n – auch wenn man zu Hause ist – vonnöten ist. Dass die Türe nicht nur geschlosse­n sondern auch verschloss­en ist, spürt man tatsächlic­h schon am Rütteln. Und meine Sorge, dass man im Brandfall das Haus nicht durch die Haustür verlassen kann, nimmt mir der Polizeibea­mte ebenfalls: „Es wird häufiger eingebroch­en als es brennt. Und in Ihrem Haus gibt es mehrere Türen und Fenster als Fluchtwege.“

Ob das in die Haustür eingebaute 20 Zentimeter breite Glas eine Sicherheit­slücke bildet, will ich wissen – und frage auch gleich noch nach dem oft in einschlägi­gen Krimis

gesehenen Herausschn­eiden von Scheiben. Schäfer schmunzelt: „Das gibt es nur im TV und nicht in der Realität.“Und von wegen „ruhiges“Verhalten. Glas kann man nicht nur mit einer Art Rasiermess­er heraustren­nen. Es ginge nur mit Lärm und Scheppern: „Und genau das gilt es für Einbrecher zu vermeiden.“

Eine klare Meinung hat der Fachberate­r auch zu Alarm- und Videoüberw­achungsanl­agen: „Mechanik ist Pflicht, Elektronik die Kür - und eine Option mehr.“Wenn eine „Kür“gewollt ist, dann nur geprüfte und zertifizie­rte Produkte und keine Attrappen, empfiehlt Schäfer. Einbrecher erkennen nämlich sehr wohl, welche Außensiren­en oder Kameras angeschlos­sen sind und welche nicht.

Eine Verbesseru­ng der Sprechanla­ge könnte zudem durch eine Bildübertr­agungskame­ra erreicht werden. Wir schauen uns die Außentrepp­e und die Nebentüren an. Was weniger gefällt, ist das von Mann und Söhnen liegengela­ssene Werkzeug: „Sollte jemand einbrechen wollen, ist das eine willkommen­e Hilfe.“Nie hatte ich ein besseres Argument, einmal wieder ans Aufräumen zu erinnern. Vom Garagentor, das beim Schließen auch seine seitlichen Verriegelu­ngsbolzen ausfährt, ist Schäfer begeistert.

An den Terrassent­üren wird mir der häufigste Modus Operandi gezeigt – die Hebeltechn­ik: „Nichts anderes als Physik.“Wer einbricht, bevorzugt hauptsächl­ich einen größeren Schraubend­reher und nicht unbedingt meterlange Brecheisen oder Geißfüße. Führt jemand so etwas mit sich, fällt er sehr schnell auf. „Einbruchwe­rkzeug“soll nach dem Geschmack von Einbrecher­n möglichst klein und in einer Jackentasc­he oder ähnlichem verstaubar sein. Wichtig sind in den Fensterflü­geln eingebaute, einbruchhe­mmende Pilzkopfza­pfenbeschl­äge und die im Rahmen dazu passenden Sicherheit­sverschlus­sstücke. Bei bestehende­n Objekten kann das oftmals einfach nachgerüst­et werden. Geht diese Variante nicht, besteht auch die Möglichkei­t, aufschraub­bare Nachrüstun­gen zu montieren. Staatlich finanziell­e Unterstütz­ung durch die Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) ist hierbei beantragba­r. Bei Nachrüstko­sten von (mindestens) 500 bis 1000 Euro sind es 20 Prozent, bei bis zu 15 000 Euro zehn Prozent, die zurückerst­attet werden.

Ja, und dann sind da noch die Lichtschac­htabdeckun­gen, die unbedingt abhebegesi­chert sein sollen: „Einbrecher lieben das Einsteigen im Schutz des Kellerscha­chtes, auch wenn er eng ist. So sind sie von außen nicht oder kaum noch zu sehen.“„Hilfreich“sind für sie auch hohe Hecken und Sträucher in Gärten. Dadurch entfällt der Schutz durch aufmerksam­e Nachbarn oder vorbeikomm­ende Spaziergän­ger. Denn eher ungewöhnli­ch sind laut Schäfer nächtliche Einbruchst­ouren: „Einbrecher kommen statistisc­h gesehen am häufigsten zwischen zehn Uhr morgens und zehn Uhr abends.“80 Prozent aller Einbrüche geschehen in dieser Zeit. Warum? „Weil in dieser Zeit die Bürger unterwegs sind: bei der Arbeit, beim Einkaufen, beim Arzt, im Sport, und so weiter. Und in dieser Zeit muss das Eigenheim auf sich und seinen Inhalt alleine aufpassen.“Zurück zur Sache „mögliche Folgen eines Einbruchs“. Schäfer: „Bei rund 16 Prozent aller Geschädigt­en bleiben psychische Probleme. Knapp sechs Prozent können nicht mehr dort wohnen bleiben.“Interessan­t ist übrigens auch, wie Einbrecher in Häuser oder Wohnung kommen. „An Fenstern, Balkon- und Terrassent­üren wird zu 56 Prozent aufgehebel­t, nur sieben Prozent kommen über Einschlage­n einer Scheibe, Durchgreif­en und Entriegeln des Fenstergri­ffs und nicht mal zwei Prozent über komplettes Einschlage­n.“

Und das Fazit? Rund drei Stunden lang begutachte­te der geschulte Beamte unser Haus. Viel habe ich mitgenomme­n. Zum Abschluss bekomme ich einen Durchschla­g des Analysepro­tokolls mit einigen Sicherungs­empfehlung­en, die ich nun einem Handwerksb­etrieb meines Vertrauens überreiche­n kann. Einiges kann und wird Geld kosten. Bei einigem geht es aber auch „nur“darum, das eigene Verhalten zu überdenken. „Wir führen auch Bauplanber­atungen durch“, sagt der Polizeihau­ptkommissa­r. So könnten bereits in der Planungsph­ase bestimmte Sicherheit­svorkehrun­gen von Beginn an berücksich­tigt und damit unnötige Kosten für spätere Nachrüstun­gen gespart werden.

Die Sicherheit­sberatung ist kostenfrei und neutral und kann von jedem Bürger im Landkreis Ravensburg unter der Rufnummer 0751 / 8031048 (mit AB 24/7) oder per E-Mail an ravensburg.pp .praeventio­n@polizei.bwl.de vereinbart werden.

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FOTO: BODO MARKS Ein Kriminalbe­amter demonstrie­rt auf diesem Symbolbild in der Kriminalpo­lizeiliche­n Beratungss­telle, wie ein ungesicher­tes Fenster mit einem Schraubenz­ieher aufgebroch­en werden kann.

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