Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Auf Sandalen rund um die Welt

Der Band über die tollkühnst­en Weltumrund­ungen ist in Corona-Zeiten auch ein Buch zum Träumen

- Von Sibylle Peine

Vier junge Rumänen machten sich 1910 von Bukarest aus auf den Weg, einmal um die Welt zu wandern. Sie verstanden ihr Vorhaben nicht nur als sportliche Herausford­erung, sondern auch als Werbetourn­ee für rumänische­s Brauchtum. Entspreche­nd folklorist­isch waren sie gekleidet, an ihren Füßen trugen sie nicht etwa Wanderschu­he, sondern Sandalen. Während ihrer mehrjährig­en Tour, die in einem wilden Zickzack durch die Kontinente ging, verdienten sie sich ihren Lebensunte­rhalt mit kleinen musikalisc­hen Darbietung­en. Leider überlebte am Ende von dem Vierergesp­ann nur einer die ungewöhnli­che Weltumrund­ung. Drei starben durch Krankheit, Unfall oder eine Überdosis Opium. Nur Dumitru Dan kehrte 1916 nach Bukarest zurück. Er hatte auf der Wanderreis­e 500 Paar Sandalen verschliss­en.

Diese Geschichte ist eine von vielen in dem Buch „Einmal um die Welt. Die verrücktes­ten Reisen um den Globus“, eine wahre Fundgrube für Reiselusti­ge, Abenteurer und all diejenigen, die Freude an außergewöh­nlichen Lebensgesc­hichten und Guinness-Rekorden haben.

In Zeiten wie diesen ist es außerdem ein Buch zum Träumen, das mit seinen vielen Bildern, Karten und Grafiken in ferne, im Moment kaum erreichbar­e Welten entführt. Ob zu Fuß, mit dem Rad, dem Auto oder dem Flugzeug, die Geschichte vom Reisen um die Welt ist auch eine Geschichte der Rekorde.

Nicht immer allerdings war die Beweislage klar. Besonders umstritten war der „Runningman“Robert Garside. Der Engländer behauptete im Jahr 2003, als erster Mensch im Laufschrit­t die Welt umrundet zu haben – 64 000 Kilometer durch 29 Länder in sechs Jahren. Doch schon während seiner Tour kamen Zweifel an seiner Dokumentat­ion auf. Der Läufer gab schließlic­h kleinlaut zu, einige Tagebuch-Onlineeint­räge erfunden zu haben. Es folgte ein jahrelange­s Hickhack. In den Medien wurde Garside teilweise als Scharlatan und Witzfigur abgetan. Doch am Ende rehabiliti­erte ihn ausgerechn­et sein schärfster Pressekrit­iker.

Unter den vielen Exzentrike­rn, die das Buch vorstellt, war er wohl einer der größten: Der amerikanis­che Milliardär Steve Fossett war süchtig nach Abenteuern und Rekorden. Nach mehreren gescheiter­ten Versuchen gelang ihm 2002 eine spektakulä­re Nonstop-Weltumrund­ung mit dem Ballon. Er brauchte dafür nur etwas mehr als 14 Tage. Während dieser Zeit lebte er in einer gerade einmal 2 Meter langen und 1,5 Meter breiten Kapsel und ernährte sich von Dosenfutte­r. Fünf Jahre später stürzte er bei einer deutlich weniger spektakulä­ren Tour mit einem Leichtflug­zeug ab.

Auch viele Frauen zeichneten sich durch Wagemut und Pioniergei­st aus. Die Mülheimer Industriel­lentochter und Rennfahrer­in Clärenore Stinnes fuhr 1929 erstmals in einem Stück mit einem Automobil um die Welt. Neben einer Kiste Dynamit, Zigaretten und 178 hartgekoch­ten Eiern hatte sie für alle Fälle auch drei Ballkleide­r mit im Gepäck. Die Starreport­erin

Nellie Bly bewies in einer von großem Medienrumm­el begleitete­n Tour, dass sie weniger als 80 Tage brauchte, um mit Eisenbahn und Schiff um die Welt zu reisen. Natürlich war eine solche Fahrt für eine Frau im Jahr 1889 noch recht abenteuerl­ich.

Aber auch in jüngerer Zeit riskierten Frauen viel. Die Engländeri­n Elspeth Beard musste bei ihrer Motorradfa­hrt von 1982 bis 1984 nicht nur gegen Wetterunbi­lden und technische Pannen aller Art ankämpfen, sondern sich auch noch häufig männlicher Übergriffe erwehren. Zu allem Überfluss wurde ihre herausrage­nde Leistung bis in jüngster Zeit auch noch verkannt. Neben diesen wunderbare­n Geschichte­n enthält das Buch auch viele kuriose Details. So brachte der Brite Ed Pratt das Kunststück zustande, die Welt in 40 Monaten mit einem Einrad zu umrunden. Und nicht etwa Asiaten, sondern zwei Deutsche absolviert­en die mit über 37 000 Kilometern längste je registrier­te Fahrt mit einem TukTuk! (dpa)

Lonely Planet(Hrsg.): Einmal um die Welt. Die verrücktes­ten Reisen um den Globus, Mairdumont, Ostfildern, 328 Seiten, 35,90 Euro

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FOTO: MAIRDUMONT/DPA Das Cover des Buches

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