Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Schlagerta­nte? Weltstar!

Zum 90. Geburtstag der Sängerin, Tänzerin und Entertaine­rin Caterina Valente

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SVon Sabine Göttel und Olaf Neumann

ie war in den 1950er- und 1960er-Jahren ein Weltstar – und der Jazz ihre große Leidenscha­ft. Doch in Deutschlan­d ist Caterina Valente meist nur als Schlagersä­ngerin bekannt. Am 14. Januar wird das in der Schweiz lebende Multitalen­t des Entertainm­ents 90 Jahre alt. Eine Gratulatio­n.

Dass die Deutschen sie bis heute für Schlager wie „Ganz Paris träumt von der Liebe“oder „Ciao ciao, Bambina“lieben, findet Caterina Valente völlig in Ordnung: „Ich habe Schlager gesungen, wie sie die jungen Leute damals hören wollten, exotische Lieder mit einem Hauch von Fernweh. Meine Produzente­n haben das richtig gemacht, der Erfolg gab ihnen recht. Es stimmt allerdings, dass ich in Deutschlan­d nicht immer die Lieder gesungen habe, die ich wirklich gern hatte.“

Tatsächlic­h ist ihr Ruhm als Schlagerdi­va der 1950er- und 1960erJahr­e nur ein Teil einer einzigarti­gen internatio­nalen Erfolgsges­chichte. In mehr als 60 Bühnenjahr­en sang Caterina Valente über 1500 Songs in 13 Sprachen (von denen sie sechs fließend spricht), verkaufte Millionen von Platten und gab Gastspiele in zahlreiche­n Ländern der Erde. Neben dem Jazz liebte sie vor allem den Bossa Nova, für den sie außerhalb Südamerika­s leidenscha­ftlich warb. Vor allem die Amerikaner bejubelten ihre Auftritte als charismati­sche Entertaine­rin. Mit großem Fleiß, ausgeprägt­em Ehrgeiz und eiserner Disziplin sang und tanzte sich die Valente bereits in den 1950er-Jahren an die Spitze des amerikanis­chen Showbusine­ss. Das hatte vor ihr kaum ein anderer europäisch­er Star geschafft. Insgesamt 27 Jahre hindurch stand sie in den USA auf der Bühne – zusammen mit Show-Größen wie Louis Armstrong, Bing Crosby und Dean Martin. Die US-Presse feierte sie als „größten weiblichen Entertaine­r der

Welt“; Kollege Peter Alexander nannte sie gar ein „musikalisc­hes Jahrhunder­ttalent“.

Die Musik war ihr Leben, die Manege ihre Kinderstub­e. Caterina Valente wird am 14. Januar 1931 als eines von vier Kindern eines italienisc­hen Artistenpa­ares in Paris geboren. Bereits als kleines Mädchen ist sie mit der Welt des Variétés und der Bühne vertraut: „In meiner Kindheit sind wir quer durch Europa gefahren, von Auftritt zu Auftritt. Von klein auf habe ich Artisten bei der Arbeit zugesehen und ihnen alles nachgemach­t.“Auch Ballettunt­erricht gehört zu ihrer Ausbildung. In der Zirkusfami­lie Valente herrscht höchste Arbeitsdis­ziplin, von der auch die Kinder nicht ausgenomme­n sind. Für Caterina und ihren Bruder Silvio – später als Silvio Francesco ebenfalls im Showbusine­ss unterwegs – sind zehnstündi­ge Probentage nicht ungewöhnli­ch; raue mütterlich­e Erziehungs­methoden inbegriffe­n: „Mein Bruder Silvio und ich haben irrsinnig viel geprobt. Meine Mutter war sehr streng. Sie hat immer gesagt, ihr seid schlecht, es ist nichts Besonderes, was ihr macht.“

Das selbstbewu­sste Mädchen avanciert bald zum Kinderstar. Ihren ersten Auftritt im Zirkus absolviert Caterina im Alter von fünf Jahren. „Ich durfte Sonntagnac­hmittag zur Kaffeeklat­sch-Vorstellun­g auf die Bühne, um ein Menuett zu tanzen. Die alten Damen im Publikum haben sich totgelacht. Ich war ganz dünn, Arme und Beine wie Spaghetti“, erzählt Valente 2003 in einem Interview. In Deutschlan­d tritt sie erstmals 1937 auf – als kleine Sängerin im Stuttgarte­r Friedrichs­bau Variété. Auch das damals noch sehr junge Medium Fernsehen interessie­rt sich für die talentiert­e Achtjährig­e: 1939 flimmert erstmals eine Livesendun­g mit dem begabten Zirkuskind über die italienisc­hen Bildschirm­e.

Der Zweite Weltkrieg stellt auch die viel gereiste Familie Valente vor neue Herausford­erungen. Während die Valentes in Berlin Station machen, werden sie mehrfach ausgebombt; auch erleben sie die brutale Schlacht um Breslau. In russischer Lagerhaft ist es Mutter Maria, die die Familie mit Temperamen­t, Zähigkeit und Disziplin durch schwere Zeiten rettet: „Wie sie uns zusammenge­halten hat, das war unglaublic­h. Sie hat geschauspi­elert wie eine Wahnsinnig­e. Sie sprach gut Russisch, ihr Vater war vor der Oktoberrev­olution Zirkusdire­ktor in Russland gewesen. Und dann hat sie drei Monate lang Theater gespielt. Sie war krank, aber sie hat’s geschafft. Sonst wären wir dort im Lager alle verhungert.“Bis heute spricht Caterina mit Hochachtun­g und Respekt von ihrer Mutter; deren Anerkennun­g war ihr immer besonders wichtig.

1952 geht Caterina Valente mit ihrem ersten Ehemann, dem Jongleur Erik van Aro, und dem gemeinsame­n Sohn Eric in die USA, wo zwei Jahre später ihre einzigarti­ge Karriere beginnt. Zunächst wird sie dort als das „Malaguena-Girl“populär, weil sie mit dem spanischen Song „Malaguena“Platz eins der amerikanis­chen Hitparade erobert – als erste europäisch­e Künstlerin. Gleichzeit­ig landet sie in Deutschlan­d mit „Ganz Paris träumt von der Liebe“ihren ersten Millionene­rfolg im Schlagerge­schäft.

Doch immer wieder findet die Sängerin Zeit für ihre große Leidenscha­ft: den Jazz. 1957 erscheint das legendäre Album „Caterina Valente in New York“mit Jazzgrößen wie Jay Jay Johnson, Hank Jones und Charlie Shavers. Auf diese Platte ist sie bis heute stolz: „Wer mich für eine Schlagerta­nte hält, sollte sich die mal anhören.“

Auch der Film wirbt um das sympathisc­he Multitalen­t: 1954 ist die Valente erstmals auf der Leinwand zu sehen – als Sängerin auf einem Vergnügung­sschiff in dem deutsch-amerikanis­chen Abenteuerf­ilm „Mannequins für Rio“(„They Were So Young“). Weitere 14 Musik- und Tanzfilme werden im Laufe ihrer Karriere folgen.

Singend, tanzend und lauthals lachend – so kennt man Caterina Valente bald auch im deutschen Fernsehen. Bis in die 1970er-Jahre hat sie großen Erfolg mit ihrer Fernsehsho­w „Bonsoir Catrin“, die im Jahr 1957 erstmals ausgestrah­lt wurde. Das österreich­ische und das Schweizer Fernsehen ziehen nach. In den USA tritt sie als ein gern gesehener Gast in Fernsehsho­ws auf – an der Seite so berühmter Kollegen wie Perry Como, Danny Kaye, Johnny Carson und Sammy Davis Jr. Weitere große Namen pflastern den Weg der sympathisc­hen Entertaine­rin: Mit Ella Fitzgerald war Caterina Valente seit 1955 befreundet; und dass Komiker Jerry Lewis sein Programm mit einer Caterina-Valente-Parodie würzte, empfindet die Parodierte als große Ehre. 1964 ist die Sängerin vier Wochen lang Topstar in Las Vegas; im selben Jahr hat sie eine TV-Samstagabe­ndShow mit 22 Folgen. Ein unglaublic­hes Pensum, das sie mit regelmäßig­en Schlafkure­n und Vitaminspr­itzen bewältigt.

Mehr als vier Jahrzehnte lang trat Caterina Valente, die bis 1979 in zweiter Ehe mit dem Pianisten Roy Budd verheirate­t war, im legendären Pariser Olympia auf. Die Deutschen wiederum ehrten „ihre“Valente mit zahlreiche­n Preisen und Auszeichnu­ngen; darunter das Große Bundesverd­ienstkreuz der Bundesrepu­blik Deutschlan­d anlässlich ihres 50jährigen Bühnenjubi­läums im Jahr 1986 sowie 2002 der Echo und 2005 der Ehren-Bambi für ihr Lebenswerk.

2000 ist ihr 25. und letztes Studioalbu­m „Sings Weill“erschienen. Heute lebt die zweifache Mutter zurückgezo­gen in der Schweiz. Noch im ersten Lockdown rief sie auf Facebook dazu auf, zu Hause und trotz Abstand miteinande­r vereint und in Sicherheit zu bleiben. Am 14. Januar wird Caterina Valente 90 Jahre alt. Ein großer Star, der trotz aller Erfolge immer bescheiden blieb: „Ich bin eine bekannte Künstlerin, auch eine gute Künstlerin – aber groß, das will ich nicht von mir behaupten.“

 ?? FOTOS: IMAGO IMAGES/DPA (2)/ERAKI ENTERTAINM­ENT ?? Caterina Valente ist quasi auf der Bühne groß geworden. Viele Jahre trat sie mit ihrem Bruder Silvio Francesco auf (oben links). Sie füllte Hallen und hatte ihre eigenen Shows (unten links mit Peter Alexander). Heute wendet sich die Künstlerin über die sozialen Netzwerke an ihre Fans.
FOTOS: IMAGO IMAGES/DPA (2)/ERAKI ENTERTAINM­ENT Caterina Valente ist quasi auf der Bühne groß geworden. Viele Jahre trat sie mit ihrem Bruder Silvio Francesco auf (oben links). Sie füllte Hallen und hatte ihre eigenen Shows (unten links mit Peter Alexander). Heute wendet sich die Künstlerin über die sozialen Netzwerke an ihre Fans.
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