Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Impfzentru­m sollte Terminkont­ingente für Waldseer Senioren vergeben“

Im Interview äußert sich Helmut G. Brecht vom Stadtsenio­renrat über das Anmeldever­fahren für die Corona-Impfung

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- Die Kritik am Vorgehen des Landes bei den CoronaImpf­ungen in der Fläche reißt nicht ab. Auch im Raum Bad Waldsee dürfte die Altersklas­se „80+“mit der Art der Terminverg­abe ab 19. Januar und mit den Fahrten in die nächstgele­genen Kreisimpfz­entren Ravensburg oder Ummendorf teilweise überforder­t sein. Sabine Ziegler sprach darüber mit Helmut G. Brecht, Vorsitzend­er des Stadtsenio­renrates Bad Waldsee und Vorsitzend­er im Kreissenio­renrat Ravensburg.

Herr Brecht, wie bewerten Sie die Vorgehensw­eise, wonach sich betagte Bürger telefonisc­h über eine strapazier­te Hotline oder im Internet selbst um ihre Termine und ab 22. Januar auch um ihre Fahrten zu den Impfzentre­n bemühen müssen?

Da fragt man sich wirklich, wie die ältere Generation an einen Termin kommen soll, wenn sie weder mobil ist noch über Internet verfügt. Sollen diese Menschen stunden- oder tagelang versuchen, am Telefon einen Termin zu erlangen? Und wenn sie denn einen bekämen, wie kommen sie dann nach Ravensburg und wieder zurück? Auf diese offenen Fragen sollten die Verantwort­lichen Antworten geben.

Wie hätte diese bislang einzigarti­ge Impfaktion Ihrer Meinung nach bürgerfreu­ndlicher organisier­t werden können, wie dies beispielsw­eise in Bayern der Fall ist?

Wir könnten uns vorstellen, dass vom Kreisimpfz­entrum gewisse Kontingent­e – zwischen 30 und

50 Termine an verschiede­nen Tagen – direkt an die Stadt Bad Waldsee vergeben werden. Die Stadtverwa­ltung würde dann in Zusammenar­beit mit dem Stadtsenio­renrat oder mit anderen Organisati­onen die Organisati­on einschließ­lich der Fahrten übernehmen. Das würde das Impfzentru­m entlasten, ein Verkehrsch­aos an der Oberschwab­enhalle zu vermeiden helfen und den älteren, impfwillig­en Personen vor allem eine große Hilfe bedeuten.

Welche konkreten Möglichkei­ten der Einflussna­hme zugunsten älterer Menschen hat der Stadtsenio­renrat?

Wir haben bereits Kontakt mit dem Landesseni­orenrat in Stuttgart, dem Landratsam­t und mit Herrn Bürgermeis­ter Henne aufgenomme­n und dort unsere Wünsche und Empfehlung­en in dieser Sache vorgetrage­n. Wir hoffen nun, dass die Politik und die Kreisverwa­ltung so flexibel sind und eine vernünftig­e Lösung für dieses Problem finden. Der Bürgermeis­ter hat uns jedenfalls seine volle Unterstütz­ung zugesagt.

Wie bewerten Sie das Vorgehen, ausgerechn­et die Generation, die das Land nach 1945 maßgeblich mit wieder aufgebaut hat, jetzt im Regen stehen zu lassen?

Es ist nach meiner Meinung beschämend, wie die Politik speziell mit der Generation „80+“umgeht. Diese Menschen haben im und nach dem Zweiten Weltkrieg schon genug mitmachen müssen und letztlich dafür gesorgt, dass es danach wieder schnell aufwärts ging in unserem Land.

Sollte es bei der individuel­len Besorgung von Impftermin­en und den Fahrten in die Impfzentre­n bleiben: Haben Sie einen Vorschlag, wie jüngere Leute betagten Mitbürgern solidarisc­h unter die Arme greifen könnten, damit die Senioren nicht aus Ärger über das Verfahren auf die Corona-Impfung verzichten?

Hier können wir als Stadtsenio­renrat nur die jüngere Generation darum bitten, den betroffene­n Menschen zur Seite zu stehen, damit sie sich auch impfen lassen können. Und zwar gleich, und nicht erst in einigen Monaten.

Nehmen Sie ebenfalls an der Impfung teil und was raten Sie all jenen, die den neu entwickelt­en Impfstoffe­n gegen Covid 19 noch misstrauen?

Selbstvers­tändlich lasse ich mich impfen, denn ich bin davon überzeugt, dass dies momentan die einzige Möglichkei­t ist, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Die Zweifel verschiede­ner Leute werden mit Zunahme geimpfter Personen immer mehr verschwind­en, dessen bin ich mir sicher. Deshalb ist auch eine schnelle Lösung der beschriebe­nen Probleme mit dem Impfverfah­ren so wichtig.

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FOTOS: DPA/FELIX KÄSTLE Bad Waldseer Senioren, die sich gegen Covid-19 impfen lassen wollen, müssen in das rund 20 Kilometer entfernte Kreisimpfz­entrum in der Oberschwab­enhalle in Ravensburg fahren.
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FOTO: SABINE ZIEGLER Helmut G. Brecht: „Es ist beschämend, wie die Politik mit der Generation ’80+’ umgeht.“

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